Der Artikel wurde in der 81. Ausgabe des Printmagazins von Motorsport-Magazin.com am 28. Oktober 2021 veröffentlicht.

Ducati war in der MotoGP seit jeher ein Innovator. In Borgo Panigale ticken die Uhren anders, was zu erfrischenden Revolutionen führte.

5 - KONZESSIONEN

Vor rund einem Jahrzehnt ging es der MotoGP nicht allzu gut. Die Finanzkrise hatte Suzuki und Kawasaki aus der WM gespült und neben Honda und Yamaha war nur noch Ducati als Hersteller im Grid. 2011 gab es einen historischen Tiefstand von nur 17 Stammfahrern, sodass die Regelhüter ab 2012 über die "Claiming Rule" neue, private Teams anlocken mussten. 2014 ersetzte man diese Regel durch eine neue Variante, das sogenannte "Open-Reglement", das nach wie vor für kleine Privatteams gedacht war. Als Gigi Dall'Igna öffentlich überlegte, das Werksteam von Ducati unter diesem Reglement an den Start zu bringen, brannte bei der Dorna der Hut. Am 18. März - fünf Tage vor Saisonstart - wurde das Reglement kurzerhand ein weiteres Mal angepasst, sodass Ducati seinen Status als Hersteller behalten konnte und dennoch Zugeständnisse bekam: Die Concessions waren geboren. Ducati durfte mehr testen, hatte mehr Motoren zur Verfügung und unterlag Erleichterungen bei der Homologierung. Nur durch sportliche Erfolge konnte man die Zugeständnisse verlieren, von denen später auch die Neueinsteiger Suzuki, KTM und Aprilia profitieren durften.

Foto: Ducati
Foto: Ducati

4 - TESTTEAM

Testfahrer waren schon immer ein wichtiger Bestandteil jedes Werksteams. Die japanischen Hersteller erledigten ihre Entwicklungsarbeit aber lange Jahre mit lokalen Fahrern in der Heimat. Ducati erkannte als erstes Werk, wie wichtig es ist, diesen Job einerseits erfahrene MotoGP-Piloten erledigen zu lassen und andererseits regelmäßig auf europäischen Grand-Prix-Strecken zu fahren. 2013 nahm man Michele Pirro als Test- und Ersatzfahrer unter Vertrag, der seither tausende Kilometer auf der Desmosedici abgespult hat. Ducati begann auch als erster Hersteller, das Testteam regelmäßig via Wildcards unter GP-Bedingungen arbeiten zu lassen. In seiner Rolle als Test- und Ersatzfahrer bestritt Michele Pirro mittlerweile 42 MotoGP-Einsätze für Ducati. Längst haben alle Hersteller das Konzept der Italiener kopiert und ehemalige GP-Piloten sind heute begehrte Fahrer für die in Europa beheimateten Testteams. Cal Crutchlow (Yamaha), Stefan Bradl (Honda), Sylvain Guintoli (Suzuki) und Dani Pedrosa (KTM) sind die prominenten Kollegen Pirros.

Foto: Milagro
Foto: Milagro

3 - SENSATIONSTRANSFERS

Bereits 2003 durfte Ducati bei seinem MotoGP-Einstieg mit der italienischen Größe Loris Capirossi und dem Superbike-Star Troy Bayliss ein hochkarätiges Duo unter Vertrag nehmen. Doch im Laufe der Jahre avancierte die Rote Rennfraktion aus Borgo Panigale zum wahren Headhunter. 2009 angelte man sich mit Nicky Hayden einen ersten Ex-Weltmeister. 2011 machte man Valentino Rossi mit einem Mega-Deal zu einem der 20 bestbezahlten Sportstars der Welt und 2017 sicherte man sich für ca. 25 Millionen Euro für zwei Jahre die Dienste von Jorge Lorenzo. Auch bei Maverick Vinales und Marc Marquez hat man in vergangenen Jahren bereits mit einem dicken Geldkoffer im Gepäck angeklopft. Dass man in der MotoGP mit Geld keine Erfolge kaufen kann, zeigt aber die Ausbeute der Sensationswechsel: Hayden und Rossi gewannen auf Ducati nie ein Rennen, Jorge Lorenzo siegte in zwei Jahren in Rot nur dreimal. Aktuell bäckt man in Borgo Panigale kleinere Brötchen und setzt eher auf junge Talente denn auf Königstransfers.

Foto: Ducati
Foto: Ducati

2 - WINGLETS

2016 führte die MotoGP die Einheitselektronik ein, um in den Entwicklungsabteilungen der Hersteller ein Millionengrab zu schließen. Ab diesem Zeitpunkt mussten alle MotoGP-Bikes mit Software von Magneti-Marelli ausgestattet werden, die aber keinesfalls auf dem Niveau war wie die selbst entwickelten Programme der Werke. Plötzlich mussten die Teams wieder gegen Wheelies kämpfen und fanden monatelang keine Lösung für dieses Problem. Erst in der Sommerpause 2017 hatte Ducatis Technikguru Gigi Dall'Igna die zündende Idee und montierte Flügelkonstruktionen an seine Motorräder. Diese Winglets sorgten für Downforce, wodurch man die Schwächen der Wheelie-Control der Software innerhalb des Reglements umgehen konnte. Rasch kopierten alle Hersteller diese Idee, die heute essenziell zum Erscheinungsbild der MotoGP beiträgt. Später montierte Ducati auch Spoiler an die Schwinge und bastelte mechanische Lösungen für das Absenken von Front- und Heckpartie. Damit wurde man zum größten technischen Vorreiter der Motorrad-WM.

Foto: gp-photo.de
Foto: gp-photo.de

1 - KUNDE ALS KÖNIG

Lange Jahre waren Kundenteams in erster Linie genau eines: zahlende Kunden. Gegen einen Millionenbetrag bekam man vom Werk Motorräder - je nach Höhe der Zahlung aktuelle oder ältere. Für Sponsoren und Fahrer mussten die Kunden selbst sorgen, für die Werksteams waren sie in erster Linie Einnahmequelle. Ducati begann als erster MotoGP-Hersteller umzudenken: Im Pramac-Team brachte man eine dritte Werks-Maschine zum Einsatz und lieh dorthin auch Fahrer aus, die man selbst bezahlte. Der Nutzen überwog die Kosten: Ducati erkannte, dass zusätzliche Full-Factory-Bikes mehr Daten für die Weiterentwicklung brachten und dass man junge Talente verpflichten konnte, ohne sie dem Druck im Werksteam auszusetzen. Diese Strategie wurde kontinuierlich ausgebaut: 2022 soll es fünf vollwertige Werksmaschinen geben, bereits in der laufenden Saison gibt es fünf Fahrer, die direkt bei Ducati angestellt sind. Diese Strategie wurde längst von allen Konkurrenten kopiert, was mit ein Grund ist, warum die aktuelle MotoGP die konkurrenzfähigste aller Zeiten ist.

Foto: LAT Images
Foto: LAT Images

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