Inzwischen habe ich ja ein paar Tage Abstand zu Le Mans, war auch gestern mit Alex Wurz und Lucas di Grassi auf einer Fahrrad-Trainingsfahrt nach Italien rüber - Training und auch der Versuch, den Kopf wieder völlig freizubekommen. Aber ich muss immer noch sagen: Es war das schwerste Rennwochenende meiner Karriere - und ich kann mir im Moment nicht vorstellen, noch einmal ein schwierigeres zu erleben. Die 24 Stunden von Le Mans sind wahrscheinlich an sich schon das schwierigste Rennen der Welt, und die Umständen dieses Jahr haben es dann wirklich extrem gemacht.

Hier geschah es: Die Tertre-Rouge-Kurve in Le Mans, Foto: Alexandre Guillaumot
Hier geschah es: Die Tertre-Rouge-Kurve in Le Mans, Foto: Alexandre Guillaumot

Der tödliche Unfall von meinem Teamkollegen Allan Simonsen ganz am Anfang war natürlich ein ganz großer Schock. Für mich war es das erste Mal, dass ich es miterlebt habe, dass in einem Rennen, in dem ich dabei bin, jemand stirbt. Und wenn es dann jemand ist, den man gut kennt, ein Teamkollege, dann ist es natürlich besonders schlimm. Am Freitag, bei der Fahrerparade in der Stadt, haben Allan und ich noch rumgeblödelt, wie wir uns gegenseitig die Schlüssel von unseren Scootern klauen wollten. Er hat mir von seiner kleinen, eineinhalb Jahre alten Tochter erzählt, wie glücklich er mit seiner Familie sei. Sein Vater und sein Bruder waren ja in Le Mans, seinem Bruder habe ich noch meinen Pass gegeben.

Aus der Inboard-Kamera des dahinter fahrenden Autos sieht man, dass Allan auf den Randstein gekommen ist. Der ist weiß angestrichen, war noch nass, glatt - da hat er die Kontrolle verloren. Die Kurve Tertre Rouge geht im vierten Gang. Der Einschlag war unheimlich heftig und halt genau seitlich, auf der Fahrerseite, das ist immer noch bei aller Sicherheit mit die kritischste Situation, die es gibt. Trotzdem haben auch wir am Anfang noch gedacht, dass es nicht so schlimm sein würde, die Information, dass Allan bei Bewusstsein sei, die ja auf dem WEC-Ticker war, ist auch bei uns in der Box angekommen. Einige im Team haben allerdings wohl ziemlich schnell Bescheid gewusst, weil Allans Vater ja mit im Medical Center war.

Ich weiß gar nicht mehr genau, wann wir dann wirklich die traurige Nachricht bekommen haben, aber es war noch irgendwann im ersten Stint, als Rob noch im Auto saß. Erst war nicht klar, wie es weitergehen würde, aber nachdem sich Allans Familie ja gewünscht hatte, dass wir für ihn weiterfahren, haben wir das natürlich auch gemacht. Aber es war nicht leicht, die Gedanken begleiten einen, die kann man auch im Auto nicht völlig ausschalten. Jedes Mal, wirklich jedes Mal, wenn ich durch diese Kurve gefahren bin, habe ich an Allan gedacht.

Die Vorbereitung auf meinen ersten Stint war ein bisschen chaotisch, denn eigentlich war geplant, dass Fréd da einen Dreifachturn fahren sollte. Aber er war mit den weichen Reifen draußen, und da hat Michelin dann plötzlich gesagt, dass das doch nicht gehe, dass das zu gefährlich werden würde. Also hat man mich fast eine Stunde früher als geplant geholt, ich hatte noch nicht mal was gegessen, weil ich das eigentlich erst relativ kurz vorher machen wollte. Mit dem Ergebnis, dass ich dann beim Fahren regelrecht Hunger bekommen habe.

Die Bedingungen waren die ganze Zeit über extrem schwierig, dadurch, dass es immer wieder leicht zu regnen anfing, das hat natürlich dazu beigetragen, dass es so viele Unfälle und Safety-Car-Phasen gab, die dann wieder andere Probleme mit sich gebracht haben. Es war bei den Neustarts unglaublich schwierig, das Auto überhaupt auf der Strecke zu halten, man hatte bei den niedrigen Reifentemperaturen überhaupt keinen Grip. Das habe ich schon in meinem ersten Stint gemerkt, ich habe mich dann in der Runde vor der Wiederfreigabe immer unheimlich darauf konzentriert, irgendwie Temperatur in die Reifen zu bringen. Ich hatte zwar das Gefühl, dass das immer noch eine Katastrophe war, aber offenbar hatten die anderen noch mehr Probleme, denn ich konnte nach dem Neustart dann unseren Vorsprung doch gleich wieder deutlich ausbauen.

Eigentlich hatten wir zuerst geplant, dass ich dann auch nur einen Doppelturn mit den Medium-Reifen fahren sollte, weil die auf der abkühlenden Strecke doch ziemlich gelitten haben, aber dann hat das Team mir während des zweiten Turns gesagt, dass es strategisch doch deutlich besser wäre, wenn ich wie unsere Konkurrenten auch einen Dreifachturn machen würde. Ich war erst nicht begeistert, weil die Reifen nicht mehr besonders waren, habe aber dann zugestimmt, es zu riskieren und es ging dann ja auch einigermaßen, obwohl es am Ende wirklich nicht einfach war und das Auto an einigen Stellen schon stark gerutscht ist. Aber immerhin konnte ich Rob dann doch einen ordentlichen Vorsprung mitgeben, als meine drei Stunden vorbei waren.

Diesmal konnte ich dann auch, trotz allem, in der Nacht doch ein paar Stunden schlafen. 2009 ging das ja irgendwie gar nicht, da war ich so überdreht, dass ich zwischendurch keine Ruhe gefunden habe. Diesmal schon, ich hatte ein eigenes Wohnmobil an der Strecke, habe mich dann so gegen Halb zwei hingelegt, nachdem ich was gegessen und noch kurz mit Charlotte und ein paar Freunden zusammengesessen hatte - ein bisschen Zeit braucht man ja doch, um das Adrenalin abzubauen, wieder runterzukommen.

Wilde Kämpfe der Amateure

Kurz vor Halb sechs, als ich dann das Auto von Fréd wieder übernommen habe, war ich auch wirklich fit. Zu diesem Zeitpunkt lagen wir auf Platz zwei, aber wir wussten, dass der Porsche mit der 92 seinen Bremsenwechsel noch vor sich hatte und wir danach wieder vorne sein würden. So kam es dann auch. Als ich mir kurz vor acht einen schleichenden Plattfuß eingefangen hatte und viel früher als geplant noch einmal Reifen wechseln musste, habe ich mich erst gewaltig geärgert, dachte, dass würde uns viel kosten, aber durch das nächste Safety Car, dass dann gleich kam, hat es sich im Nachhinein sogar als Vorteil erwiesen, dass wir da den Stopp schon absolviert hatten. Durch die lange Safety-Car-Phase - eigentlich waren es zwei hintereinander - ist es für mich ein Vier-Stunden-Stint geworden, was aber kein Problem war. Probleme hatte ich in der ganzen Zeit allerdings immer wieder im Verkehr. Einmal, schon ziemlich am Anfang, hat plötzlich eines der Amateur-Autos vor mir 200 Meter früher gebremst als normal, das musste ich ins Gras ausweichen. Und dann habe ich mal im letzten Sektor fünf Sekunden verloren, weil da ein langsamer LMP2 mit zwei anderen Autos am kämpfen war und die über die ganze Streckenbreite hinweg ziemliches Chaos gemacht haben. Aber das ist halt auch Teil von Le Mans.

Der Aston Martin Allan Simonsens, Foto: DPPI
Der Aston Martin Allan Simonsens, Foto: DPPI

Immerhin konnte Fréd dann das Auto mit über einer Minute Vorsprung von mir übernehmen, aber dann kam halt der Abflug. Es hatte mal wieder angefangen, zu regnen. Er ist mit den Slicks ausgerutscht und heftig in der Leitplanke gelandet. Unter diesen Umständen passiert so etwas unglaublich schnell. Natürlich war die Enttäuschung bei allen riesengroß. Das ganze Team hatte diesen Sieg ja unbedingt gewollt, um ihn Allan zu widmen, auch für seine Familie, hatten uns an diesem Ziel hochgezogen, daraus Kraft gewonnen. Wenn dieser Traum dann so jäh beendet wird, ist da natürlich erst einmal eine ganz große Leere in einem, dann kommt auch die Trauer noch einmal richtig wie ein Schlag. Man hat das bei allen gemerkt, in den Gesichtern lesen können, wie tief dies das ganze Team noch einmal zusätzlich getroffen hat. Aber trotzdem war mein erster Gedanke: Das Wichtigste ist, dass Fréd okay ist, dass ihm nicht auch noch etwas passiert ist. Rennen, die wir gewinnen können, gibt es auch noch andere.

Jetzt gilt es, nach vorne zu schauen, das Geschehene hinter sich zu lassen - aber auch, daraus zu lernen. Der Kurs von Le Mans ist gefährlich, und meiner Meinung nach würden da auch zusätzliche Reifenstapel an verschiedenen Stellen nicht viel helfen. Vielleicht sogar im Gegenteil: Man sieht ja immer wieder, dass ein Auto von Reifenstapeln erst so richtig in die Luft geschleudert wird. Was wirklich etwas bringen könnte, wären meiner Meinung nach diese relativ neuen Sicherheitsbarrieren, wie sie ja die Formel 1 zum Beispiel in Monaco zum Einsatz kommen. Ich bin auch schon am Überlegen, wie man da einen entsprechenden Vorschlag ausarbeiten und mit dem ACO darüber in Kontakt treten könnte. Natürlich weiß ich, dass dieses System teuer ist - aber nach den vielen dramatischen Unfällen in diesem Jahr denkt man vielleicht doch einmal darüber nach.

Ansonsten habe ich jetzt auch wieder einiges an Programm vor mir: Am 7. Juli bin ich in Brands Hatch bei einem großen Event zur 100-Jahre-Feier von Aston Martin, am Wochenende drauf in Goodwood beim Festival of Speed. Danach muss ich noch mal für ein paar Tage nach Brasilien und dann fahre ich ja Ende Juli in Spa-Francorchamps das 24-Stunden-Rennen in einem McLaren - zusammen mit meinem Manager Chris Goodwin. So wird die Zeit bis zum nächsten WEC-Rennen in Brasilien nicht zu lang. Dort werden wir wieder voll angreifen: Wir haben in Le Mans gesehen, dass wir ein sehr konkurrenzfähiges Auto haben, wir waren die Schnellsten. Und der WM-Titel ist noch nicht außer Reichweite.