Volkswagen verkündet das Ende seiner Motorsport-Aktivitäten! Der Autobauer aus Wolfsburg zieht sich von den Rennstrecken dieser Welt zurück, wie am Dienstagabend aus einer Pressemitteilung hervorging.

Der Rückzug bedeutet das Ende einer mehr als 50-jährigen Ära im Motorsport mit Erfolgen bei der Rallye Dakar, der Rallye-Weltmeisterschaft und der Rallycross-Weltmeisterschaft. Seit einem halben Jahrhundert engagierte sich VW zudem in unterschiedlichen Nachwuchsserien und Markenpokalen.

Bei der Volkswagen Motorsport GmbH in Hannover sind 169 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die in den kommenden Monaten in die Volkswagen AG in Wolfsburg integriert werden. Wilfried von Rath, Personalvorstand der Marke Volkswagen: "Wir freuen uns, dass wir gerade in dieser herausfordernden Zeit Beschäftigung erhalten und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Übernahmeangebot unterbreiten werden."

Die Produktion des Kundensport-Fahrzeugs Polo GTI R5 für den Rallyesport läuft Ende 2020 aus. Die Ersatzteilversorgung für den Polo GTI R5 sowie den Golf GTI TCR für die Rundstrecke soll langfristig sichergestellt werden.

"Die Marke Volkswagen ist auf dem Weg, der führende Anbieter in der nachhaltigen Elektromobilität zu werden. Zu diesem Zweck bündeln wir unsere Kräfte und haben entschieden, eigene Motorsport-Aktivitäten für die Marke Volkswagen einzustellen. Die Motorsport-Belegschaft wird in der Folge in die Volkswagen AG integriert", sagt Dr. Frank Welsch, Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen.

Diess: Formel 1 besser als Formel E

Die VW-Strategie im Motorsport erwies sich in den vergangenen Monaten als äußerst sprunghaft. Noch im August dieses Jahres schrieb Vorstandschef Diess in einem vielbeachteten Eintrag auf der Business-Plattform LinkedIn: "Meiner persönlichen Meinung nach sollten wir mit Rennsport weitermachen. Die Formel 1 wird CO2-neutral, indem sie synthetische Kraftstoffe nutzen wird. Sie ist viel aufregender, spaßiger, mehr Rennsport und ein besserer Technik-Wettkampf als die Formel E, die in Stadtzentren ein paar Runden im Spielmodus dreht."

Die Quittung bekam bereits Konzerntochter Audi gut vier Monate später serviert: Ende 2021 steigen die Ingolstädter aus der Formel E aus und engagieren sich ab 2022 bei der Rallye Dakar sowie ab Anfang 2023 in der neuen LMDh-Formel mit Einsätzen in der WEC-Langstreckenmeisterschaft sowie der US-amerikanischen IMSA-Rennserie.

VW: Erst Elektro, dann Abschied

Volkwagen selbst, das 2016 50 Jahre VW Motorsport feierte, hatte sich zuletzt immer mehr von der Rennstrecke zurückgezogen. Erst am 22. November 2019 kündigte der Konzern an, künftig voll auf elektrischen Rennsport zu setzen. Der futuristische ID.R, der zuvor Streckenrekorde außer Konkurrenz aufgestellt hatte, sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen.

Auch das Kundenprogramm wurde im Zuge der Elektrifizierung eingedampft: Eine Weiterentwicklung des Golf GTI TCR über 2019 hinaus erfolgte nicht. Übrig blieb nur der Polo GTI R5, den Kundenteams bei Sprint-Rallyes einsetzen.

Der futuristische VW ID.R, Foto: VW Motorsport
Der futuristische VW ID.R, Foto: VW Motorsport

WM-Titel in der WRC und WRX

In den vergangenen Jahren wurde es immer ruhiger um VW im Motorsport, während die Konzerntöchter, allen voran Porsche und Audi weltweit Erfolge einfuhren. Dabei blicken die Wolfsburger auf eine bewegte Historie in unterschiedlichen Disziplinen des Rennsports zurück.

Für große Furore sorgte das Werks-Engagement in der Rallye-Weltmeisterschaft zwischen 2013 und 2016. Sebastien Ogier gewann mit dem Polo R WRC vier Mal in Folge die Fahrer-Weltmeisterschaft und bescherte VW ebenso viele Siege in der Hersteller-Wertung. Die Polo-Bilanz aus 53 WM-Rallyes: 43 Siege, 87 Podestplätze und 640 von 958 möglichen Prüfungsbestzeiten.

Nach der Rallye-Weltmeisterschaft betätigte sich Volkswagen 2017 und 2018 in der Rallycross-WM WRX. Mit dem Polo holte Johan Kristoffersson beide Fahrer-Titel und in Kombination mit Petter Solberg die Team-Titel für PSRX Volkswagen Schweden - faktisch ein Werkseinsatz gegen Audi-Rivale Mattias Ekström mit seinem vergleichsweise kleinen EKS-Team.

Mit Sebastien Ogier dominierte VW die Rallye-WM, Foto: Sutton
Mit Sebastien Ogier dominierte VW die Rallye-WM, Foto: Sutton

VW-Erfolge bei der Dakar

Schon vor der WRC- und WRX-Ära war Volkswagen abseits der Rundstrecken aktiv. Mit den Erfolgen bei der Rallye Dakar, an die Audi ab 2022 anknüpfen will, meldete sich der Hersteller auf der Weltkarte des Motorsports zurück. 2009, 2010 und 2011 gelangen durch Giniel De Villiers, Carlos Sainz und Nasser Al-Attiyah Gesamtsiege mit dem Race Touareg bei der berühmtesten Rallye der Welt.

Der Race Touareg bei der Rallye Dakar, Foto: VW Motorsport
Der Race Touareg bei der Rallye Dakar, Foto: VW Motorsport

Volkswagen als Ausbildungsstätte

Seit mehr als 50 Jahren engagierte sich Volkswagen im Motorsport, entweder als Motorenlieferant oder auch Veranstalter von Markenpokalen. Schier unzählige Stars durchliefen in ihren Anfangsjahren die Nachwuchsserien Formel König, Formel Volkswagen, ADAC Formel Masters, Formel 3 oder Formel Vau/Supervau mit von VW aufgebauten Motoren. 2018 endete das Volkswagen-Engagement in der Formel 3 und damit in den Nachwuchsformeln.

Ähnlich sah es im Rennsport mit Dach aus, wo sich Volkswagen in der Ausbildung künftiger Rennfahrer engagierte. Ab 1976 ging der erste Markenpokal, der Volkswagen Junior-Cup mit baugleichen Scirocco an den Start. Lupo- (ab 1998) und Beetle-Cup bildeten den Anfang der gezielten Nachwuchsförderung und damit der Tourenwagen-Schule, Polo- (ab 2004) und Scirocco R-Cup folgten.