Bei elf gefahrenen Saisonrennen haben sich bisher sieben Piloten in die Siegerliste eintragen können. Dass der Zweit-, Dritt- und Viertplatzierte in der WM nicht darunter sind, spricht für die enorme Ausgeglichenheit der MotoGP, was mittlerweile aber auch nichts Neues mehr ist. Letztlich kommt es immer auf die gleichen Dinge an: Die kleinsten Details sind wichtig, du musst perfekt vorbereitet sein und darfst dir vom ersten Training an keine Fehler erlauben.

Dennoch baut Fabio Quartararo seinen Vorsprung im Gesamtklassement kontinuierlich aus. Inzwischen trennen den Franzosen 47 Punkte von seinen Verfolgern. Der 22-Jährige hat sich ganz klar als Titelfavorit herauskristallisiert. Er ist sehr solide, punktet konstant und musste noch keinen Ausfall hinnehmen. Er weiß schließlich, dass er nicht jedes Rennen gewinnen muss. Möglich ist in den ausständigen Rennen immer noch alles, viel Platz für Fehler hat Quartararo also nicht. Der Vorsprung ist aber doch irgendwie beruhigend.

Und mein Gefühl sagt mir, dass er nicht nervös wird. Dann ist er im Titelrennen auch nur schwer zu schlagen. In Silverstone habe ich ihn wieder auf dem Zettel, denn die Yamaha ist dort immer konkurrenzfähig, einzig das Wetter stellt in England ein ständiges Fragezeichen dar. Wenn Quartararo eine Schwäche hat, ist es der Regen.

Dahinter geht es extrem spannend her. Zwischen Pecco Bagnaia, Joan Mir und Johann Zarco liegen gerade einmal zwei Punkte. Und Letztgenannter hat vor zwei Wochen in Österreich einen Nuller geschrieben. Das ist das Schlimmste, was dir passieren kann. In die Punkte zu fahren ist das Einzige, was zählt. Egal wie. Man sieht es bei Jorge Martin, der in Spielberg zweimal am Podium war, davor aber mit seiner Verletzung zu kämpfen hatte und deshalb in der WM abgeschlagen ist.

Jorge Martin gewann in Spielberg sein erstes MotoGP-Rennen, Foto: LAT Images
Jorge Martin gewann in Spielberg sein erstes MotoGP-Rennen, Foto: LAT Images

Der britische GP ist aufgrund des labilen Wetters jedes Mal schwer einzuschätzen. Selten bleibt es über das gesamte Wochenende trocken, vor drei Jahren fiel das Rennen buchstäblich ins Wasser. Und auch in der vergangenen Saison kam es wegen Corona zur Absage. Vom Motorradkonzept her haben Suzuki und Yamaha die besten Chancen, auch mit Ducati wird zu rechnen sein.

Doch die letzten sechs Austragungen in Silverstone brachten sechs unterschiedliche Sieger auf vier verschiedenen Fabrikaten hervor. KTM fehlt in dieser Aufzählung, die Strecke ist meiner Meinung nach für das Bike des oberösterreichischen Rennstalls wie auch für Honda nicht unbedingt geschaffen. Allerdings hätte ich mir auch nicht gedacht, dass Brad Binder am Red Bull Ring gewinnt, einem der spannendsten Rennen der letzten zehn bis 15 Jahre. Bei Trockenheit wäre es wohl anders ausgegangen, aber so ein Erfolg beflügelt natürlich.

Binder nach MotoGP-Sieg bestraft - oder doch nicht? (09:54 Min.)

Als Experte traue ich mich schon fast gar nicht mehr, Prognosen abzugeben, weil jedes Wochenende anders ist. Plötzlich gewinnen Motorräder auf Strecken, auf denen man ihnen früher keine Chance eingeräumt hätte. Alle Teams sind so eng zusammengerückt, dass jedes Rennen Hochspannung garantiert.

Stefan Bradl ist MotoGP-Testfahrer bei Honda und TV-Kommentator. In der neuen MotoGP-Saison analysiert der deutsche Moto2-Weltmeister 2011 als Experte für ServusTV die Rennen live aus der Boxengasse.