Pünktlich am ersten Tag der mehr als fünfwöchigen MotoGP-Sommerpause platzte die Bombe. Maverick Vinales erfüllt das letzte Jahr seines Yamaha-Vertrages nicht und verlässt den japanischen Hersteller mit Saisonende 2021. Sein Ziel schien zu diesem Zeitpunkt bereits klar. Ein Deal zwischen Vinales und Aprilia galt als beschlossene Sache, nur die offizielle Bestätigung schien zu fehlen.

Auf diese Bestätigung warten wir nun aber bereits über eine Woche. Irgendwo scheint es also noch Ungereimtheiten zu geben. Finanzielle Belange gelten dabei als unwahrscheinlich. Denn Vinales geht es momentan nicht um Geld. Wäre dem so, hätte er Yamaha nicht verlassen dürfen, immerhin kassiert er dort nach Marc Marquez das zweithöchste Gehalt in der MotoGP.

Viel eher dürften sich für Vinales andere Optionen aufgetan haben. Das VR46-Team galt bald als eine davon. Vinales sollte dort über aktuelles Ducati-Material verfügen und somit ein konkurrenzfähiges Paket vorfinden. Allerdings sieht sich der hochtalentierte Katalane als Fahrer in einem Werksteam und nicht in einem Kundenrennstall. Das viel größere Problem könnte sich aber noch im VR46-Projekt auftun. Denn der verkündete Sponsoringdeal mit der staatlichen saudi-arabischen Ölfördergesellschaft Aramco scheint möglicherweise doch nicht so sicher zu sein. Gerüchten zufolge könnte Rossi zum Spielball in einem Kräftemessen innerhalb des Königshauses geworden sein. Prinz Abdulaziz bin Abdullah Al Saud verkündete, den Deal über sein Unternehmen 'Tanal Entertainment Sport & Media'. Der Konzern 'Aramco' fällt allerdings nicht unter seine Befugnis. Das Öl-Unternehmen soll den Deal mit VR46 mittlerweile gegenüber MotoGP-Promoter Dorna sogar bestritten haben.

Mittlerweile kommen im Paddock aber auch Vermutungen auf, dass die Verwirrung um den Aramco-Deal ein bewusster Schachzug aus Saudi-Arabien sein könnten, um die Verpflichtung eines großen Fahrers zu garantieren. Prinz Abdulaziz machte keinen Hehl daraus, dass er sich Valentino Rossi als Pilot im eigenen Team wünschen würde. Dieser Wunsch wird aber wohl unerfüllt bleiben, Rossis Karriereende gilt als praktisch fix. Vinales wäre grundsätzlich eine Alternative, soll aber eben vom Satellitenstatus wenig begeistert sein. Ducatis Interesse an ihm ist aber nach wie vor ungebrochen, seit man ihn im Winter 2019/2020 von Yamaha loseisen wollte.

MotoGP-Talk: Warum warf Maverick Vinales bei Yamaha hin? (37:56 Min.)

Unser ausgezeichnet informierter spanischer Kollege Manuel Pecino bringt deshalb in seinem Podcast 'The Pecino Report' eine spannende Konstellation ins Spiel. Vinales könnte Francesco Bagnaia im Ducati-Werksteam ersetzen, Bagnaia würde dafür ins VR46-Team zurückkehren, für das er ja bereits drei Saisons in Moto3 und Moto2 bestritten hat. Diese Variante darf aber als eher unwahrscheinlich betrachtet werden.

Vinales dritte Option wäre ein Wechsel zurück ins Suzuki-Lager. Dort ist man mit Joan Mir und Alex Rins zwar eigentlich bereits für 2022 bestückt, aber ein spektakulärer Tausch wäre möglich: Rins zu Yamaha, Vinales zu Suzuki. Monster Energy, das als Geldgeber in beiden Teams fungiert, soll über einen derartigen Deal grübeln. Die endgültige Entscheidung liegt freilich nicht beim Sponsor, sondern bei den Herstellern. Fakt ist: Vinales würde liebend gerne zu Suzuki zurückkehren, wo er die ersten beiden Jahre seiner MotoGP-Karriere bestritten hat. Und Alex Rins hat sich durch eine desaströse Performance in den vergangenen Wochen nicht gerade beliebt gemacht.

Wo auch immer es Vinales hinzieht - Yamaha wird 2022 wohl insgesamt zwei neue Fahrer brauchen, um ihn und Rossi zu ersetzen. Der Aufstieg von Franco Morbidelli ins Werksteam gilt als beschlossene Sache, nachdem Miguel Oliveira ein derartiges Angebot abgelehnt hat und lieber bei KTM bleibt. Somit wären zwei Plätze im Petronas-Rennstall zu haben.

Anwärter dafür gibt es genügend: Xavi Vierge und Jake Dixon fahren für Petronas in der Moto2. Sportlich konnten beide bislang nicht überzeugen. Dixon kommt aber die britische Staatsbürgerschaft zugute, da aktuell kein Fahrer aus dem Vereinigten Königreich im MotoGP-Grid steht. Dennoch muss er zumindest einigermaßen brauchbare Resultate liefern. Die hat Raul Fernandez bereits abgeliefert und soll von Yamaha bereits einen Dreijahresvertrag vorgelegt bekommen haben: Ein Jahr bei Petronas, dann im Fall von guten Leistungen Aufstieg und zwei Jahre im Werksteam. Auch Aprilia soll an KTM-Mann Fernandez herangetreten sein. Der österreichische Hersteller beklagte sich deshalb bi den MotoGP-Granden über die Wild-West-Methoden am Transfermarkt, woraufhin die Angebote wohl zurückgezogen wurden. Fernandez könnte nun entweder ein weiteres Jahr in der Moto2 fahren oder doch den MotoGP-Aufstieg mit Tech3 wagen.

Maverick Vinales löst Chaos am MotoGP-Fahrermarkt aus (16:31 Min.)

Wer bleibt noch? Garrett Gerloff fährt für Yamaha eine starke WSBK-Saison, auch ihm kommt sein Reisepass zugute. Die USA sind immer noch einer der wichtigsten MotoGP-Märkte. Laut 'Sky Italia' soll Yamaha aber auch ein Auge auf einen von Gerloffs Superbike-Konkurrenten geworfen haben. Niemand geringerer als Serienweltmeister Jonathan Rea steht demnach auf der Wunschliste. Dass Rea mit dann 35 Jahren tatsächlich noch einmal die Chance in der Königsklasse bekommt, scheint aber auch eher unwahrscheinlich. Denn im praktisch gleichen Alter ist möglicherweise auch ein dreifacher MotoGP-Vizeweltmeister zu haben: Andrea Doviziosos Weg zu Aprilia schien vorgezeichnet, könnte nun im Fall einer Vinales-Verpflichtung aber doch versperrt sein. Doviziosos Manager Simone Battistella soll bereits mit Petronas gesprochen und dem Team sowie Yamaha seinen Schützling schmackhaft gemacht haben.

Man sieht, die Transfersaison 2021 ist die vielleicht verrückteste der MotoGP-Geschichte. Aktuell wird viel spekuliert, doch die Bestätigungen werden schon in den nächsten Wochen eintrudeln. Und dann gilt: Erwarten Sie das Unerwartete!