Blaue Flecken an Ellbogen und Knien, Blasen an der rechten Hand und leichte Rückenschmerzen. Was klingt wie die Nachwehen einer kleinen Hinterhofschlägerei, sind in Wahrheit die netten Andenken an meine erste Ausfahrt in einem Formel-Boliden. Ende November, Spanien, Monteblanco Circuit, 17 Grad und Sonnenschein - nach einer langen Saison die besten Rahmenbedingungen, nicht nur im Fahrerlager und an der Tastatur, sondern hinterm Lenkrad Spaß zu haben. Motorsport-Magazin.com war wieder einmal auf Tour, um dem Renngeschehen noch einen Schritt näher zu kommen. Diesmal im Angebot: Formel BMW fahren.

Den einen oder anderen schnellen Sportwagen durfte ich in den vergangenen Jahren fahren, aber einen ohne Dach? Ohne den Hauch einer Vorahnung, wie sich wohl ein Formelbolide fährt, ging es schnurstracks nach Monteblanco. Auf dem Kurs, der vorwiegend für Testfahrten genutzt wird und über gefühlt 100 unterschiedliche Layouts verfügt, konnte ich mir ein eigenes Bild von dem Auto machen, in dem die potenziellen Stars von morgen im Formel BMW Talent Cup an den Start gehen. Was ein 15-Jähriger kann, kann ich ja wohl auch! Dachte ich zumindest. Das Achterbahn-Syndrom in Reinkultur: Wenn sich das Kind darauf traut, mach ich das auch...

Kleines mattschwarzes Biest, Foto: BMW Motorsport
Kleines mattschwarzes Biest, Foto: BMW Motorsport

Die Voraussetzungen: Formel BMW F02, 465 Kilo ohne Fahrer, 140 PS, sequentielles Sechsganggetriebe, Slick-Reifen. Die Strecke: das Zwei-Kilometer-Layout mit acht Kurven, Schikane, lange Gerade und Haarnadel inklusive. Perfekte Bedingungen für meine ersten Gehversuche im Formelsport. Wie es sich für echte Wäre-gern-Racer gehört, beginnt das Abenteuer mit einem Track Walk. BMW-Werkspilot Dirk Adorf macht den Instruktor und erklärt, wie man die Kurven richtig nimmt. Und warnt immer wieder vor den ziemlich extremen Kerbs, die eher wie riesige Asphaltwürste wirken. Erinnerungen an Kollege Fernando Alonso werden kurzzeitig wach, der mit angeblich 25 G über die Kerbs von Abu Dhabi gebrettert sein soll. Ein bisschen Kerb darf es aber schon sein, oder wie es Dirk in eigenen Worten ausdrückt: "Das Auto sucht sich seinen Weg selbst, alles andere ist kein richtiges Rennfahren."

Nach Seat-Fitting und theoretischer Einweisung geleitet uns BMW-Motorsportchef Jens Marquardt mit einem freundlichen 'Lassen Sie die Autos bitte in ihrem Originalzustand' in Richtung Rennstrecke. Dann geht alles ganz schnell. Rein ins ultra-enge Cockpit, in der Sitzschale festgezurrt werden, erster Gang, Kupplung ganz langsam kommen lassen und Gas. Schon finde ich mich ausgangs der Boxengasse wieder, in meinem Rücken dröhnt der Vierzylinder-Motor aus einem BMW K 1200 RS-Motorrad lauter und lauter. Ich bin versucht - Grüße ans eigene Straßenauto - in den zweiten Gang zu schalten, aber die Schaltleuchten am oberen Teil des Lenkrads flackern gerade einmal leicht auf. Also weiter aufs Gas, rote LED-Lämpchen blinken auf, zweiter Gang.

Seat-fitting im Formel BMW, Foto: BMW Motorsport
Seat-fitting im Formel BMW, Foto: BMW Motorsport

Lange Gerade, dritter Gang, vierter Gang, Kurveneingang in Sichtweite - ab auf die Bremse. Uff! Ich habe das Gefühl, das Bremspedal dieses Autos kennt nur zwei Optionen: bremsen oder nicht bremsen. Es dauert eine Weile, das richtige Gefühl für die Bremsvorgänge zu bekommen. Hart rein, dann langsam wieder vom Pedal runter und weiter. Kupplung durchdrücken, runter in den zweiten Gang, ab in die erste Rechtskurve. Verdammt, Scheitelpunkt leicht verpasst, völlig ab von der Ideallinie. Egal, weiter geht's. Aha, jetzt die kleine Schikane. Auto an den rechten Streckenrand gleiten lassen, dritter Gang, voll durch, am Ende der Schikane nach links tragen lassen, Kerbs leicht berühren, Gas geben, hochschalten, Vollgas.

Kurve um Kurve machen wir uns hinter dem Führungsfahrzeug, einem BMW M3, mit dem Auto und den Anforderungen vertraut. Zu Beginn hakt es noch ein wenig. Festgezurrt im Mygale-Chassis, kann ich im Prinzip nur Arme und Beine leicht bewegen. So fühlen sich also Rennfahrer. Komfort ist anders, aber genauso muss Rennsport eben sein, denke ich - und vergesse im gleichen Moment, welchen Gang ich gerade eingelegt habe... Ans Schalten muss ich mich erst mal gewöhnen, dabei ist es eigentlich simpel: Kupplung durchtreten und den Schaltstock rechts im Cockpit stramm zu mir ziehen bedeutet Hochschalten, Hebel kräftig nach vorn rammen gleich Runterschalten.

Klein Platz, aber unendlich viel Spaß, Foto: BMW Motorsport
Klein Platz, aber unendlich viel Spaß, Foto: BMW Motorsport

Runde um Runde fühle ich mich wohler im Auto, während Fahrinstruktor Philipp Eng, bekannter Sportwagen-Spezialist und Sieger des Formel BMW-Weltfinale 2007, das Tempo an der Spitze kontinuierlich anzieht. Im Formationsflug mit drei Formel BMW düsen wir über die Strecke, in den drei Sessions dürfen wir insgesamt eine volle Stunde im Auto verbringen. Nun könnte ich an dieser Stelle schreiben, dass alles völlig problemfrei lief, doch in Wahrheit drehte ich mich im Laufe des Tages zweimal auf der Strecke. Unglaublich, wie leicht das passieren kann! Einmal stehe ich mitten in Turn 1 noch auf der Bremse - mein Heck bedankt sich entsprechend und überholt mich. Beim zweiten ungewollten Ausflug weiß ich gar nicht, was schief gelaufen ist. Plötzlich verliere ich die Kontrolle, drehe mich und stehe in umgekehrter Richtung mitten auf dem Kurs.

Das ist schon ein etwas seltsames Gefühl und ich brauche zwei, drei Kurven, um wieder in den Rhythmus zu finden. Zum Glück bleibt es bei den beiden ungewollten Ausritten ohne Folgen. Im Gegensatz zu einem geschätzten Kollegen, der sich dreht, mit einem anderen Auto leicht kollidiert und seinen Formel BMW ins Kiesbett setzt - unter den Augen von Jens Marquardt, der sich in diesem Moment wohl zweimal überlegt, nächstes Jahr noch einmal einen Media Track Day zu veranstalten. Aber that's Racing, Personen kamen nicht zu Schaden und wir hatten durchweg einen Riesen-Spaß in Monteblanco. 140 PS klingen zwar relativ harmlos, aber im engen Cockpit des Formel BMW wirken schon beeindruckende Kräfte - und mein Respekt vor den Nachwuchstalenten im Formelsport erreicht eine neue Dimension.

Wie es richtig geht und was echte Rennfahrer draufhaben, zeigt mir zum Abschluss Bruno Spengler im BMW M3 GT4. Nach der wenig vertrauenserweckenden Begrüßung in Form eines 'Ich bin dieses Auto vorher noch nie gefahren', zeigt mir Bruno, was wirkliches Racing ist und zaubert mir bei ein paar schnellen Runden auf dem Beifahrersitz ein Grinsen ins Gesicht. Das Vollrausch-Gefühl hält eine ganze Weile an, bis ich am nächsten Tag die eingangs erwähnten Folgen zu spüren bekomme. Die Enge des Formelcockpits und die ungewohnten Bewegungen fordern ihren Tribut - es sind die schönsten Schmerzen der Welt.