Der Superbike-Auftakt auf Phillip Island war schon so gut wie vergessen, da ging es an diesem Wochenende doch tatsächlich endlich weiter. Nach den ersten Trainings erinnerten sich auch die Letzten: 'Ach ja, Aprilia war in Australien stark.' Genau, Eugene Laverty und Sylvain Guintoli teilten sich die WM-Führung. Was sieben Wochen später im Motorland Aragon passierte, war nach dem ersten Rennwochenende aber kaum zu glauben. Pech, Unglück, Misserfolge, Desaster und Drama ohne Ende.

Irgendwer hatte vor dem Wochenende definitiv den ein oder anderen Spiegel zerbrochen, eine Menge schwarze Katzen über die Straße laufen sehen oder sonstwas angestellt. Denn was in den beiden Superbike-Rennen und im Lauf der Supersport alles passierte, geht wahrlich auf keine Kuhhaut. Zum Glück wurden die aufgeheizten Gemüter am Ende noch mit fantastischen Rennen, einem strahlenden verdienten Sieger und einer Herzensangelegenheit den neuen WM-Führenden Sylvain Guintoli belohnt. "Anlässlich dieses tollen Tages wollte ich gleich noch bekannt geben, dass meine Frau und ich unser viertes Kind erwarten." Bon courage Guinters!

Abräumer des Wochenendes

Obwohl Guintoli mit seiner Familienplanung, zwei zweiten Plätzen auf einer Rennstrecke, die der Franzose selbst zu seinen schlechtesten zählt und der eroberten Spitze in der Gesamtwertung dem Titel des Wochenendgewinners sehr nahe kommt, geht diese Auszeichnung an einen anderen: Chaz Davies. Der Waliser fährt erst seine zweite Saison in der World Superbike, siegte schon 2012 ein Mal, durfte unter anderem dafür ins BMW-Werksteam und zeigte aller Welt an diesem Wochenende, warum. Mit zwei dominanten Siegen und ohne einen einzigen Fahrfehler legte Davies alle 39 Runden zurück und sicherte sich am Ende den wohlverdienten Doppelsieg, der übrigens sein erster in der WSBK ist.

Leon Camier zog mit einer heftigen Knieverletzung das schwerste Los, Foto: FIXI Crescent Suzuki
Leon Camier zog mit einer heftigen Knieverletzung das schwerste Los, Foto: FIXI Crescent Suzuki

Pechvogel des Wochenendes

An Pechvögeln mangelte es am vergangenen Wochenende definitiv nicht. Fangen wir einmal ganz vorne an: Pechvogel Nummer eins in Aragon war Leon Camier. Nachdem der Brite im ersten Freien Training enorm stark vorgelegt hatte und auch Jules Cluzel bewies, wie gut die GSX-R funktionierte, flog er in Qualifikation eins am Freitagnachmittag so heftig ab, dass das Rennwochenende für ihn gelaufen war. Mit einer tiefen Wunde am Knie ist momentan noch nicht einmal sicher, ob der Suzuki-Pilot in Assen wieder starten kann. Camier raffte sich aber auf und zauberte zumindest den Fans im Motorland ein Lächeln ins Gesicht, indem er am Sonntag auf seine Krücke gestützt Autogramme gab. Ich hoffe, dass er so schnell wie möglich wieder fit ist, denn wir brauchen ihn hier in der Box und auf der Strecke", sagte sein Teamkollege mitfühlend.

Eugene Laverty war ein weiterer Fahrer mit einer Menge Unglück. Er erklärt: "Technisches Problem im ersten Rennen in Führung liegend. Sturz im zweiten Rennen in Führung liegend. Keine Punkte." Aber der 26-Jährige spielte fair: "Ich war aber glücklich, Chaz Davies mit dem Doppelsieg zu sehen. Das hat er sich wirklich verdient." Nichtsdestotrotz ging Laverty selbst leer aus. Und das obwohl der Aprilia-Pilot nach Australien noch an der Spitze der Wertung lag und nach Trainings und Qualifikation zu den absoluten Favoriten zählte.

Zu den Favoriten in der World Supersport zählten auch Kenan Sofuoglu und Sam Lowes. Während Sofuoglu nicht mehr bremsen konnte und schon in Runde zwei aufgeben musste, biss sich Lowes trotz gebrochenen Fingern und angeschlagenem linken Handgelenk bis zum Ende durch. Sein Kampf zahlte sich jedoch nicht aus. Die Punkte, die Lowes gegenüber Sofuoglu sogar mit Platz zwei hätte gutmachen können, fielen wie die seines Konkurrenten der Technik zum Opfer. Nur wenige Kurven vor Rennende musste der Brite aufgeben.

Kämpfer des Wochenendes

Mit seinem unglaublich starken Willen rutscht Lowes definitiv auf den ersten Rang in der Kämpfer-Wertung. Am Freitagabend kühlte der 22-Jährige seine linke Hand noch mit einer Tüte eingefrorener Erbsen und ließ Laverty am Samstagabend über Twitter wissen: "Die Tüte Erbsen ist eben kaputt gegangen...aggro... Ich habe die Erbsen im Bett verstreut." Gut zu wissen, die Nacht vor dem Renntag war sicher sehr entspannend. Lowes war aber nicht der einzige Kämpfer am Wochenende, denn besonders die Ducati-Piloten in der WSBK musste fast ebenso hart beißen.

Carlos Checa war nach seinem heftigen Abflug auf Phillip Island zwar wieder fit, hatte aber einen enormen Trainingsrückstand. Beim Kart-Pre-Event am Donnerstag warf es den Lokalmatador erneut auf die Nase. Dazu war seine Panigale 1199 definitiv kein Fan des 5,344 km langen Kurses. Abstimmungsschwierigkeiten, Elektronikprobleme und weitere Sorgen machten ihm das Leben schwer. Auch Ayrton Badovini und Max Neukirchner kämpften mit dem roten Biest. Mit Platz elf und zwölf kam unser deutscher Vertreter hinter Checa noch recht glimpflich davon, erreichte aber nicht das Ergebnis, das er ursprünglich geplant hatte.

Überraschung des Wochenendes

Defekte und Stürze von Laverty, Sykes, Sofuoglu und Lowes gehörten definitiv zu den verblüffendsten Momenten des Wochenendes. Von all den negativen Überraschungen einmal abgesehen, glänzten besonders Cluzel und Loris Baz mit starken Leistungen. Baz war zwar auch schon 2012 erfolgreich, allerdings maximal bei schlechtem Wetter. Außerdem fuhr der Franzose im letzten Jahr noch nicht einmal eine ganze Saison in der WSBK. Er darf also durchaus noch als Rookie gewertet werden. Ein Vollblut-Rookie ist hingegen sein Landsmann. Mit Platz sechs und Platz sieben (nach Start aus der Boxengasse) zeigte der Suzuki-Mann wie gut seine GSX-R funktioniert und wie gut er mit der großen Maschine umgehen kann. Respekt!

Bonus des Wochenendes

Auch die Post-Biaggi-Ära - wie die britischen Superbike Kommentatoren treffend formulierten - bietet also eine Menge Spannung, Duelle, Ausfälle, Pech, wechselnde Favoriten und Überraschungen. Zu Ehren der größten Überraschung am Rennsonntag, fahren wir zum Abschluss noch eine Runde mit Cluzel auf der Suzuki um den spanischen Kurs.