Als dominante Sieger des MotoGP-Finales in Portimao 2020 waren Miguel Oliveira und KTM als Mitfavoriten auf den WM-Titel in die Saison 2021 gegangen. Die Ernüchterung folgte aber auf den Fuß. Unter anderem durch eine neue Reifenpalette von Michelin kam man zu Beginn des neuen Jahres nicht auf Touren - weder bei den Testfahrten noch später in den ersten Rennen.

Vor allem für Oliveira waren die ersten fünf Events der laufenden Saison ein echtes Debakel. Er sammelte gerade einmal neun WM-Punkte und lag nur auf dem 20. Rang der Gesamtwertung. Ein im Montagstest nach dem Spanien-Grand-Prix in Jerez erprobtes und für gut befundenes neues Chassis kam dann aber in Mugello erstmals an einem Rennwochenende zum Einsatz und stellte die Saison von KTM auf den Kopf.

Seither hat Oliveira einen zweiten Platz in Mugello, einen Sieg in Barcelona und einen weiteren zweiten Platz am Sachsenring gesammelt. 65 Punkte also in drei Rennen und somit immerhin 14 mehr als WM-Leader Fabio Quartararo. Kein Wunder, dass Oliveira und KTM nun wieder als mögliche Titelanwärter gesehen werden. "Wenn sich Chancen ergeben, dann müssen wir sie nützen. Am Ende rechnen wir dann ab", gab sich der Portugiese am Sonntag pragmatisch, als er auf seine WM-Ambitionen angesprochen wurde.

Wir wühlen uns deshalb etwas durch die MotoGP-Statistik und sehen uns an, wie realistisch ein Titelgewinn für Oliveira ist. Die Ausgangslase: Elf Rennen sind, so Corona will, in der Saison 2021 noch zu fahren. 57 Punkte fehlen Oliveira aktuell auf Spitzenreiter Quartararo. In unserem Geschichtsbuch müssen wir nicht weit zurückblättern, um eine Aufholjagd in dieser Dimension zu sehen. Elf Rennen vor Saisonende 2020 lag Joan Mir 48 Punkte hinter einem gewissen Fabio Quartararo. Am Ende wurde Mir Weltmeister und Quartararo lag 44 Zähler zurück. 92 Punkte Unterschied hatten diese elf Grands Prix also gemacht.

2017 holte Marc Marquez in elf Rennen 53 Punkte auf Maverick Vinales auf, von Saisonlauf drei bis zum 18. und letzten waren es sogar 105. Am Ende ging der WM-Titel ganz klar an Marquez, Vinales musste sich mit dem dritten Rang begnügen.

Beispiele für geglückte Aufholjagden in der MotoGP gibt es also. Behält Quartararo seine Form aus den ersten acht Saisonrennen bei, wird es für Oliveira aber dennoch schwer, den Franzosen abzufangen. Denn abgesehen vom Auftakt in Katar stand Quartararo nur zwei Mal nicht auf dem Podium: In Jerez bremsten ihn Armpump-Probleme, in Barcelona die offene Lederkombi. Beide Male wäre er siegfähig gewesen. In dieser Verfassung sind große Sprünge gegen 'El Diablo' kaum möglich.

Was Oliveira aber Mut machen könnte: Yamaha scheint im Entwicklungsrennen der MotoGP auch 2021 wieder ins Hintertreffen zu geraten. Wie Urgestein Valentino Rossi am Sonntag verriet, rechnet man im Laufe des Jahres mit keinen wirklichen Updates mehr. Höchstens der Misano-Test im September könnte noch Fortschritte bringen, doch aktuell liegt das Test-Team rund um Cal Crutchlow wieder einmal brach. Kein Vergleich zu KTM, wo ständig mit vollem Einsatz an der Weiterentwicklung der RC16 gearbeitet wird. Es wäre keine Überraschung, wenn Yamaha erneut eine sichergeglaubte WM aus den Händen gibt.