Fabio Quartararo hat in diesem Jahr so ziemlich alles richtig gemacht. Dass er den Titel holte, war kein Zufall. Er hat es endlich geschafft, aus seinem Talent das Maximum herauszuholen. Der Speed war immer da, das wusste man, seit er als 15-Jähriger die spanische Meisterschaft in der Moto3 gewann. Dennoch hat der Franzose lange gebraucht, sich auf mentaler Ebene als Sportler zu finden.

Die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr, als er früh zum Favoriten erklärt wurde und letztlich an den Erwartungshaltungen zerbrach, waren ein fundamentales Erlebnis für den jetzigen Titelgewinn. Fabio hat damals gelernt, den Druck zu spüren und sich dann im Bereich des Mental-Coachings weitergebildet. Und er wusste natürlich genau, dass es wohl die letzte Saison ohne einen Marc Marquez auf hundert Prozent seiner Leistungsfähigkeit werden würde.

Der Yamaha-Pilot konnte als einziger Fahrer in jedem Saisonrennen punkten, fuhr die meisten Siege und die meisten Pole Positions ein. 60 Prozent des Erfolges sind dieser Konstanz geschuldet. Noch überzeugender als Joan Mir im Vorjahr holte Quartararo aus jedem Wochenende das Bestmögliche heraus. Beeindruckend ist diese lockere Art und gute Laune, mit der er signalisiert, okay, wenn alles passt, kann ich gewinnen.

Für Pecco Bagnaia kam der in Aragon gestartete Run zu spät. Wenn er früher den ersten Sieg geholt hätte, wäre der Knoten womöglich schneller aufgegangen. Die WM hat er nicht erst mit dem Fehler in Misano verloren, da gab es noch zwei, drei andere. Und Quartararo hätte für seine offene Lederkombi in Barcelona disqualifiziert werden müssen. Wenn drei Events anders gelaufen wären, würde die Differenz jetzt vielleicht nur 15 Punkte betragen. Und dann hast du zwei Rennen vor Schluss als WM-Führender mächtig Druck im Kessel.

Francesco Bagnaia warf zuletzt in Misano den Sieg weg, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia warf zuletzt in Misano den Sieg weg, Foto: LAT Images

Umso spannender wird der Titelkampf im nächsten Jahr. Marc Marquez sollte wieder der Mann sein, den es zu schlagen gilt, allerdings nicht so klar wie in der Vergangenheit, als alle gegen einen fuhren. Der sechsfache MotoGP-Weltmeister hat gezeigt, dass die Kraft in der Schulter wieder da ist und er auch auf im Uhrzeigersinn gefahrenen Strecken gewinnen kann. Er fühlt selbst, dass der Titel wieder möglich ist.

Quartararo, Bagnaia und der am Portugal-Wochenende nach einem Offroad-Sturz fehlende Marquez sind also meiner Meinung nach jene Namen, die im kommenden Jahr um die Weltmeisterschaft fahren werden. Vielleicht kommt noch Franco Morbidelli dazu, der in dieser Saison viel mit Physiotherapie beschäftigt war, sich aber langsam mit der Werks-Yamaha warm fährt.

Franco Morbidelli ist nach seiner Verletzung auf dem Weg zurück, Foto: Yamaha
Franco Morbidelli ist nach seiner Verletzung auf dem Weg zurück, Foto: Yamaha

Bei den letzten zwei WM-Stopps in Portimao und Valencia heißt es freie Fahrt - ohne Tempolimits und ohne Taktik. Und in den unteren Klassen geht es noch um den Titel. Die Strecke an der Algarve ist mit Sicherheit die spektakulärste im Rennkalender, eine einzigartige Achterbahn mit den meisten Höhenunterschieden, den meisten blinden Stellen, nach innen und außen hängendem Layout und vielen Kompressionen.

Schon im April machte die MotoGP in Portimao Station, damals entsprach das Podest dem aktuellen WM-Stand mit Quartararo vor Bagnaia und Mir. Die Voraussetzungen sind diesmal jedoch völlig anders. Und Portugal wird ordentlich Gas geben. Denn die Fans dürfen wieder an die Strecke und Hausherr und Vorjahressieger Miguel Oliveira, der in Misano ohne Sturz aufs Podium gefahren wäre, sollte ebenfalls ein Wort mitreden.

Alex Hofmann ist ehemaliger deutscher Motorradrennfahrer und TV-Moderator. In der MotoGP-Saison 2021 ist er als Experte und Kommentator für ServusTV live im Einsatz.