Starterfelder bis zum Horizont, eine enorme Leistungsdichte und mindestens sechs Werksteams im unmittelbaren Tür-an-Tür-Wettbewerb: Die Tourenwagen-Weltmeisterschaft – 2005 erst zum zweiten Mal seit 1987 ausgeschrieben – hat das Potenzial, sich zu einer ebenso spektakulären wie sportlich wertvollen Rennserie zu entwickeln. So aufregend die Vita der prominenten Fahrer und so unterschiedlich die technischen Konzepte der teilnehmenden 2,0-Liter-Boliden auch sein mag, eines ist allen Teilnehmern gemein: Sie rollen auf Hightech-Wettbewerbsreifen von Michelin.

Höchstspannung garantiert: Dass es in der bisherigen Tourenwagen-Europameisterschaft – die für 2005 von der Motorsporthoheit FIA mit dem Prädikat einer Weltmeisterschaft geadelt wurde – hart auf hart zugeht, hat diese heftig umkämpfte Serie seit dem Jahr 2000 mehr als nur einmal anschaulich unter Beweis gestellt. Bereits das sportliche Reglement garantiert, dass es eine erdrückende Dominanz wie im vergangenen Jahr oder auch 2003 von Ferrari und Michael Schumacher in der Formel 1 vorgeführt, bei diesen Festdach-Rennwagen nicht geben wird. Denn: Die drei Bestplatzierten eines je zwei Läufe umfassenden Rennwochenendes sowie die drei Führenden in der Gesamtwertung erhalten Ballastgewichte, um eine möglichst große Leistungsdichte aufrecht zu erhalten.

Dies bedeutet am konkreten Beispiel: Wer die beiden Auftaktrennen im königlichen Park von Monza gewinnt, geht am darauf folgenden Wochenende im französischen Magny-Cours mit 40 Extra-Kilos an den Start. Der Zweitbeste erhält 30 kg aufgepackt, der Dritterfolgreichste 20 kg und der Vierte noch zehn Kilogramm. Wer Diät halten will, sollte sich ab dem zweiten WM-Wochenende zurückhalten: Der Sechstplatzierte darf anschließend fünf Kilogramm wieder abbauen, der Siebte bereits zehn und der Achte 15. Wer die Punkteränge komplett verfehlt, wird auf einen Schlag 20 kg los.

Nicht nur das Rennergebnis, auch das Punktekonto in der Meisterschafts-Zwischenwertung wird mit zusätzlichen Pfunden honoriert: Teilnehmer, die zwischen zehn und 19 WM-Zähler eingefahren haben, erhalten fünf Kilogramm aufgelastet. Diese werden ab dem 20. Punkt auf zehn Kilos erhöht, ab 30 Zählern packen die FIA-Kommissare 15 kg ins Auto und so weiter. Das maximale Zusatzgewicht wird auf 60 Kilogramm begrenzt – 2004 lag dieses obere Limit noch bei 40 kg. Marcello Lotti, der ausrichtende Veranstalter der Tourenwagen-WM: "In der Vergangenheit hat das System der Handicap-Gewichte nicht immer so funktioniert, wie wir es erdacht hatten. Piloten mit maximalem Ballast konnten noch immer Rennen gewinnen. Aus diesem Grunde haben wir das System nochmals verschärft und die Handicap-Gewichte erhöht."

Die Crème de la Crème des Tourenwagen-Sports am Start

Das Starterfeld hält nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ jedem Vergleich stand: Mindestens sechs Hersteller schicken 2005 ihre Teams in den Kampf um den WM-Titel, darunter mit "Brilliance" auch – ein Novum im internationalen Motorsport – die Abordnung einer Marke aus der Volksrepublik China. BMW Deutschland setzt unter dem Dach von Schnitzer Motorsport wieder auf sein bewährtes Müller-Duo: Dirk, der im Vorjahr den EM-Titel auf denkbar knappste Weise unglücklich verpasste, reiht sich wieder an der Seite seines Namensvetters Jörg ins Teilnehmerfeld ein.

In einem weiteren BMW 320i stellt sich der Brite Andy Priaulx einer besonderen Aufgabe: der Titelverteidigung. Das Alfa Romeo-Werksteam Autodelta schickt mit Gabriele Tarquini und dem Briten James Thompson zwei Routiniers in den Kampf, denen erneut der brasilianische Heißsporn Augusto Farfus sekundieren soll. Der aufstrebende Rennstall Seat Sport hat sich vom schnellen Deutschen Frank Diefenbacher getrennt und an seiner Statt den ehemaligen Audi-DTM-Piloten Peter Terting (20) berufen, der mit dem noch gar nicht alten Schweden Rickard Rydell sowie dem Spanier Jordi Gené – Bruder des Ferrari-Formel 1-Testfahrers Marc – zwei erfahrene Teamkollegen erhält.

BMW Italien beauftragt Ravaglia Motorsport, die Equipe des bisher einzigen Tourenwagen-Weltmeisters Roberto Ravaglia, mit dem Einsatz von zwei 320i für Antonio Garcia und den bewundernswerten Alessandro Zanardi. Aus Deutschland steigt das extrem engagierte Team von Hans Hotfiel zur Speerspitze von Ford auf. Last but not least steigt die US-amerikanische Marke Chevrolet mit einem eigenen Werksteam in die WTCC ein. Das fahrende Personal unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der Teamchef Ray Mallock die anspruchsvolle Aufgabe angeht: Neben dem ehemaligen DTM-Champion, Ex-Formel 1-Piloten und Ferrari-Testfahrer Nicola Larini (I) und dem Briten Rob Huff dreht auch der Franzose Alain Menu am Lenkrad eines der neuen Renn-Nubira.

Hochgestochene Technik baut auf Seriennähe

Rein technisch basieren die Rennwagen der so genannten WTCC (World Touring Car Championship) auf dem Super-2000-Reglement der FIA, das wiederum eine Homologation in der seriennahen Gruppe N voraussetzt, die ihrerseits eine Produktion des Basisfahrzeugs in 2500-facher Auflage innerhalb von zwölf aufeinander folgenden Monaten verlangt. Der Hubraum ist auf 2,0 Liter begrenzt, Turbo- oder Kompressoraufladung nicht erlaubt. Zur Kostenreduzierung wurde die maximale Motordrehzahl je nach Bauart reduziert: Sechszylinder wie die Aggregate der BMW 320i dürfen 9.000 Umdrehungen erreichen, Fünfzylinder 8.750 U/min und die Reihenvierer, etwa der Alfa 156, immerhin 8.500 Touren.

Damit nicht genug: Ein und derselbe Motor muss an mindestens vier aufeinander folgenden Rennwochenenden zum Einsatz kommen. Ein vorgezogener Tausch des Antriebsaggregats führt automatisch zu einer Zurückstufung an das Ende der Startaufstellung. Während Allradantrieb nicht erlaubt ist, dürfen sequenzielle Sechsganggetriebe anstelle der serienmäßigen H-Schaltungen eingesetzt werden – ziehen aber eine individuelle Auflastung um 30 Kilogramm nach sich. Fronttriebler müssen mit einem Mindestgewicht von 1140 Kilogramm an den Start gehen, Hecktriebler sollten 1170 kg auf die Waage bringen.

Das Punkteschema orientiert sich an dem Standard, der zur Zeit auch in der Formel 1 Gültigkeit besitzt: Der Sieger erhält zehn Punkte, der Zweite acht und der Dritte sechs, der Achtplatzierten den letzten WM-Zähler. Neben einem Fahrer-Championat wird 2005 auch eine Markenwertung ausgeschrieben. Privatfahrer streiten zusätzlich um die neu geschaffene "Independents Trophy", die mit einem prall gefüllten Preisgeldtopf ausgestattet wird.

Internationalität ist garantiert

Die einzelnen Rennwochenenden, die die Starter unter anderem auch nach Mexiko (Puebla), in die Türkei (Istanbul) oder nach Macau führen werden, verlaufen nach einem strengen Zeitplan: Das 30-minütige Qualifying am Samstag entscheidet über die Startaufstellung für das erste Sonntagsrennen, das – ebenso wie der zweite Lauf – über eine Distanz von mindestens 50 Kilometer führen muss. Die Startaufstellung für das zweite Rennen wiederum hängt vom Ergebnis des ersten ab – mit einer entscheidenden Ausnahme: Die acht Erstplatzierten tauschen spiegelbildlich die Plätze. Renndramatik und Aufsehen erregenden Positionskämpfen dürfte damit Tür und Tor geöffnet sein.