SuperCharge lautet der Name einer neuen Rennserie, die ab 2022 weltweit durchstarten will. Geplant ist, Rennen mit 500 kW (670 PS) starken Elektro-Autos auf Crossover-Basis (SUV-Unterklasse) auf speziell präparierten Stadtkursen auszutragen. Die Batterie-Entwicklung soll den Herstellern größtenteils freistehen.

Hinter dem jungen Projekt stecken unter anderem Max Welti, langjähriges Führungsmitglied bei Sauber, Porsche, Volkswagen, Lamborghini und zuletzt als Berater bei BMW sowie der frühere VW-Technikdirektor und heutige Berater Willy Rampf, der auf 14 Jahre Erfahrung bei Sauber in der Formel 1 zurückblickt.

Im Zuge der SuperCharge-Präsentation nutzte Motorsport-Magazin.com die Gelegenheit, mit Welti (Sportdirektor), Rampf (Technischer Berater) und Rob Armstrong (Geschäftsführer, ehemals IMG-Motorsportchef) ausführlich über die neue Rennserie zu sprechen.

Herr Welti, wie sind Sie zum SuperCharge-Projekt gestoßen?
Max Welti: Das ist eine lange Geschichte. Ich kenne Rob Armstrong seit vielen, vielen Jahren aus unseren Aktivitäten in der Formel 1. Später, als ich für die Volkswagen-Gruppe gearbeitet habe, war ich wie Rob in der Rallycross-WM involviert, da standen wir auch wieder in Kontakt. Wir führten sehr konstruktive Gespräche und waren der Meinung, dass sich im zukünftigen Motorsport etwas ändern muss. Deshalb haben wir Schritt für Schritt mit SuperCharge das entwickelt, wo wir jetzt stehen.

Warum haben Sie das Projekt ausgerechnet jetzt vorgestellt?
Rob Armstrong: Wir haben SuperCharge in den vergangenen 18 Monaten entwickelt. Und diese Zeit brauchte es auch, um in Dialog zu treten mit Herstellern und zuletzt mit Städten und Austragungsorten. Irgendwann musst du damit an die Öffentlichkeit gehen, oder? Du musst jeden davon wissen lassen und dich selbst positionieren. Wir denken, dass es sehr wichtig war, dies zum aktuellen Zeitpunkt umzusetzen.

Crossover-Konzept der neuen SuperCharge-Rennserie, Foto: SuperCharge
Crossover-Konzept der neuen SuperCharge-Rennserie, Foto: SuperCharge

Wie zuversichtlich sind Sie, dass das erste Rennen tatsächlich 2022 ausgetragen wird?
Rob Armstrong: Wir sind zuversichtlich. Wir haben das Konzept zusammen mit den Stakeholdern wie den Herstellern entwickelt. Und wir wissen, dass sie Interesse an SuperCharge haben. Das macht uns zuversichtlich, das Projekt auf die Strecke zu bringen.

Stichwort Hersteller: Sprechen Sie von traditionellen Autobauern oder auch jungen Tech-Unternehmen?
Max Welti: Das ist eine interessante Frage. Wir haben uns wortwörtlich von der ersten Minute an mit Herstellern ausgetauscht. In der Zwischenzeit sprechen wir mit einer Vielzahl unterschiedlicher Hersteller. Traditionelle ebenso wie neue und welche aus Nischen, die interessiert daran sind, was wir ihnen mit SuperCharge bieten können.

Der Schweizer Max Welti 2007 im Gespräch mit Willi Weber, Foto: LAT Images
Der Schweizer Max Welti 2007 im Gespräch mit Willi Weber, Foto: LAT Images

Herr Armstrong, wie wichtig ist die große Motorsport-Erfahrung von Max Welti und Willy Rampf?
Rob Armstrong: Jedes Projekt ist abhängig von den involvierten Menschen. Wir wollten die besten Leute und die beste Expertise haben, die wir bekommen konnten. Max und ich sind von Beginn an hinzugestoßen. Ich kenne ihn seit vielen Jahren gut, seine Fähigkeiten im Sport und seine Beziehungen zu Herstellern. Wir kannten Willy bereits, aber Max und Willy blicken ja auf eine gemeinsame Zeit im Motorsport zurück. Wir hatten großen Respekt vor Willy und all dem, was er über die Jahre erreicht hat. Wir brauchten jemand, der gute Visionen hat. Wenn du solch ein Projekt realisieren möchtest, hängt es sehr stark auch von der nötigen Erfahrung im Team ab.

Auf den ersten Blick wirkt ein Crossover oder SUV nicht unbedingt wie ein reinrassiges Rennauto. Korrigieren Sie mich?
Willy Rampf: Die Silhouette ist ja an die nächste Generation der Crossover-Autos angelehnt. Das Konzept des Fahrzeugs sieht einen Rohrrahmen vor und über den kann man ein beliebiges Chassis nach den jeweiligen Wünschen der Teilnehmer setzen.

Rob Armstrong: Wir sprechen über kompakte SUV-Modelle, also Crossover-Straßenautos. Und für mich sehen die Autos, die wir in der Präsentation gezeigt haben, ziemlich schnell aus. Mit Fahrern wie Tanner Foust hinter dem Lenkrad werden wir sehr aufregende Rennen erleben. Auch wegen der speziellen Strecken-Features mit Sprüngen, Offroad-Passagen und künstlicher Bewässerung.

Die SuperCharge-Autos sollen 670 PS leisten, Foto: SuperCharge
Die SuperCharge-Autos sollen 670 PS leisten, Foto: SuperCharge

Max Welti: Und es muss auch gesagt werden, dass das Crossover-Segment das am stärksten entwickelte und wichtigste im gesamten Markt ist. Das haben wir in den Gesprächen mit den Fahrzeugherstellern erfahren. Die Autobauer haben uns gesagt, was wichtig für sie ist und welches Bodywork sie gern über den Motorsport bewerben möchten. Deswegen haben wir uns entschieden, kompakte Crossover-SUV zu nutzen.

Rob Armstrong: Letztendlich handelt es sich auch nicht um ein adaptiertes Serienauto, das an seine Grenzen stößt, die man bei einem normalen Crossover-SUV erwarten würde. Wir sprechen hier von einem reinrassigen Rennwagen mit dem Bodywork eines SUV.

SuperCharge-Geschäftsführer Rob Armstrong bei der Serienpräsentation, Foto: SuperCharge
SuperCharge-Geschäftsführer Rob Armstrong bei der Serienpräsentation, Foto: SuperCharge

Steht den Herstellern die Entwicklung der Batterie komplett frei?
Willy Rampf: Unsere Serie ist die einzige, in der ein großer Teil der Batterie-Entwicklung frei ist. In einem Straßenauto ist die Batterie die dominanteste Komponente, weil sie die Reichweite und das Gewicht des Autos definiert. Das möchten wir mit SuperCharge bewerben. Es gibt aber ein paar Grenzen. Eine wird sein, dass der Output der Batterie auf 500 Kilowatt begrenzt ist. Es wird auch ein Mindestgewicht für die Batterie geben. Falls jemand mit einer 'magischen Batteriezelle' ankommt, die viel leichter ist, kann er diese Batterie herstellen. Aber was er beim Gewicht spart, muss er mit einem Zusatzgewicht innerhalb einer Ballastbox, die wir bereitstellen, kompensieren. Das kann ein kleiner Performance-Vorteil sein, weil der Schwerpunkt des Autos niedriger wird, wenn man Ballast hinzufügt.

Der Motorsport-erfahrene Willy Rampf stellt das Rennauto vor, Foto: SuperCharge
Der Motorsport-erfahrene Willy Rampf stellt das Rennauto vor, Foto: SuperCharge

Was können Sie aktuell über die Kosten der Rennserie sagen?
Rob Armstrong: Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Details nennen. Aber ich kann sagen, dass SuperCharge sehr kosteneffizient sein wird. Und ich kann auch aus Gesprächen mit Herstellern sagen, dass die Kosten in der aktuellen Zeit eine schwierige Angelegenheit sind. Wir haben uns die Zeit genommen, ihnen zu zeigen, wie wir die Kosten für alle Bereiche kalkulieren - nicht nur für das Auto, sondern die gesamte Infrastruktur. Ich denke, die Hersteller haben das Bild einer sehr kosteneffektiven Rennserie erhalten, das ist heute entscheidend.

Herr Rampf, Sie sind auch ein Racer der alten Schule: Was fasziniert sie an elektrischen Rennautos?
Willy Rampf: Ich finde das Thema sehr interessant. Bei meinem letzten Projekt mit dem Volkswagen I. D. R haben wir besonders die Batterietechnologie als herausfordernd angesehen. Es ist nicht einfach so, dass man die Zellen kauft, sie zu einem Modul verbindet und das das Ende der Geschichte ist. Wir sprechen von der Kühlung, der Batterie, dem Leistungs- und Energiemanagement. In unserer SuperCharge-Serie haben wir das schöne Feature mit einem Antriebsstrang an der Vorder- und an der Hinterachse. Sie sind nicht mit einer mechanischen Antriebswelle verbunden, wie es bei einem normalen Verbrennungsauto der Fall ist. Hier haben wir die Möglichkeit, vorne und hinten verschiedene Mappings zu fahren. Für Renningenieure ist das ein komplett neues Feld.

2022 soll die neue Serie ihr Renndebüt geben, Foto: SuperCharge
2022 soll die neue Serie ihr Renndebüt geben, Foto: SuperCharge

Elemente aus der SuperCharge-Präsentation mit Rennen in Innenstädten und auf Rallye-Rundkursen erinnern an die Formel E und Rallycross-WM. Wo liegt Ihr sportliches Alleinstellungsmerkmal?
Rob Armstrong: Das liegt im Spektakel der Rennserie. Die Leistung und Performance der Autos, gepaart mit Action-lastigen Rennstrecken. Man sieht Autos, die Dinge machen, über die andere nur geredet, aber noch nicht gemacht haben. Diese Elemente kombinieren wir. Und wir sind ein Team erfahrener Motorsport-Praktiker: Es reicht nicht aus, Rennen mit einem Auto zu fahren, dass du selbst gern sehen würdest. Es muss eines sein, mit dem deine Partner antreten wollen und du musst die Rennserie auf einem weißen Blatt Papier kreieren, damit sie spannend und unterhaltsam ist.