Fragt man Motorsport-Fans, was die wichtigsten Eigenschaften sind, die ein erfolgreicher Rennfahrer benötigt, dann werden wohl Worte wie "Fahrgefühl", "Mut", "Durchsetzungsvermögen" oder "Technik-Verständnis" fallen. Die Begriffe "Verkaufstalent", "guter Netzwerker" und "Finanz-Fachmann" würde dagegen wohl kaum jemand nennen. Und doch sind genau diese Fähigkeiten für die meisten professionellen oder halb-professionellen Piloten von entscheidender Bedeutung.

Natürlich denkt man beim Wort "Rennfahrer" zuerst an Sebastian Vettel oder Timo Glock - Männer, die sich um ein Cockpit oder um finanzielle Fragen keine Gedanken (mehr) machen müssen. Doch sie bilden in dieser Branche eben die große Ausnahme. Die überwältigende Mehrheit der Piloten muss zahlungskräftige Sponsoren mit in ein Team bringen, um dort fahren zu dürfen.

Christoph Huber, Teamchef von Lechner Huber Racing im Porsche Carrera Cup, erklärt gegenüber Motorsport-Magazin.com die Situation aus Sicht seines Rennstalls: "Ich brauche Fahrer mit Budget, um durch die Saison zu kommen. Da ich keinen großen Teamsponsor habe, kann ich hier auch keine Abstriche machen. In Zukunft ändert sich das hoffentlich."

Zwischen 2002 und 2007 gab es die Formel BMW ADAC (ab 2005 "Formel BMW Deutschland"). Die meist 15-jährigen Fahrer, darunter Vettel, hatten pro Jahr rund 200.000 Euro aufzubringen. In der GP2 sind es derzeit vermutlich etwa zwei Millionen Euro, in der Formel 1 mitunter das Zehnfache. Wie beschafft man jedes Jahr so viel Geld, wenn die eigenen Eltern nicht gerade vielfache Millionäre sind?

Sebastian Vettel 2004 als Pilot der Formel BMW, Foto: Sutton
Sebastian Vettel 2004 als Pilot der Formel BMW, Foto: Sutton

"Es ist, als wärst du ein Verkäufer. Man muss sich selbst als Person verkaufen. Ich habe meine eigene Firma", sagt der Niederländer Indy Dontje, der aktuell unter anderem in der Blancpain GT-Serie am Start ist. Tatsächlich haben die meisten Piloten auch keine Angestellten, die die Sponsorensuche und -Betreuung für sie übernehmen könnten. Zunächst wird daher oft das bestehende Netzwerk auf potentielle Sponsoren abgeklopft. Doch viele Fahrer betreiben auch ganz klassische Kalt-Akquise. "2015 habe ich über 500 Unternehmen persönlich kontaktiert ", berichtet der Schweizer Jeffrey Schmidt, der in dieser Saison im Porsche Carrera Cup für Lechner Huber Racing unterwegs ist.

"Sponsorensuche ist ernüchternd und frustrierend", weiß Christian Menzel. Der ehemalige DTM-Pilot und aktuelle Motorsport-Magazin.com-Kolumnist erinnert daran, dass die meisten Rennserien keine starke TV-Präsenz haben. Für Geldgeber ist genau dies jedoch der wichtigste Faktor. Wer abseits der Kameras fahre, müsse Sponsorendeals oft wie Industriedeals einfädeln, sagt Menzel und erklärt: "Das bedeutet: Potentielle Investoren werden von Unternehmen oder Privatleuten, die dem Piloten nahestehen, in geschäftliche Aktivitäten eingebunden. Ich kaufe bei Dir, wenn Du meinen Fahrer unterstützt. Oft läuft das auch als Deal und Gegendeal der Hersteller in den Serien."

Er rät dazu, sich so früh wie möglich, am besten schon bei ersten Erfolgen im Kart, in der regionale Presse zu positionieren. "Dadurch werden Unternehmen der Gegend aufmerksam", so Menzel. Beim Thema Sponsorensuche gebe es darüber hinaus viele unseriöse Manager, die große Versprechungen machen, aber nicht halten würden, warnt der erfahrene Pilot. Gleiches gelte für private Sponsoren. Menzel: "Da muss man aufpassen, nicht Leuten aufzusitzen, die viel reden, aber sich letztlich doch nie wirklich finanziell engagieren."

30 Prozent der Summe werden zum Wohl des Sponsors reinvestiert

Welche Rolle spielt der sportliche Erfolg eines Piloten für die potentiellen Geldgeber? Wie stark muss ein Pilot sein, um einen Sponsor von sich zu überzeugen? Dontje: "Wenn man gewinnt, hat man mehr zu verkaufen. Ich war ein Newcomer in der deutschen Formel 3 und habe sofort den Rookie-Titel geholt. Das half, denn ich konnte zeigen, dass ich ein guter Fahrer bin. Es ist ein großer Punkt, aber nicht alleine ausschlaggebend."

Doch die Arbeit endet für die Piloten nicht, wenn der Sponsor erstmal gewonnen ist. Geldgeber unterscheiden sich oft sehr stark in ihren Wünschen und Vorstellungen, was die laufende Zusammenarbeit angeht. "Sponsoren sind nicht mehr nur an Tickets für die Rennen interessiert, daran, das Team zu besuchen oder an einem Sticker ihrer Firma auf dem Auto. Die wollen echte Marketing-Sachen für ihr Unternehmen. Die erste Frage, die Dir gestellt wird, ist: Was ist für mich dabei drin?", weiß Dontje.

Jeffrey Schmidt erzählt, dass er 30 Prozent der erhaltenen Summe in das Wohl des jeweiligen Sponsors reinvestiert. Somit relativieren sich einmal erhaltene Erträge in vielen Fällen. Christian Menzel hält dies aber für den richtigen Weg. "Man muss Sponsoren emotional einbinden, damit sie auch dabeibleiben, wenn es mal nicht läuft. Viele Fahrer behandeln ihre Sponsoren schlecht. Sie kümmern sich nicht um sie, nehmen sie emotional nicht mit. Dadurch verliert man sie. Man muss da manchmal das Ego der Leute ein bisschen streicheln", empfiehlt der erfahrene Pilot.

Auch bei der Frage, wie teuer sich ein Motorsportler verkaufen sollte, hat Menzel eine klare Meinung. "Ich sage jungen Fahrern, sie sollen sich nicht eine ganze Saison alle Werbeflächen für nur 5000 Euro vollmachen. Ohne Geld kommt man nun mal nicht voran. Le Mans-Sieger Earl Bamber ist ein Beispiel dafür, wie hart man sich das alles erarbeiten muss. Ihm fehlten lange große Sponsoren, aber er hat sehr hart gekämpft und es letztlich geschafft", sagt Menzel.

Christian Menzel kennt sich in vielen Rennserien aus, Foto: Christian Menzel
Christian Menzel kennt sich in vielen Rennserien aus, Foto: Christian Menzel

Der Sponsorenpool von Jeffrey Schmidt setzt sich aus den Beiträgen vieler kleinerer und mittelgroßer Geldgeber zusammen. "Damit einher geht natürlich ein größerer Aufwand, da ich für jeden Sponsor vollen Einsatz zeige. Der Vorteil aber ist gleichwohl, dass ich nicht Gefahr laufe, sofort komplett pleite zu gehen, wenn mein einer großer Sponsor sein Engagement unvermittelt beenden muss", argumentiert der Schweizer im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Den Status eines Sponsors erhält bei dem 22-Jährigen, wer pro Saison eine Summe im fünfstelligen Bereich zahlen kann. Für kleinere Beträge hat er einen Supporter Club ins Leben gerufen.

Ein weiterer Aspekt der Suche nach Finanziers ist die Zeit. Motorsportler haben während der Saison in vielen Serien angesichts enger Terminkalender kaum noch die Möglichkeit, sich intensiv um die Suche nach und die Betreuung von Sponsoren zu kümmern. Neben den Rennwochenenden selbst müssen viele Tage für Reisen, Testfahrten sowie Training im Simulator und im Fitness-Studio eingeplant werden. Hinzu kommen Besprechungen mit Teams und/oder Medien, die Betreuung von Sponsoren des Rennstalls und vieles mehr.

Indy Dontje fährt 2016 in der Blancpain GT Serie, Foto: Gruppe C Gmbh
Indy Dontje fährt 2016 in der Blancpain GT Serie, Foto: Gruppe C Gmbh

Indy Dontje ist das Thema Sponsoring bereits in Fleisch und Blut übergegangen: "Das beschäftigt mich fünf Tage die Woche. Ich arbeite nicht von 9 bis 18 Uhr daran, aber ich habe es immer im Hinterkopf. Meine aktive Saison geht etwa bis Oktober, ab dann beginnt sofort die Suche für die kommende Saison." Jeffrey Schmidts Rechnung fällt wie folgt aus: "Wenn man mal vom eigentlichen Rennfahren absieht, verteilt es sich grob gesehen so: 55 Prozent Sponsorensuche und -betreuung, 15 Prozent Planung und Reisebuchung plus 30 Prozent Fitnesstraining."

Marvin Dienst rät zum zweiten Standbein

Eine weitere Möglichkeit, finanzielle Mittel zu erhalten, sind Förderprogramme wie die Deutsche Post Speed Academy. Talentierte Nachwuchsfahrer erhalten auf diese Weise Geld und werden somit bei der Suche nach Sponsoren entlastet. Zu ihnen zählte auch Marvin Dienst. Der 19-Jährige gewann 2015 die ADAC Formel 4 und startet aktuell im ADAC GT Masters. Neben dem Motorsport macht er eine Lehre zum Automobilkaufmann. "Mein Ausbildungsbetrieb gibt mir nur unbezahlten Urlaub. Bin ich nicht dort, erhalte ich richtigerweise auch kein Geld. Je professioneller es wird, desto mehr Zeit braucht man aber. Es werden immer mehr Sponsorentermine. Es wäre noch besser, wenn ich mich nur auf den Motorsport konzentrieren könnte", meint er zu Motorsport-Magazin.com.

"Bei der Speed Academy geht es aber nicht nur ums Geld, sondern auch um die sportliche Ausbildung", betont Christian Menzel, der dort in der Jury sitzt. Dienst rät dem Nachwuchs jedoch dazu, parallel auf alle Fälle einen Beruf zu erlernen: "Manche sind auf der Strecke vielleicht ein oder zwei Zehntel schneller, haben aber keine Ausbildung."