Am Fuße des Mount Fuji und etwa 30 Kilometer von der Küstenstadt Fuji entfernt bereitet sich die Hausstrecke von Toyota auf das große Jubiläum vor: Im kommenden Jahr wird der heute 4,563 Kilometer lange Fuji Speedway sein 50. Jubiläum feiern. Nichts wäre aus marketingtechnischer Sicht geeigneter, als kommendes Jahr für die Festivitäten mit einem Toyota-Sieg anno 2014 zu werben. Und mittlerweile ist das in Köln beheimatete Rennteam des japanischen Herstellers zum Siegen verdammt: Nicht nur, weil zehntausende japanische Fans den Heimsieg wünschen, sondern weil Toyota mittlerweile zweimal leichtfertig Punkte in Massenware an den Erzrivalen Audi verschenkt hat.

Die wichtigste Nachricht zuerst: Das frühe Aufstehen (das sechsstündige Rennen startet Sonntagmorgen um 4 Uhr deutscher Zeit) wird sich diesmal lohnen. Das Regenchaos aus dem Vorjahr, bei dem kein Rennen zustande gekommen ist, dürfte am Sonntag in ganz weite Ferne gerückt sein, denn es sind trockene Bedingungen am ganzen Wochenende vorhergesagt - erst in den Abendstunden nach dem Rennen soll mit Regen zu rechnen sein.

Toyota: Nur der Sieg zählt

Es ist Feuer unterm Dach: Toyota hat Nicolas Lapierre, der zuletzt zweimal den in der Meisterschaft führenden TS040 Hybrid bei Regen entweder in die Planke oder in den Kies gesetzt hat, den Japan-Trip "aus persönlichen Gründen" erspart. Zu viel hat man in Le Mans und Austin verspielt: Obwohl bislang stets im schnellsten Auto, haben Anthony Davidson und Sebastien Buemi gemeinsam mit dem beurlaubten Lapierre (dessen WM-Chancen nur bei einem Ausfall der Teamkollegen noch intakt wären) nur noch elf Punkte Vorsprung, in der Markenwertung hat Audi mittlerweile das Kommando übernommen.

Zweimal verwachst: Toyota darf sich jetzt keine Fehler mehr erlauben, Foto: Toyota
Zweimal verwachst: Toyota darf sich jetzt keine Fehler mehr erlauben, Foto: Toyota

Das soll sich nun alles ändern: Buemi und Davidson werden die volle Unterstützung des Schwesterfahrzeugs erhalten, auf dem Kazuki Nakajima zurückkehren wird. Der frühere Formel-1-Pilot kennt den Kurs wie kein Zweiter - neben seinen Testaktivitäten für Toyota schaut auch die japanische Super GT zweimal im Jahr vorbei. Gemeinsam mit Alex Wurz und Stephane Sarrazin soll der Toyota mit der Startnummer 7 die Audi von der Nummer 8 fernhalten. Die starke Beschleunigungsleistung der Superkondensatoren kommt Toyota eingangs der 1,5 Kilometer langen Start-/Zielgeraden entgegen. Schnellstes Auto plus Heimspiel: Toyota muss jetzt gewinnen.

Audi als erster Spielverderber

Am ehesten den Spielverderber spielen dürfte Audi. Mit dem Le-Mans-Sieg in die Sommerpause gestartet, kehrte das Joest-Team gleich mit einem Triumph in Austin zurück. Doch in Ingolstadt weiß man: Man kann sich nicht länger darauf verlassen, dass Toyota die Siege leichtfertig wegwirft. In Austin dominierten die R18 e-tron quattro die freien Trainings, nur um im Rennen von Buemi vorgeführt zu werden, bevor Toyota im Regen den fatalen Strategiefehler beging und Lapierre von der Strecke segelte.

Gelingt der hochmotivierten Audi-Truppe der Hattrick?, Foto: Audi
Gelingt der hochmotivierten Audi-Truppe der Hattrick?, Foto: Audi

Fuji ist die einzige Strecke im WEC-Kalender, auf der Audi noch nie gewonnen hat. Umso mehr werden Marcel Fässler, Andre Lotterer und Benoit Treluyer dransetzen, den Hattrick zu holen. Bei nur elf Punkten Rückstand in der Fahrerwertung ist alles drin. Doch auch Lucas di Grassi und Tom Kristensen, zu denen sich wiederum Loic Duval gesellt, haben noch Meisterschaftschancen und liegen nur 13 Punkte hinter den Teamkollegen. Eine Teamorder kann sich Audi im Gegensatz zu Toyota nicht leisten, und so besteht die Gefahr, dass sich beide Fahrzeuge die Punkte gegenseitig wegnehmen. Einen Null-Fehler-Job kann man von Audi erwarten, die Frage ist: Kann der R18 mit dem TS040 mithalten?

Porsche: Abstauber oder Mitfavorit?

Die große Unbekannte ist wieder einmal Porsche: Der 919 Hybrid war in Austin richtig schnell und konnte in der Dunkelheit das Tempo mitgehen, musste sich aber in der Anfangsphase den Audi beugen. Dennoch sind Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb sowie Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley mittlerweile in der Lage, bei den richtigen Bedingungen mit ihrem High-Downforce-Package die schnellsten Zeiten zu fahren. Die einzige Frage ist: Hält das Fahrzeug endlich durch?

Neuer Anlauf: Wenn der Porsche 919 Hybrid durchhält, kann er gefährlich werden, Foto: Adrenal Media
Neuer Anlauf: Wenn der Porsche 919 Hybrid durchhält, kann er gefährlich werden, Foto: Adrenal Media

Der radikalste der drei LMP1-H hatte in der ersten Saisonhälfte noch mit diversen technischen Problemen zu kämpfen. In Austin brachte eine gerissene Leitung des Ladeluftkühlers den 919er mit der Startnummer 14 sogar um einen möglichen Sieg. Wenn Porsche aber die Fortschritte am Fahrzeug weiter so konsequent durchzieht wie bisher, ist dem noch immer jungen Team in der Sieg zuzutrauen, und zwar aus eigener Kraft. An den Fahrern soll es nicht liegen: Romain Dumas vergnügte sich zwischenzeitlich bei der Elsass-Rallye und holte dort auf Porsche 911 einen beeindruckenden 19. Platz bei starker Allrad-Konkurrenz.

Kann Lotus Rebellion gefährden?

In der LMP1-L verblüffte das Lotus-Team das gesamte Fahrerlager, als der CLM P1/01-AER beim ersten Einsatz gleich ein fast problemloses Rennen abspulte - lediglich im Regen formte das von Colin Kolles eingesetzte Leichtbau-Fahrzeug den Millionen-Parkplatz in Turn 12 mit. Da Rebellion ein Auto verlor, landeten Christophe Bouchut, James Rossiter und Lucas Auer auf dem zweiten Platz in der Subkategorie. Auf dem Fuji Speedway ersetzt Pierre Kaffer den Formel-3-Piloten, der in Imola seinen Monoposto-Verpflichtungen nachgeht.

Lotus verblüffte mit Standfestigkeit, jetzt muss Speed her, Foto: Adrenal Media
Lotus verblüffte mit Standfestigkeit, jetzt muss Speed her, Foto: Adrenal Media

Die große Frage ist nun: Wie viele Reserven stecken im neuen Lotus und wie schnell können diese abgerufen werden? Bei aller Bewunderung über die Zielankunft beim Lone Star Le Mans darf man nicht vergessen, dass die Zeiten über weite Strecken langsamer als diejenigen der LMP2-Klasse waren. Rebellion wird unterdessen versuchen, den Erfahrungsvorsprung weiter zu nutzen und die Lücke zu den Hybridfahrzeugen ein wenig zu schließen. In Austin war sie aber trotz aller Anpassungen auf etwa fünf Sekunden pro Runde angewachsen. Nicolas Prost, Nick Heidfeld und Mathias Beche werden ebenso wie Dominik Kraihamer, Andrea Belicchi und Fabio Leimer versuchen, dieses Loch bis zum Ende der Saison so klein wie möglich werden zu lassen.

Angriff auf Zlobin mit vereinten Kräften

Überraschender Tabellenführer: Sergey Zlobin, Foto: Speedpictures
Überraschender Tabellenführer: Sergey Zlobin, Foto: Speedpictures

In der LMP2-Kategorie steht SMP Racing plötzlich in der Premierensaison mit Sergey Zlobin als Tabellenführer da. Der Russe konnte diese in Austin sogar um drei Punkte ausbauen und hat nun 27 Punkte Vorsprung. Doch die beiden Oreca 03 des SMP-Teams sehen sich größerer Konkurrenz gegenüber: Um den Ableger G-Drive Racing zu unterstützen, hat Oak Racing ein zweites Fahrzeug für die drei asiatischen Rennen genannt, das den Ligier von Julien Canal, Roman Rusinov und Olivier Pla unterstützen soll. Und KCMG kommt mit dem Rückenwind des ersten Sieges aus Austin nach Japan.

GT-Dreikampf geht in die nächste Runde

In den GT-Kategorien ist in erster Linie die Markenwertung interessant: Ferrari und Porsche sind hier nur durch vier Punkte voneinander getrennt. In der GTE Pro haben Gimmi Bruni und Toni Vilander einen beruhigenden Vorsprung von 25 Punkten, den sie nur noch verwalten müssen. Durch die Fahrerrochaden bei Porsche kommt Fred Makowiecki als alleiniger Zweiter nach Japan. Doch die lange Gerade kommt in erster Linie den Aston Martin entgegen, die in Austin den höchsten Topspeed hatten. Bei Porsche ist es das erste Rennen für den neuen Chef der GT-Aktivitäten Frank-Steffen Walliser.

Front- Mittel- oder Heckmotor: Welches Konzept ist für Fuji am besten?, Foto: Aston Martin Racing/Drew Gisbson
Front- Mittel- oder Heckmotor: Welches Konzept ist für Fuji am besten?, Foto: Aston Martin Racing/Drew Gisbson

In der GTE Am führen weiterhin David Heinemeier Hansson und Kristian Poulsen die Meisterschaft an. Obschon in Austin die Teamkollegen Paul Dalla Lana, Pedro Lamy und Christoffer Nygaard siegten, bleiben die beiden Dänen, die in Fuji von Nicki Thiim verstärkt werden, mit 33 Punkten Vorsprung unangefochten an der Spitze. Mit einem völlig neuen Fahrer-Lineup kommt AF Corse nach Japan: Im Fahrzeug mit der Startnummer 61 gilt es insbesondere den GT-Spezialisten Jeroen Bleekemolen im Auge zu behalten.