Wie berichtet, beschäftigt sich der Automobil-Weltverband FIA mit dem schweren Crash von Sophia Flörsch beim Formel-3-Weltfinale in Macau. Deren Präsident Jean Todt hatte noch am Unfalltag verlauten lassen, "den Involvierten zu helfen und zu analysieren, was passiert ist". Man werde die nötigen Schlussfolgerungen ziehen, hieß es in einem offiziellen FIA-Statement.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass laut der FIA-Homepage die offizielle Abnahme des 6,12 km langen Guia Circuit am 17. November 2018, also einen Tag vor dem schweren Unfall, endete. Möglich ist allerdings, dass eine Verlängerung vor Ort zwar vorgenommen, diese aber auf der offiziellen FIA-Website noch nicht kommuniziert wurde.

Fakt ist: Formel-1-Renndirektor Charlie Whiting war in Macau vor Ort und in dem Zocker-Paradies auch für die neuerliche Abnahme verantwortlich. Der französischen Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) sagte Whiting: "Wie bei allen Straßenkursen ist die Unfallrate höher als auf einer normalen Rennstrecke, aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Guia Circuit gefährlich ist."

Die meisten Stadtkurse seien eng und hätten nur wenige Auslaufzonen, es bliebe also wenig Raum für Fehler. Das trifft natürlich auch auf Macau zu, wo schon seit Jahrzehnten Rennen für Formelautos, Touren- und GT-Sportwagen sowie Motorräder veranstaltet werden. Der Guia Circuit, der von der FIA als Klasse-3-Rennstrecke eingestuft ist (alle F1-Kurse sind mit "1" zertifiziert) ist mit seinen 6.120 Metern die achtlängste aller 184 weltweit von der FIA homologierten und aktuell abgenommenen Rennstrecken.

"Die Sicherheitsmaßnahmen wie Leitplanken und Zäune wurden in den letzten Jahren in Macau systematisch aufgewertet und in einigen Bereichen erheblich verbessert", betont Whiting. Bezüglich des Horrorunfalls von Flörsch, der weltweit für viele Schlagzeilen gesorgt hat und auch immer noch sorgt, fügt er hinzu, dass die Unfallermittler die "anfängliche Ursache" für den Kontrollverlust von Flörsch über ihren Formel-3-Renner kennen, "es sei aber noch zu früh, um über die Ursache des Unfalls zu sprechen".

Das bestätigt auch der FIA-Rennstreckeninspektor und Sicherheitsbeauftragte Roland Bruynseraede, der in seiner Amtszeit selbst schon als Renndirektor fungiert und den legendären Stadtkurs abgenommen hat, im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

"Der FIA liegen noch nicht alle Fakten vor. Anfang Februar kommenden Jahres tagt in Genf der Sicherheitsausschuss, danach sollte klar sein, was man noch tun kann", sagte der frühere DTM-Renndirektor Bruynseraede. Eine Kursänderung sei praktisch nicht möglich, "denn dafür müssten Häuser weichen, was nicht passieren wird".

Der Belgier verglich dabei die Möglichkeiten in Macau mit denen an der Nordschleife des Nürburgrings. Hier seien nach dem tödlichen Unfall eines Zuschauers beim VLN-Saisonstart 2015 Sofortmaßnahmen ergriffen worden. Mit den von der FIA abgesegneten Baumaßnahmen, u.a. mehr Sturzraum, der Einrichtung von zusätzlichen Sicherheitszonen, die Installation zusätzlicher Leitplanken und FIA-Zäune, die Entschärfung von Sprungkuppen sowie die Beseitigung von Bodenwellen, konnte Bruynseraede die Streckenlizenz für die Nordschleife (wie Macau mit "3" zertifiziert) um drei Jahre bis 25. April 2019 verlängern.

Unfälle gehören auf dem engen Guia Circuit zum Standard, Foto: LAT Images
Unfälle gehören auf dem engen Guia Circuit zum Standard, Foto: LAT Images

An eine mögliche Verlängerung der Lizenz sind weitere Baumaßnahmen geknüpft, die in einem mehrstufigen Plan umgesetzt werden sollen. Das alles sind Details, die nicht nur sehr viel Geld kosten, sondern auch machbar sind.

Das Problem in Macau ist nicht das Rasen durch die enge Innenstadt, denn dort ist die Geschwindigkeit nicht so hoch. Auch hier passieren viele Unfälle, die selten mit Personenschäden enden. Anders dagegen der extrem schnelle Streckenabschnitt zwischen den beiden langsamsten Kurven Melco Hairpin und Lisboa. Hier erzielen Formel-3-Renner, GT3-Sportwagen und auch die Motorrad-Rennfahrer eine Höchstgeschwindigkeit von über 280 km/h! Flörsch wurde in der Runde vor ihrem fatalen Crash an der schnellsten Stelle des Kurses vor Lisboa mit 276,2 km/h 'geblitzt'.

Es ist für viele Beobachter wirklich ein großes Wunder, dass sie bei dem nach eigener Aussage "schlimmsten Rennunfall" ihrer Karriere lediglich einen Halswirbelbruch erlitten hat - auch dank Dallara, die laut Flörsch ein sehr gutes Chassis gebaut hätten.

Immer wieder scheppert es bei den Rennen in Macau, Foto: LAT Images
Immer wieder scheppert es bei den Rennen in Macau, Foto: LAT Images

Dass es nicht immer so verhältnismäßig glimpflich endet wie jetzt bei Flörsch, beweisen allein fünf Todesfälle in diesem Jahrtausend. Die tatsächliche Zahl der seit den ersten Rennen 1954 ums Leben gekommenen Renn- und Rollerfahrer (!) ist um ein vielfaches höher. Sie wird aber aus gutem Grund nicht offiziell kommuniziert.

Es wird gemunkelt, dass in früheren Zeiten, als direkt neben der Rennstrecke noch keine Häuser standen, sondern die Halbinsel Macau vom südchinesischen Meer umgeben war, vor allem Zweiräder samt ihren Protagonisten dort gelandet und ertrunken sind. "Davon habe ich auch gehört", meinte Bruynseraede, der ebenso wie viele Fahrer und Teamchefs den spektakulären Rennkurs in Macau als legendär, aber nicht als zu gefährlich bezeichnen.

Nach dem Motto 'The Show Must Go on' wird also auch die 66. Auflage des Grand Prix von Macau vom 14. bis 17. November 2019 in dem berühmten Spielerparadies über die Bühne gehen...