Nach sechs Wochen Pause startet die MotoGP mit einem Double-Header in Spielberg in die zweite Saisonhälfte. Höchste Zeit also für ein Zwischenfazit: Die ersten neun Rennen haben gezeigt, dass Ducati auf allen Strecken schnell ist, auch wenn man nicht überall die für sie so typische Brachialgewalt ausspielen kann. Die Italiener haben keine Ausreißer in irgendeine Richtung und sind deshalb ein absoluter Titelkandidat. Nur verfügt Ducati mit Johann Zarco, Jack Miller und Pecco Bagnaia über drei Fahrer, die alle Weltmeister werden können und sich dadurch praktisch gegenseitig die Punkte wegnehmen.

Im Gegensatz dazu wirkt Yamaha von außen fast wie ein Ein-Mann-Team. Die Japaner haben alte Stärken wiedergefunden, die Schwächen ausgemerzt und in Fabio Quartararo einen Fahrer in ihren Reihen, der diese Entwicklung mitträgt. Der Franzose besticht durch seine unglaubliche Beständigkeit, obwohl er mit Ausnahme der Junioren-WM noch nie einen Titel in seiner Karriere einfahren konnte. Wie er mit dieser Gedankenwelt eines möglichen WM-Titels in der Königsklasse umgeht, spricht für sein Umfeld.

Umgekehrt verhält es sich bei Maverick Vinales. Man sieht nicht, was nicht funktioniert, wir können nur spekulieren. Aber irgendetwas ist los. Denn an sich ist der Spanier ja sauschnell. Er hat aber nie die von ihm erwarteten Resultate bringen können und wirft jetzt plötzlich seinen Vertrag ein Jahr vor Ende der Laufzeit weg.

Und Suzuki stagniert, andere Rennställe haben mehr Schritte gesetzt. Als schlecht kann man das Weltmeisterteam aber nicht bezeichnen, sie sind immer da.

MotoGP-Halbzeitfazit: Die Gewinner & Verlierer 2021 (09:47 Min.)

Dass Honda noch nicht an jenem Punkt angelangt ist, wo sie sich gerne gesehen hätten, ist klar. Doch wenn ein Ausnahmefahrer wie Marc Marquez Lunte riecht, ist er jederzeit für eine Überraschung gut, wie er mit dem Sieg beim Großen Preis von Deutschland demonstrierte. Allerdings liegt dem achtfachen Weltmeister der Sachsenring besonders gut, mit den vielen Linkskurven wird seine operierte Schulter dort auch am wenigsten beeinträchtigt.

KTM hat mit dem neuen Motor den Übergang nach dem Verlust der Concessions fantastisch geschafft. Die Oberösterreicher präsentieren sich mittlerweile wieder ähnlich stark wie im Vorjahr. Das Team ist schlagkräftig, kann überall mitfahren und hat mindestens drei starke Piloten.

KTM beendete mit Oliveira die Ducati-Siegesserie in Spielberg, Foto: MotoGP.com
KTM beendete mit Oliveira die Ducati-Siegesserie in Spielberg, Foto: MotoGP.com

Zum Großen Preis der Steiermark bringt Quartararo 34 Punkte Vorsprung mit. Doch Spielberg ist Ducati-Land. Yamaha hat am Red Bull Ring immer gelitten, dort fehlt der Topspeed und die Beschleunigung. Bei den Siegen auf den Powerstrecken von Doha und Mugello hat sich dieses Manko kaum ausgewirkt, weil man viel Kurvenspeed umsetzen konnte. In Österreich bremst du aber von einer sehr hohen Geschwindigkeit herab.

KTM, das im Vorjahr die Siegesserie von Ducati in Österreich durch Miguel Oliveira beendete, hat vom Red Bull Ring logischerweise jede Menge Daten. Und erstmals vor vollen Zuschauerrängen zu starten, wird dem Heimteam auch einen ordentlichen Schub geben.

Für Marc Marquez stellt Spielberg neben Portimao die einzige WM-Strecke dar, auf der er einem Sieg noch hinterherfährt. Auch diesmal wird es nicht klappen. Zwar fällt in Österreich die Schwäche von Honda am Vorderrad aufgrund der niedrigen Kurvengeschwindigkeit nicht ins Gewicht, das Motorrad hat aber nicht genug Druck im Kessel. Und selbst wenn ihm die Sommerpause mehr half, als den anderen Fahrern, fehlt Marquez diese gnadenlose Fitness vergangener Jahre. Der Red Bull Ring mit seinen brutalen Bremspunkten fordert zudem seinen wunden Punkt an der Schulter enorm. Es geht immer wieder rechts, rechts, rechts.

Marc Marquez konnte in Spielberg noch nie gewinnen, Foto: Ducati
Marc Marquez konnte in Spielberg noch nie gewinnen, Foto: Ducati

Ich gehe davon aus, dass es nach den beiden Spielberg-Wochenenden in der WM wieder ganz eng hergehen wird. Denn dass Yamaha in Österreich um das Podest mitfahren kann, glaube ich nicht. Mein Tipp: Der Sieg wird zwischen Rot und Orange ausgemacht.

August "Gustl" Auinger ist die österreichische Motorrad-Legende schlechthin und Riding Coach des Red Bull Rookies Cup. In der MotoGP-Saison 2021 analysiert er als Experte für ServusTV die Rennen live aus der Boxengasse.