Die Weltmeister hatten stark begonnen: Audi bewies zu Beginn der neuen Sportwagen-Ära, die nach einem Effizienz-Reglement ausgetragen wird, seine technologische Kompetenz im Kampf gegen zwei Herausforderer. Weltmeister Tom Kristensen, der sich die Startnummer 1 mit Loïc Duval und Lucas di Grassi teilt, gelang im Zeittraining am Samstag die schnellste Einzelrunde. Tags darauf zeigte André Lotterer mit der schnellsten Rennrunde, dass der Diesel-Hybridsportwagen aus Ingolstadt und Neckarsulm trotz einer restriktiven Einstufung über eine einzelne Runde schnell ist.

In der spannenden Anfangsphase des 6-Stunden-Rennens arbeitete sich Lotterer vom vierten Startplatz innerhalb von 22 Minuten bis an die Spitze vor. Einsetzende Regenschauer sorgten bereits in der ersten Stunde für äußerst kritische Streckenbedingungen. Lucas di Grassi verlor auf der rutschigen Strecke in Runde 28 die Kontrolle über sein Auto und prallte in die Leitplanken. Der Audi-Werksfahrer steuerte noch aus eigener Kraft die Boxen an. Das Audi Sport Team Joest entdeckte allerdings eine Beschädigung am Monocoque und nahm die Nummer 1 aus dem Rennen.

Als André Lotterer auf der regennassen Strecke in Runde 34 in ein Kiesbett rutschte, verlor die Nummer 2 bei der Bergung vier Runden. Der Weltmeister von 2012 übergab seinen Rennwagen nach 1:51 Stunden Fahrzeit auf Platz vier liegend an Benoît Tréluyer. Als der Regen stärker wurde, erhielt der Franzose die Intermediate-Reifenvariante von Partner Michelin. Zwölf Runden später rutschte Tréluyer in der schnellen Copse-Kurve von der Strecke und beschädigte die Front seines R18 e-tron quattro zu sehr, um noch die Boxengasse anzusteuern.

Intensive Arbeitsphase bis zum zweiten WM-Lauf

Damit erlebte Audi eine traurige Premiere: Der Weltmeister von 2012 und 2013 hatte in keinem der vorherigen 16 WEC-Rennen einen Ausfall aller seiner Rennwagen erlebt. Zuletzt vereitelten Unfallfolgeschäden beim Petit-Le-Mans-Rennen in Road Atlanta in der Saison 2011 eine Zielankunft von Audi bei einem Sportwagen-Rennen. Der R18 bleibt mit 13 Erfolgen in 24 Rennen seit 2011 der Maßstab in seiner Epoche.

Für Audi Sport und das Audi Sport Team Joest beginnt nun ein Rennen vor dem Rennen: Bereits in zwei Wochen steht in Spa der zweite Lauf zur WEC auf dem Programm. Bis dahin müssen die beschädigten Startnummern 1 und 2 neu aufgebaut werden. Hinzu kommt in Vorbereitung auf die 24 Stunden von Le Mans ein dritter R18 e-tron quattro, den sich Filipe Albuquerque und Marco Bonanomi teilen.

Stimmen der Verantwortlichen

Dr. Wolfgang Ullrich (Audi-Motorsportchef): "Beide Autos in einem Rennen durch Unfälle zu verlieren, ist extrem hart. Es ist das erste Mal seit Road Atlanta 2011, dass wir von einem Rennen mit den Le-Mans-Prototypen ohne einen einzigen Punkt weggehen. Dabei hat die Performance zu Beginn des Rennens gestimmt. Als es zu regnen begann, haben wir unserem Wetterradar vertraut und zu lange gewartet, die Reifen zu wechseln. Das war unser Fehler und im Nachhinein betrachtet ein unnötiges Risiko. Es hat uns voll erwischt: Beide Autos sind von der Strecke gerutscht. Das Auto von Lucas (di Grassi) wurde dabei so stark beschädigt, dass wir es aus dem Rennen nehmen mussten. André (Lotterer) konnte weiterfahren, hat aber viel Zeit verloren. Obwohl wir anschließend mit den Reifen auf Nummer sicher gegangen sind und Benoît Tréluyer auf Intermediates unterwegs war, die sehr gut funktioniert haben, ist auch er von der Strecke gerutscht. Da beide Autos stark beschädigt wurden, steht uns nun ein echter Marathonlauf bis zum nächsten WEC-Rennen in Spa bevor."

Chris Reinke (Leiter LMP): "Der Beginn des Rennwochenendes in Silverstone war so, wie wir es uns vorgestellt hatten: Das Feld lag eng zusammen und wir konnten im Qualifying mit der schnellsten Einzelrunde unsere Performance bestätigen. Auch die schnellste Rennrunde geht an den R18. Dass beide Autos nicht ins Ziel gekommen sind, ist für uns – zum Glück – eine ungewöhnliche Situation. Ich bin mir aber sicher, dass wir im Team noch ein Stück näher zusammenrücken und alle Kräfte daran setzen werden, die Autos für Spa wieder sauber vorzubereiten und dort zurückzuschlagen."

Ralf Jüttner (Teamdirektor Audi Sport Team Joest): "Ein Totalausfall ist das Worst-Case-Szenario. Wir gehen hier mit null Punkten weg. Auch, um Erfahrung zu sammeln, hätten wir uns gewünscht, das Rennen zu Ende zu fahren. Die Bedingungen waren natürlich extrem schwierig und wir haben in Sachen Reifenwahl etwas zu risikoreich entschieden. Beide Autos zu verlieren und kurz nach der Rennhälfte einpacken zu müssen, war absolut nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Positiv ist: Das Auto ist gut – das hat man gesehen. Bis zum Ausfall sind wir auch mit den neuen Regularien ganz gut zurechtgekommen, auch wenn es noch immer viel zu lernen gibt. Für die Jungs wird es jetzt ganz hart, zwei Autos neu aufzubauen. Bis Spa ist nicht viel Zeit – dort müssen wir versuchen, es besser zu machen."