Der Titelkampf in der Moto2-Saison 2021 wurde erst beim Finale in Valencia entschieden. Raul Fernandez gewann das Rennen, ein zehnter Platz reichte Remy Gardner schlussendlich aber zum WM-Erfolg. Lediglich vier Punkte trennten die beiden Ajo-Teamkollegen nach 18 Saisonrennen.

In einem am Donnerstag vom spanischen Portal 'Motorsport.es' publizierten Interview ließ Fernandez seinem Frust über den verlorenen WM-Titel freien Lauf: "Meine gesamte Crew hatte kaum Erfahrung und es gab niemanden, der uns geführt hat. Deshalb sind wir jetzt nicht Weltmeister. Die Resultate zeigen aber, dass ich der beste Fahrer war. Ich habe die meisten Siege, Pole Positions und Schnellste Rennrunden geholt."

Tatsächlich gehen fast alle Wertungen in der Moto2-Saison 2021 an Fernandez. Er hat acht Rennsiege gefeiert, Gardner nur fünf. Fernandez holte sieben Pole Positions und sieben Schnellste Rennrunden, Gardner nur je drei. Beide standen zwölf Mal auf dem Podium. Gardner leistete sich aber nur einen Ausfall, Fernandez gleich drei.

Die alte Rennfahrerweisheit, wonach Speed Rennen und Konstanz Meisterschaften gewinnt, hat sich also einmal mehr bewahrheitet. Fernandez erkennt die Leistungen seines Teamkollegen allerdings nur bedingt an. "Remy ist Weltmeister, weil er mehr Punkte gesammelt hat, aber ich sehe mich als moralischen Sieger. Unsere Leistung in diesem Jahr war beeindruckend. Uns hat eine führende Hand gefehlt. Eine Person, die uns gesagt hat, was zu tun ist. Wir sind herumgestolpert wie kleine Kinder. Wir hätten eine Figur gebraucht, die uns helfen will, nicht jemanden, der uns Steine und Hindernisse in den Weg legt, so dass wir nicht gewinnen. Das war entscheidend."

Fernandez und Gardner lieferten eines der besten Moto2-Duelle der letzten Jahre, Foto: LAT Images
Fernandez und Gardner lieferten eines der besten Moto2-Duelle der letzten Jahre, Foto: LAT Images

Fernandez wirft also dem Team von Aki Ajo vor, zumindest indirekt Einfluss auf das WM-Duell der Stallgefährten genommen zu haben. Ein harter Vorwurf gegen eines der am besten geführten und erfolgreichsten Privatteams der Motorrad-Weltmeisterschaft. Die Gesamtsiege von Gardner in der Moto2 und Pedro Acosta in der Moto3 2021 waren die WM-Titel sieben und acht für Ajo Motorsport seit dem Einstieg 2002.

Legt sich Raul Fernandez selbst Steine in den Weg?

Es wird spannend zu beobachten sein, wie Fernandez' Äußerungen aufgenommen werden. Denn Ajo Motorsport hat er mit dem Aufstieg zu Tech3 in die MotoGP zwar verlassen, im KTM-Lager bleibt er aber weiterhin. Und dort ist Aki Ajo eine sehr angesehene Figur, gilt sein Rennstall doch als wichtige Sprosse in der Karriereleiter, die KTM für junge Fahrer gebaut hat. Pikant ist Fernandez' Rundumschlag natürlich auch, weil Remy Gardner 2022 erneut sein Teamkollege sein wird. Und für den hatte er im Interview noch eine Botschaft parat: "Es ist ja schön, über einen Weltmeistertitel zu reden und zu erklären, dass du schlauer warst, wenn du sechs Jahre lang in einer Klasse verbracht hast. Du warst aber nicht schlauer, dir wurden einfach nur weniger Steine in den Weg gelegt."

Aki Ajo zählt zu den respektiertesten Teamchefs des Paddocks, Foto: LAT Images
Aki Ajo zählt zu den respektiertesten Teamchefs des Paddocks, Foto: LAT Images

Gardner war ja mehrere Jahre lang wenig erfolgreich in der Moto2 unterwegs. In drei Saisons bei Tasca Racing und Tech3 gelang ihm keine einzige Podiumsplatzierung. Erst mit dem Wechsel zum SAG Team 2019 stellten sich erste Erfolge ein. Im Saisonfinale 2020 gelang der erste Sieg, in der abgelaufenen Saison folgte der endgültige Durchbruch. Für Fernandez hingegen war 2021 die erste Saison in der Moto2 und die überhaupt erst dritte in der Motorrad-Weltmeisterschaft.

Am Donnerstag in Jerez auf die Äußerungen seines Teamkollegen angesprochen, reagierte Gardner gewohnt entspannt: "Er kann glauben, was er will. Ich bin der Meinung, dass das Team uns beiden eine faire Chance gegeben hat. Am Ende hat der bessere Mann gewonnen. Deshalb sind diese Äußerungen Bullshit für mich."

Raul Fernandez und KTM: Eine holprige Partnerschaft

So erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen Fernandez und KTM auf der Rennstrecke läuft, so schwierig ist sie abseits davon. Im Laufe des Jahres 2021 verhandelte das Management des Spaniers immer wieder mit Yamaha über einen MotoGP-Deal für kommende Saison, obwohl sich Fernandez in einem langfristigen und klassenübergreifenden Vertrag mit KTM befindet. Das zwang die Österreicher sogar dazu, die Einhaltung des Kontrakts mit einer offiziellen Pressemitteilung über Fernandez' MotoGP-Aufstieg 2022 einzufordern. Diese schickte man in einer Hauruckaktion während des 4. Freien Trainings zum Steiermark-GP. Danilo Petrucci und Iker Lecuona erfuhren so, dass sie ihren Platz in der Königsklasse verlieren werden.