Der Artikel wurde in der 80. Ausgabe des Printmagazins von Motorsport-Magazin.com am 02. September 2021 veröffentlicht.

Der Durchbruch von Marc Marquez im Alter von nur 20 Jahren löste in der Saison 2013 einen Jugendwahn in der MotoGP aus. Dieser bekam vor zwei Saisons einen weiteren Schub, als plötzlich ein gewisser Fabio Quartararo den ein oder anderen Altersrekord von Marquez nochmals unterbieten konnte. Die Statistik gibt den jugendaffinen Talentescouts der Motorrad-Weltmeisterschaft Recht: Der letztjährige Weltmeister war 23 Jahre alt, der aktuelle WM-Leader ist 22 und in Spielberg mischte der 23-jährige Rookie Jorge Martin vor wenigen Wochen fast alle auf. Seit klar ist, dass Methusalem Valentino Rossi im Alter von 42 Jahren die MotoGP mit Saisonende endgültig verlassen wird, darf sich Aleix Espargaro als der neue "Motorrad-Opa der Weltmeisterschaft" bezeichnen. Dabei wurde der Katalane Ende Juli erst 32 Jahre alt. All diese Zahlen belegen, dass nicht nur ein Generationenwechsel im MotoGP-Paddock in vollem Gang ist, sondern dass vor allem die sechs Hersteller mit immer härteren Bandagen so früh wie möglich um die talentiertesten Piloten buhlen. Wir präsentieren die Top-10 der kleinen Klassen, von denen einige schon im kommenden Jahr in der höchsten WM-Kategorie debütieren werden.

Pedro Acosta (17)

Seit seinem genialen Einstieg in die Motorrad-WM mit drei Siegen in den ersten vier Rennen gilt der 17-jährige Spanier als die begehrteste Teenager-Aktie im gesamten Fahrerlager. Dass Pedro Acosta nicht gleich mit MotoGP-Angeboten der großen Hersteller überhäuft wurde, dürfte lediglich daran liegen, dass er laut Reglement erst ab seinem 18. Geburtstag am 25. Mai 2022 berechtigt ist, ein Motorrad der höchsten WM-Klasse zu pilotieren. KTM will sich seinen Rohdiamanten nicht abnehmen lassen, weshalb er unter den Fittichen von Aki Ajo im kommenden Jahr in der Moto2 weiter aufgebaut werden soll. Schlägt er dort so ein wie in der Moto3, könnte ihm schon 2023 der Aufstieg in die MotoGP gelingen. In jeder der beiden kleinen Kategorie nur jeweils ein Jahr zu verbringen, wäre ein neuer Rekord. Es gibt wohl keinen Hersteller, in dessen Notizbüchern Acostas Name nicht aufscheint.

Foto: LAT Images
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Raul Fernandez (20)

Der Spanier hat einen kometenhaften Aufstieg in der Weltmeisterschaft hinter sich. Erst im Oktober des Vorjahres holte er sein erstes Podium in der Moto3, nun konnte er bereits seinen MotoGP-Aufstieg für 2022 unter Dach und Fach bringen. KTM und deren oberster Talenteschmied Aki Ajo hatten ursprünglich zwar noch ein zweites Jahr in der Moto2 für Raul Fernandez vorgesehen, doch die sensationelle Rookie-Performance mit bislang vier Siegen und WM-Platz zwei weckte bei den Konkurrenten Begehrlichkeiten. Die Führung des Petronas-Teams soll sich an den Spanier herangemacht haben, weshalb sich Pit Beirer & Co. kurzerhand dazu entschieden, Fernandez bereits in der kommenden Saison auf einem Werksmotorrad in Herve Poncharals Tech3-Team in der MotoGP unterzubringen. Geschliffen wurde der Rohdiamant Raul Fernandez bislang durch Gustl Auingers Rookies Cup, Jorge Martinez, unter dem er Junioren-Weltmeister wurde, und Ajo. Das ist eine Prozedur aus der üblicherweise Champions hervorgehen.

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Remy Gardner (23)

Ein prominenter Name ist nicht zwangsläufig ein Gratisticket für einen raschen Aufstieg in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Das musste in den vergangenen Jahren auch Wayne Gardners Sohn Remy am eigenen Leib erfahren. Bereits seit 2015 ist der 23-jährige Australier in der WM unterwegs und kämpft sich ab 2016 in unterschiedlichen Teams durch das Moto2-Feld. Wie lange Gardner bereits in der mittleren Kategorie festhängt, beweist der Umstand, dass bei seinem Debütrennen Johann Zarco, Alex Rins und Taka Nakagami auf dem Podest standen. Erst im Vorjahr gelang ihm der Durchbruch, als er beim Finale seinen ersten Sieg holte und die WM als Sechster abschloss. Seit dem Transfer in das hochdekorierte Team von Aki Ajo läuft es wie am Schnürchen, weshalb Remy Gardner auch die WM anführt und seinen MotoGP-Aufstieg für 2022 bereits in der Tasche hat: Gemeinsam mit seinem aktuellen Teamkollegen Raul Fernandez fährt er für Tech3-KTM.

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Sergio Garcia (18)

Bereits in jüngsten Jahren hatte das spanische Talent beste Voraussetzungen: Gefördert von Emilio Alzamora wurde er für dessen Team 2018 Junioren-Vizeweltmeister und wurde mit dem Aufstieg in das Moto3-Team des Spaniers belohnt, sobald er das Mindestalter von 16 Jahren erreicht hatte. In der WM angekommen, holte er beim Finale seiner Rookie-Saison den ersten Sieg und landete im Vorjahr nach zwei Podien erstmals in den Top-10 der Gesamtwertung. Da Alzamora sein Moto3-Team mit Saisonende einstellte, musste sich Garcia zum ersten Mal unter den Fittichen seines Mentors hervorwagen. Das hat dem 18-Jährigen gutgetan, denn auf einer als GasGas beflaggten KTM im Aspar-Team ist er in der laufenden Saison der einzige Fahrer, der nach drei Saisonsiegen noch halbwegs mit Überflieger Pedro Acosta mithalten kann. Die Teamchefs der Moto2 stehen für 2022 bereits Schlange, das Interesse der MotoGP-Hersteller dürfte ebenfalls geweckt sein.

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Aron Canet (21)

In der Moto3 zählte der Tattoo-Fan vier Jahre lang zur absoluten Elite. Canet holte dort sechs Siege sowie 17 Podien und wurde Zweiter sowie Dritter in der WM. Bei den großen Teams fiel er damit durch, doch Jorge Martinez holte den Spanier in die Moto2, wo er ihn auf eine SpeedUp (mittlerweile Boscoscuro) setzte. Nach einem schwierigen ersten Jahr bewies Canet in der laufenden Saison mit bislang drei zweiten Plätzen, dass er gegen die Kalex-Armada mithalten und sich behaupten kann. 2022 will er selbst auf dem deutschen Fabrikat sitzen, dass sämtliche Titel seit 2013 abgesahnt hat. Im Team von Sito Pons will er sich für höhere MotoGP-Weihen empfehlen, ehe ihm sein Alter in ein paar Jahren einen Strich durch die Rechnung macht. Canet hat auf der Strecke Kämpferqualitäten, ihm haftet aber ein wenig die Rolle eines ewigen Underdogs an.

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Darryn Binder (23)

Die Binders könnten nach den Marquez' und den Espargaros schon 2022 das dritte Brüderpaar in der MotoGP werden. Bruder Brad ist mittlerweile zweifacher GP-Sieger in der Königsklasse, wo er in der kommenden Saison auf den drei Jahre jüngeren Darryn treffen könnte. Dieser quält sich seit mittlerweile sieben Jahren durch die Moto3, schaffte es bislang aber noch nicht, Konstanz in seine Ergebnisse zu bringen. Hart erkämpfte Siege wechseln sich nach wie vor mit Blackouts und überharten Manövern ab. Dass es 2022 mit der MotoGP klappen könnte, ist der Treue des Petronas-Teams geschuldet, das nach dem Absprung des prominenten Titelsponsors kleinere Brötchen backen muss und sich daher personell in der Besetzung seiner Teams in den kleinen Klassen umsieht. Seine Draufgänger-Mentalität sollte ihm den Sprung direkt von der Moto3 in die MotoGP einfacher machen. Zuletzt schaffte der geistig ähnlich gestrickte Jack Miller im Jahr 2015 diesen Aufstieg.

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Fabio Di Giannantonio (22)

Man muss nicht zwangsläufig Valentino Rossis Akademie angehören, um als italienischer Fahrer noch den Sprung in die MotoGP schaffen zu können. Was Enea Bastianini bereits im vergangenen Winter bewies, wird im kommenden Jahr auch Fabio Di Giannantonio verifizieren. Der 22-Jährige bekommt von Fausto Gresinis Erben 2022 die Chance, sich in der Königsklasse zu beweisen. Damit bleibt Di Giannantonio in jenem Familienbetrieb, in dem er bereits vier seiner bislang sechs WM-Jahre verbrachte und für die er 16 seiner bislang 20 Podestplätze holte. Dass er mit Bastianini zu einem Wiedersehen mit seinem allerersten Teamkollegen in der Motorrad-WM kommt, hat sogar etwas Nostalgisches. Doch bei Gresini Racing kann man gute Schwingungen gebrauchen, denn der Rennstall steht 2022 vor einer Mammutaufgabe: Nach Jahren als Einsatzteam von Aprilia, muss man sich künftig wieder als eigenständiger Rennstall durchschlagen - mit zwei jungen Piloten auf Altmaterial von Ducati. Auf Di Giannantonio wartet somit die wichtigste Bewährungsprobe seiner Karriere, die darüber entscheidet, ob er in die Notizbücher der großen Hersteller aufgenommen oder aus ebendiesen gestrichen wird.

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Ai Ogura (20)

Honda macht kein Geheimnis daraus, dass man sich einen Lokalmatadoren in seinem MotoGP-Lineup wünscht. Aktuell bekleidet diese Position noch Takaaki Nakagami, der allerdings zum Saisonstart 2022 bereits 30 Jahre alt sein wird und auch im vierten Jahr in der Königsklasse noch vergeblich auf seinen ersten Podestplatz wartet. Im Nachwuchsprogramm des "Honda Team Asia" lauert daher bereits die nächste Generation auf Nakagamis Job. In der aussichtsreichsten Position befindet sich dabei Ai Ogura. Der 20-jährige Japaner schaffte im Vorjahr in der Moto3 den Durchbruch, als er sich über weite Strecken der Saison im WM-Kampf befand. 2021 überzeugte er nach seinem Aufstieg in die Moto2 von Beginn an und holte im zweiten Rennen bereits seinen ersten Top-5-Platz. Seither konnte sich Ogura im Spitzenfeld festbeißen, auch wenn es in der mittleren Klasse für ein Podium bislang noch nicht gereicht hat. Hondas Nachwuchschef Hiroshi Aoyama machte bereits klar: Ogura soll in die MotoGP.

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Fermin Aldeguer (16)

Dieser Name ist aktuell nur absoluten Insidern ein Begriff und auch die Redaktion von Motorsport-Magazin.com wunderte sich zu Saisonbeginn 2021, aus welchem Hut Jorge Martinez diesem Teenager für sein Lineup in der MotoE gezaubert hatte. Spätestens seit seiner Pole Position in Spielberg und zuletzt drei Top-7-Platzierungen in Folge ist aber klar, was sein spanischer Teamchef an Fermin Aldeguer findet. Ein Blick in seine Heimat hilft zusätzlich: In der dort ausgefahrenen Moto2-Europameisterschaft gewann er bislang alle der acht Saisonrennen. Bemerkenswert sind seine Statistiken der Saison 2021 vor allem aus einem Grund: Fermin Aldeguer ist gerade einmal 16 Jahre alt. Da er bereits in diesem zarten Alter die schweren Motorräder der MotoE und Moto2 bewegt, wird er sich wohl den schwierigen Gang in die Grabenkämpfe der Moto3 ersparen, was seine Karriere um ein bis zwei Jahre beschleunigen könnte. Für 2022 soll das Boscoscuro-Team (vormals als SpeedUp bekannt) in der Pole Position um die Dienste von Aldeguer sein.

Marco Bezzecchi (22)

Der italienische Lockenkopf sorgte 2018 zum ersten Mal für Furore, als er für das sächsische Prüstel-GP-Team den Moto3-WM-Kampf ausfocht. Nach einem schwierigen ersten Moto2-Jahr holte ihn Valentino Rossi im Vorjahr ins VR46-Team, wo er seither zur Elite der mittleren Kategorie zählt. Zwölf Podestplätze (davon drei Siege) holte Marco Bezzecchi seither und galt bereits im Vorjahr als Kandidat auf einen MotoGP-Aufstieg. Mit einem Jahr Verzögerung soll es nun 2022 soweit sein. Bei welchem Team er fahren wird, ist bei Redaktionsschluss zwar noch nicht geklärt, der Aufstieg aber beschlossene Sache. Bezzecchi ist somit nach Franco Morbidelli, Francesco Bagnaia und Luca Marini bereits der dritte Fahrer aus der VR46 Riders Academy, der es in die Königsklasse schafft. Aufgrund seiner Hitzköpfigkeit und seines Charmes hat sich "Bezz" bereits eine ansehnliche Fangemeinde aufgebaut.

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