Was ist länger? Das 24 Stunden Rennen oder die Phase bis zu seinem Start? Rein rechnerisch ganz klar die Zeit vom offiziellen Veranstaltungsbeginn am Donnerstagmorgen bis zum Beginn des 24h Countdowns am Samstag um 15:00 Uhr. Doch über die 55 Stunden bis zum Fall der Startflagge entwickelt sich ein Spannungsbogen, der nicht in Zeiteinheiten dargestellt werden kann.

Alles startet ruhig am Donnerstag. Die Fahrerlagerplätze sind bezogen, die Boxen eingerichtet. Letzte Checks am Fahrzeug werden durchgeführt. Es ist der Tag von Sponsorterminen, Teammeetings, Papier- und technischer Fahrzeugabnahme. Den Vortritt auf der Rennstrecke lassen die Teams des 36. ADAC Zurich 24h-Rennens an diesem Tag den Kollegen von Formel 3, MINI Challenge, Egons500, ADAC Procar, GT und Formel Masters. Doch die Spannung steigt langsam und alle sind froh, wenn am Freitagmorgen endlich das erste Mal die Motoren zum 1. Zeittraing gestartet werden können. In den anstehenden 90 Minuten kann verifiziert werden, ob die umfangreichen Fahrzeugvorbereitung der letzten Wochen und Monate sich in entsprechenden Rundenzeiten widerspiegeln.

>Schon vor dem eigentlichen Rennen gibt es Probleme, Foto: Sutton
>Schon vor dem eigentlichen Rennen gibt es Probleme, Foto: Sutton

Man merkt einigen Personen im Fahrerlager den steigenden Druck durchaus an. Teamchefs zum Beispiel stehen lange nicht mehr so bereitwillig für Interviews zur Verfügung, wie noch am Vortag, aber auch die Mechaniker haben nicht mehr die Möglichkeit, entspannt hinter der Box in der Sonne eine Zigarette zu rauchen. Nur die Fahrer geben sich noch relativ gelassen. Doch diese Ruhe hält nur bis zur Dämmerung an, denn dann beginnt für den einen oder anderen Piloten das wahre Abenteuer 24h Rennen, das Nachttraining. Vieles kann man auf der Nordschleife trainieren: Streckenkenntnis, Rennroutine, Wetterkapriolen, doch eins kann man nur in den 3:55 Stunden des Freitags versuchen zu verinnerlichen: Das Fahren auf der anspruchsvollsten Rennstrecke der Welt in der Dunkelheit.

Diese Trainingseinheit gibt definitiv einen kleinen Vorgeschmack auf das, was die rund 700 gemeldeten Piloten ab Samstagnacht zu erwarten haben: Feuerwerk, Grillgeruch und grell blinkende Lichtorgeln der Fans rund um die Strecke, aber auch die Einsamkeit der Dunkelheit des Streckenabschnittes Bergwerk bis Steilstrecke, die nur durch hell aufleuchtende Scheinwerfer mit zusätzlichem blauen Blitzlicht in der Frontscheibe der schnellen Top 20 Teams, die ihr Qualifying Feuerwerk abbrennen, unterbrochen wird.

Nach dem 2. Zeittraining kehrt erstmal die Ruhe der Nacht ein, doch nur für wenige Stunden, denn während am Samstagmorgen die letzten Rahmenrennen durchgeführt werden, müssen von den Mechanikern noch die letzten Wunden der Qualifying Nacht gepflegt werden. Parallel dazu strömen die zahllosen Tagesbesucher ins Fahrerlager und langsam steigt die Hektik. Der Teamchef beobachtet den Himmel und gibt das Kommando, die Regenreifen vorzubereiten. Der Fahrer für den ersten Stint lässt nochmals die Sitzposition und Gurtlängen prüfen. Letztendlich bekommt man zunehmend den Eindruck, dass im Fahrerlager um die Mittagszeit wie auf einem Ameisenhaufen alle nur noch aufgeregt kreuz und quer durcheinander rennen.

In der Startaufstellung löst sich der Druck, Foto: Sutton
In der Startaufstellung löst sich der Druck, Foto: Sutton

Das öffnen der Tore zur Startaufstellung um 14:15 Uhr für alle Zuschauer im Fahrerlager kommt dann einem Sektkorkenknall gleich. Alles strömt auf die Start-Ziel Gerade und kurzfristig bekommt der Spannungsbogen eine leichte Delle. Alle spüren: Endlich geht es gleich los! Der eine spricht nochmal hochinteressiert den Teamchef an, der andere macht ein Photo von sich und einem der zahlreichen, spärlich bekleideten Promotiongirl und wieder andere wollen einfach nochmal ganz nah an ihrem Rennfahreridol sein, bevor dieses in seinen Rennboliden steigt.

Doch dann schlägt die große Stunde der Streckenposten, die die Strecke räumen, in dem sie alles, was nicht vier Räder unter sich und einen Helm auf hat, wie Vieh in einen Trichter Richtung Paddock treibt. Der Countdown läuft unerbittlich, die Motoren werden gestartet und um 14:40 Uhr macht sich die erste Startgruppe mit den Top-Teams auf die knapp 26 Kilometer lange Einführungsrunde, bei der die Fans an der Strecke letztmalig das Feld so langsam und geschlossen zu sehen bekommen. Nach jeweils drei weiteren Minuten machen sich die Startgruppen 2 und 3 auf die lange Reise. Wer kann, verfolgt im Fahrerlager die Einführungsrunde am Bildschirm und ist beeindruckt von der Stimmung in Hatzenbach, Adenauer Forst, Wehrseifen, Breidscheid, Hohe Acht, Brünnchen, Pflanzgarten und Schwalbenschwanz. Und spätestens, wenn die erste Startergruppe aus dem Galgenkopf auf die Döttinger Höhe einbiegt, spürt man es: Im Fahrerlager herrscht gespenstische Stille. Alle sind bis auf das äußerste angespannt. Und endlich um 15:00 Uhr schaltet der Rennleiter die Ampel auf grün. Die Meute hetzt los und in den Boxen ist der Bann gebrochen. Fans jubeln, Teamchefs und Mechaniker raufen sich das erste Mal die Haare, da der eine oder andere Fahrer völlig übermotiviert meint, bereits in der ersten Kurve das Rennen gewinnen zu müssen und dabei nur eins gewinnt: Erfahrung und Schrott. Der Spannungsbogen hat zwar um 15:00 Uhr seinen Höhepunkt erreicht, fällt aber nur leicht ab. Dafür sind die ersten Runden viel zu ereignisreich. Jeder Fahrer versucht seine Position und seinen Rhythmus zu finden. Doch erst nach der ersten Stunde hat sich für den Zuschauer alles ein wenig eingeschwungen und man kann sich wieder anderen Dingen zuwenden.