Anfang Februar, 3 Grad Außentemperatur. Nervös blinkende Frost-Warnanzeige im schicken Innenraum. Der erste Schneeregen des Jahres auf der Autobahn nach Starnberg. Und ich? Beide Fenster runter, Ohren auf. Es ist kalt. Es ist geil. Es ist McLaren 650S.

Die Semi-Slicks sehnen sich bei jedem Gasstoß nach Halt auf der nassen Fahrbahn. Und ich? Schalte runter, gebe weiter Gas. Nicht die besten Bedingungen für eine Testfahrt, aber in diesem Moment ist alles egal. Ich muss den Sound dieses Straßen-Monsters hören. Ihn genießen und hoffentlich nie mehr vergessen.

Der 3,8 Liter Twinturbo V8 brüllt und kreischt und schreit. Aus dem Weg, hier kommen 260.000 Euro und 650 PS auf vier Rädern! Ein echter Ohrgasmus, ein Rausch für die Sinne. Der McLaren 650S, das ist Formel 1 für die Straße. Die Formel 1 von früher, als sie noch laut war.

Das bekommt auch Starnberg zu hören, als ich donnernd durch das kleine Städtchen fahre. Nicht schnell. Aber laut. Kann denn Sound Sünde sein? Mein Rennwagen hinterlässt Einrduck: Einen McLaren 650S, so etwas kennt man nicht mal hier am Starnberger See, wo der 911er das Alltagsauto ist.

Motorsport-Magazin.com mit dem McLaren 650S am Starnberger See, Foto: Motorsport-Magazin.com
Motorsport-Magazin.com mit dem McLaren 650S am Starnberger See, Foto: Motorsport-Magazin.com

Mit diesem schwarzen Biest schlängele ich mich durch die Innenstadt, Menschen drehen sich um, wollen wissen, was denn das für ein Auto ist. Es ist meins, möchte ich sagen. Ich könnte es sogar, mein Testwagen hat ein Münchner Kennzeichen, zur Verfügung gestellt von der Dörr Gruppe. Die perfekte Tarnung. Aber Tarnung und ein McLaren 650S? Das passt zusammen wie Osterhase und Weihnachten.

Der 650S hat das, was ich beim Vorgänger MP4-12C vermisst habe. Emotionalität. Der 12C ist auch ein Traumauto, fuhr sich bei meinem Test wie auf Schienen. Aber er war klinisch steril. Er gab mir nicht das Gefühl, das Auto bändigen zu müssen. Ein Stück weit zu perfekt. Und klingt wie der Name einer Waschmaschine aus Korea.

Ganz anders der 650S. Da steht drauf, was drin steckt. Mehr Leistung, mehr Power, und: so viel mehr Sound. Ein richtiger Sportwagen, sage ich lobend, als ich das Ungetüm abends wieder in der Münchner McLaren-Filiale abliefere. Ein Super-Sportwagen, korrigiert mich der Verkäufer umgehend. Recht hat er.

Das S in 650S steht für Sport. Es sollte für Sound stehen. Für Spektakel. Für Sau, geile. Vielleicht auch für Selbstbewusstsein? Als ich morgens vor der Testfahrt aus dem Fenster schaue, schneit es. Ich warte auf die Absage von McLaren, wegen schlechten Wetters. Sie kommt nicht. Einziger Kommentar des Händlers: "Fahren Sie etwas vorsichtiger, Semi-Slicks kommen nicht so gut auf Temperatur." So sieht Vertrauen in das eigene Produkt aus.