In Donington Park hat Kawasaki-Pilot Tom Sykes gezeigt, warum ihn alle Piloten auf seiner Heimstrecke so fürchteten. Beide Läufe konnte der Brite für sich entscheiden und verwies den WM-Führenden Jonathan Rea so in die Schranken. Auch in Misano muss Sykes jetzt Vollgas geben, wenn er die Lücke zu Rea in der WM-Tabelle schließen will. Außerdem sitzt ihm Verfolger Chaz Davies im Nacken. Wer in Misano die besten Chancen auf den Sieg hat, hat sich Motorsport-Magazin.com in der großen Vorschau zum WSBK-Lauf angesehen.

Kawasaki: Zwei Giganten kämpfen

In Donington Park zog Jonathan Rea hinter Tom Sykes den Kürzeren, Foto: Kawasaki
In Donington Park zog Jonathan Rea hinter Tom Sykes den Kürzeren, Foto: Kawasaki

In Donington hat Sykes mehr als eindrucksvoll gezeigt, dass er sich hinter Teamkollege und Wunderkind Rea nicht verstecken muss. Beide Rennen konnte der Brite für sich entscheiden, ohne, dass Rea auch nur den Hauch einer Chance gegen ihn gehabt hätte. So darf es in Misano natürlich gern weitergehen, aber so einfach wird ihm Rea die Sache nicht machen. Der Nord-Ire hat nämlich eine besondere Verbindung zu der italienischen Strecke. "Ich habe sehr spezielle Erinnerungen an Misano, weil ich hier mein erstes WorldSBK-Rennen überhaupt gewonnen habe." Auch stand Rea im Vorjahr in beiden Rennen auf dem Podium, einmal als Sieger, einmal als Zweiter. Wer da das Rennen für sich entschied? Natürlich Sykes.

Auch der freut sich schon auf den zweiten Italien-Lauf. "Die Strecke ist sehr eng und geschwungen, was immer zu gutem Racing führt. Außerdem waren wir in der Vergangenheit sehr erfolgreich." Es hat fast den Anschein, als sähe sich Sykes ohnehin in der Rolle des Favoriten. "Ich habe das Rennen in Sepang unter extremen Bedingungen gewonnen und auch beide Rennen in Donington, trotz einige Probleme", stellt Sykes klar. Was die Statistik der Saison angeht, hat Rea aber keinen Grund, sich von Sykes beunruhigen zu lassen. Bisher konnte der amtierende Weltmeister fünf Rennen für sich entscheiden und in allen vierzehn Rennen auf dem Podium stehen. Sykes hingegen stand erst vier Mal auf dem Siegertreppchen und beendete vier Rennen gar nicht auf dem Podium. Die Statistik spricht also eigentlich eher für ein Rea-Festival in San Marino.

Ducati: Davies muss angreifen

Chaz Davies muss in Misano wieder aufholen, Foto: Ducati
Chaz Davies muss in Misano wieder aufholen, Foto: Ducati

Ducati-Pilot Davies kann nur hoffen, dass ihm den italienische Boden nach vier schwierigen Rennen in Malaysia und Großbritannien mehr Glück bringt. Zuletzt gelang ihm in Imola ein starker Doppelsieg. Mit den italienischen Tifosi im Rücken konnte Davies weder Rea noch Sykes gefährlich werden. Auf dem World Circuit Marco Simoncelli muss Davies jetzt zu alter Form zurückfinden, will er den WM-Anschluss an Rea und vor allem an Sykes nicht verlieren. Mittlerweile ist dieser nämlich an Davies vorbeigezogen, liegt aber nur sechs Punkte vor ihm. Noch ist das Kawasaki-Duo dem Ducati-Piloten also noch nicht vollständig entwischt. Nach den Testfahrten in Misano ist Davies aber zuversichtlich, dass ihm diese Aufholjagd gelingt. "Wir haben während der Testfahrten schon ein bisschen Arbeit erledigen können, die wir sonst am Beginn des Rennwochenendes vor uns haben", so Davies.

Teamkollege Davide Giuglianos Chancen auf den WM-Titel stehen dafür quasi bei null. 146 Zähler liegt der Italiener hinter dem WM-Führenden Rea. Die Saison lief für Giugliano weitestgehend schleppend, erst dreimal stand er auf dem Podium. Einen Angriff auf Rea, Sykes und Davies wird der Ducati-Pilot also ohnehin nicht mehr starten können. Was bleibt, ist die Aufgabe, den vierten WM-Rang zu verteidigen. Leichter gesagt als getan, denn Konkurrent Michael van der Mark auf der Honda klopft schon an. Mittlerweile liegt er nur noch sechs Zähler hinter Giugliano. Die Chancen könnten schlechter für den Italiener stehen, 2015 wurde er in Misano Zweiter und Vierter. Doch genau wie Davies sind es die Testfahrten, die Giugliano positiv stimmen. "Unsere Rivalen sind überall stark, aber ich glaube, dass die Testfahten der Schlüssel sind", erklärt Giugliano. Diese Erkenntnisse gilt es in Misano nun auf die Strecke zu bringen.

Honda: Hayden holt auf

Zu Saisonbeginn hatte van der Mark WSBK-Neuankömmling Nicky Hayden ganz gut unter Kontrolle. Jetzt dreht der Routinier den Spieß langsam aber sicher um. In Donington Park, die MotoGP-Legende Hayden nur aus frühen WM-Tagen kennt, hatte er Jungspund van der Mark gut im Griff. Im Samstagsrennen wurde Hayden Fünfter, am Sonntag Sechster. Damit trennten ihn jeweils drei und zwei Plätze von Teamkollege van der Mark. Eines steht jedenfalls fest: Spätestens mit seinem Sieg in Sepang ist Hayden endgültig in der WorldSuperbike-Liga angekommen. In San Marino dürfte der Amerikaner noch einen Vorteil genießen. Seit Urzeiten ist die Strecke im MotoGP-Kalender eine feste Größe. Die Lernphase für das Strecken-Layout fällt in Misano also weg.

Nicky Hayden ist endgültig in der WSBK angekommen, Foto: Honda
Nicky Hayden ist endgültig in der WSBK angekommen, Foto: Honda

Für van der Mark sieht es hingegen weniger rosig aus. In der ganzen Saison stand der Niederländer zwar schon viermal auf dem Podium, einen Sieg konnte er aber nicht erzielen. Auch in der WM-Wertung liegt er nur noch schmale fünf Zähler vor Hayden. Doch während Hayden zur Saisonmitte deutlich zugelegt hat, hatte van der Mark seine bisherige große Stunde zu Saisonbeginn. Auf diesem Punktepolster kann der Honda-Pilot sich nicht mehr allzu lange ausruhen, wenn Hayden weiterhin stärker wird. Bereits in San Marino könnte der Amerikaner schon an ihm vorbeiziehen - wenn die Umstände stimmen.

Yamaha: Kein Comeback für Guintoli

Sylvain Guintoli will in Misano wieder am Start sein, Foto: Yamaha
Sylvain Guintoli will in Misano wieder am Start sein, Foto: Yamaha

Nach Sylvain Guintolis Verletzung in Imola wurde für den Lauf in Donington Park Ersatz gefunden. Die Dienste von Cameron Beaubier werden in Misano aber nicht mehr in Anspruch genommen. Eigentlich war geplant, dass Guintoli in Misano selbst wieder angreift, aber stattdessen wird Nicolo Canepa den Franzosen ersetzen. Damit setzt Guintoli mindestens sechs Rennen aus, wird aber in Misano vor Ort sein, um sein Team zu unterstützen.

Teamkollege Alex Lowes kämpfte in Donington Park dann ebenfalls mit Verletzungsproblemen. Die Unterstützung Beaubiers nützte dem Briten herzlich wenig, da er nach einem Sturz in Sepang für unfit erklärt wurde und bei beiden Rennen auf heimischen Boden aussetzen musste. In Misano ist der Brite aber wieder fit und die Leistungen aus dem Vorjahr verbessern. "Das größte Fragezeichen bin im Moment ich, nicht das Bike", lacht Lowes. "Aber ich arbeite hart und weiß, dass ich hier konkurrenzfähig sein kann." Im Jahr 2015 war Lowes in Rennen eins Zwölfter geworden und in Rennen Nummer zwei gestürzt. Für das Yamaha-Team kann es also im Moment nur bergauf gehen.

Reiterberger: Zurück zur alten Form

Markus Reiterberger schaffte es in Donington Park in keinem Rennen in die Top-10, Foto: Althea BMW
Markus Reiterberger schaffte es in Donington Park in keinem Rennen in die Top-10, Foto: Althea BMW

Auch Markus Reiterberger lag in der Vergangenheit seines WorldSBK-Rookiejahres schon deutlich weiter vorn als in Großbritannien. Der Althea-Pilot fuhr in Donington kein einziges Mal in die Top-10, sondern wurde in Rennen eins Elfter und in Rennen zwei 16. Sein bisher bestes Ergebnis erzielte der Deutsche in Thailand mit einem fünften Rang. Davon ist er momentan weit entfernt. Die guten Erinnerungen an diese Strecke motivieren Reiterberger aber. "Letztes Jahr bin ich in Misano zum ersten Mal SBK gefahren. Ich habe viele gute Erinnerungen, denn in der ersten Session bin ich gleich Vierter geworden." Natürlich ging ihm das erste Rennen nicht ganz so leicht von der Hand, aber mit der Erfahrung, die der BMW-Pilot in der ersten Saisonhälfte sammeln konnte, dürften gute Ergebnisse drin sein.

Die Superbike-WM 2016 bisher

Kawasaki dominiert die WM klarer denn je. Nicht nur, dass Rea die Punktetabelle weiterhin anführt, auch Teamkollege Sykes hat sich an Ducati-Pilot Davies vorbei auf den zweiten Rang vorgedrängt. Damit liegen beide Werks-Kawasakis vor dem Ducati-Duo Davies und Giugliano. Ganze 56 Punkte Vorsprung hat Rea auf Sykes, 62 Zähler sogar auf Davies. Den Zweit- und Drittplatzierten trennen jedoch zarte sechs Punkte. Zwischen Sykes und Davies wird es also eng in den kommenden Rennen, während Rea zumindest etwas entspannter an die restlichen Rennen gehen kann. Giugliano ist mit insgesamt 147 Zählern außerhalb der Schlagdistanz, gleiches gilt für das Honda-Werksduo van der Mark und Hayden.

Misano: Strecke und Statistik

Die Geschichte des Rundkurses von Misano began im Jahr 1969 mit dem ersten Entwurf einer Rennstrecke, die drei Jahre später in Betrieb genommen wurde. Der erste Umbau wurde dann erst viele Jahre später im Jahr 2005 vollzogen. Das Projekt wurde bis 2006 verlängert und bei dieser Gelegenheit gleich ausgeweitet. Ein Jahr später lockten diese Umbaumaßnahmen dann auch die MotoGP an die Adria. In den WSBK-Rennkalender kam Misano erstmals 1991, im vierten Austragungsjahr der Weltmeisterschaft. Danach verschwand sie ein Jahr später aus dem Kalender, bis Misano 1993 vollständig in die Superbike-Liga aufgenommen wurde. Lediglich im Jahren 2013 fehlte die Strecke erneut.

Der Rundkurs ist 4.064 Kilometer lang und enthält 16 Kurven, 10 Rechts- und sechs Linkskurven. Rekordhalter in San Marino ist aus der Superbike-Liga ist Sykes. Im Jahr 2014 fuhr er mit seiner Kawasaki einen Rundenrekord von 1:35.629. In der MotoGP geht die Spitzenposition an Jorge Lorenzo, mit einer 1:33.273 aus dem Jahr 2015.