Der Sachsenring bleibt fest in der Hand seines jahrelangen Herrschers. Dafür sorgte Marc Marquez am Sonntag mit seinem elften Sieg in Folge beim Deutschland-GP. Sein erster Sieg seit dem Saisonfinale 2019 war einer der emotionalsten seiner Karriere, krönte dieser Erfolg doch seinen steiniges Comeback, für das er nun seit fast einem Jahr kämpft. Wie konnte es nach zuletzt drei Ausfällen in Folge zu einer derartigen Leistungssteigerung kommen? Das MotoGP-Rennen in der ausführlichen Analyse.

Marc Marquez triumphiert am Sachsenring: Glück des Tüchtigen (12:34 Min.)

Guter Start als Grundstein

Im Qualifying hatte Marc Marquez nach zehn Pole Positions in Folge auf dem Sachsenring zum ersten Mal seit 2009 das Qualifying nicht gewonnen. Hinter Johann Zarco, Fabio Quartararo, Aleix Espargaro und Jack Miller konnte Marquez nur vom 5. Startplatz ins Rennen gehen. Doch bereits auf den ersten Metern drängte er sich in die Spitze und reihte sich in der ersten Kurve hinter Espargaro ein. Am Ende der 1. Runde lag er sogar in Führung und gehörte damit zu den großen Gewinnern der Startphase. Aus den ersten vier Reihen schaffte niemand einen besseren Start als Marquez.

Gewinner & Verlierer der 1. Runde

GewinnerP+ VerliererP-
Danilo Petrucci+7 Franco Morbidelli-5
Brad Binder+6 Valentino Rossi-4
Iker Lecuona+5 Francesco Bagnaia-4
Marc Marquez+4 Alex Marquez-4

Lediglich die von P20, P19 und P13 gestarteten KTM-Piloten Danilo Petrucci, Iker Lecuona und Brad Binder gewannen in der 1. Runde mehr Plätze als Marquez. Auf der anderen Seite des Spektrums gehörte Franco Morbidelli zu den großen Verlierern, der auf den letzten Platz zurückfiel und sich bis zum Zieleinlauf nur um einen Rang verbessern sollte. Generell erwischte Yamaha eine miserable Startphase, sodass sich neben Morbidelli auch Maverick Vinales und Valentino Rossi auf den letzten vier Plätzen fanden.

Marquez & Oliveira mit der besten Pace

Das Feld blieb im ersten Rennviertel eng beisammen. Nach den ersten acht Runden lagen fünf Fahrer innerhalb von nur einer Sekunde und die Top-10 innerhalb von 2,4 Sekunden. Es zeichnete sich aber bereits ab, dass Marc Marquez und Miguel Oliveira die beste Pace an diesem Tag hatten.

Schnellste Zeit in jeder der 30 Runden

Fahrer BestzeitenIn Runde
Oliveira 13*Lap 4-5, 12-13, 15-16, 18, 20-25*
M.Marquez 12Lap 1, 3, 6-7, 10-11, 14, 17, 26-29
Bagnaia 4*Lap 9, 19, 21*, 30
Mir 2Lap 2, 8

* - Oliveira und Bagnaia in Lap 21 mit exakt gleicher Zeit

In 25 der 30 Runden war Marquez oder Oliveira der jeweils schnellste Fahrer im gesamten Feld. In den ersten acht Laps war lediglich Joan Mir zweimal schneller als das letztlich siegreiche Duo.

Als der Regen kam

In der 9. Runde begann es über dem Sachsenring leicht zu regnen, weshalb weiße Flaggen geschwenkt wurden. Diese sind das Signal, dass nach Flag-to-Flag-Reglement die Boxengasse zum Motorrad-Wechsel angefahren werden darf. In der Pitlane herrschte plötzlich geschäftiges Treiben, da die Teams die Ersatzmotorräder einsatzbereit machten und für den Rennverlauf waren die folgenden Runden entscheidend.

Rennen Lap 9-11

PFahrer BikeRückstand
1.Marc Marquez Honda
2.Francesco Bagnaia Ducati+0,120
3.Miguel Oliveira KTM+1,088
4.Maverick Vinales Yamaha+1,499
5.Valentino Rossi Yamaha+1,603

Binnen nur drei Runden fuhr Marc Marquez bei sehr leichtem Regen auf alle Fahrer außer Francesco Bagnaia eine volle Sekunde an Vorsprung heraus. In dieser Phase konnten auch die Routiniers wie Maverick Vinales und Valentino Rossi glänzen, während zum Beispiel Aleix Espargaro (+2,217 Sek.) und Johann Zarco (+2,318 Sek.) ihre Podiumshoffnungen früh begraben mussten.

Marquez vs. Oliveira

An der Spitze konnte sich Miguel Oliveira in den Folgerunden von Jack Miller absetzen, wodurch es in der zweiten Rennhälfte zu einem Verfolgungsrennen zwischen der KTM des Portugiesen und der Honda von Marquez kam.

Von der 17. Runde bis zur 25. Runde nahm Oliveira Marquez permanent Zeit ab. Sein Rückstand verringerte sich in diesem Zeitraum von 1,841 auf 0,929 Sekunden. Näher sollte er dem späteren Sieger in diesem Rennen nicht wieder kommen, denn am Ende der 30 Runden betrug Oliveiras Rückstand 1,610 Sekunden. Somit hatte der KTM-Fahrer Marquez von der 12. zur 30. Runde lediglich 0,246 Sekunden abgenommen. "Er hatte das Rennen über die volle Distanz unter Kontrolle", streute Oliveira dem Sachsenring-Sieger Rosen. "Drei Runden vor Schluss konnte er mehr pushen, als ich schon total leer war. Als er wieder eineinhalb Sekunden vor mir lag, entschied ich mich dazu, den zweiten Platz nach Hause zu bringen."

Quartararos Performance

WM-Leader Fabio Quartararo war am Rennsonntag am Sachsenring eine Klasse schwächer als das Top-Duo. Obwohl er von Startplatz zwei eigentlich den besseren Start als Polesitter Johann Zarco erwischte, lag er am Ende der ersten Runde nur auf dem vierten Platz und rutschte zwischenzeitlich bis auf Rang sechs ab. Erst in der 19. Runde konnte er sich auf einen Podestplatz zurückkämpfen.

Seine Pace war zu keiner Zeit ebenbürtig mit jener des Top-Duos. Marquez fuhr fünf Runden unter 1:22,0 Minuten, Oliveira sogar acht. Quartararos beste Rundenzeit war eine 1:22,065 in Runde 14, in der er beispielsweise auf Marquez zweieinhalb Zehntelsekunden einbüßte.

Folgerichtig gab er nach dem Rennen zu: "Diese zwei Jungs waren superschnell heute. Ich wollte einfach nur vor den Ducati auf dem Podium landen. Das ist mir gelungen, obwohl ich Probleme hatte." In der WM baute Quartararo seinen Vorsprung auf seine ersten drei Verfolger Zarco (22 Punkte), Miller (31 Punkte) und Bagnaia (32 Punkte) aus.

Bagnaias Finish

Francesco Bagnaia durchlief im Grand Prix von Deutschland eine Achterbahn. Auf ein schwaches Qualifying (P10) folgte ein Absturz in den ersten Runden des Rennens: In Lap 3 fand sich der Italiener plötzlich nur noch auf dem 16. Rang und damit außerhalb der Punkteränge wieder. Am Ende der 4. Runde hatte er bereits 4,043 seiner 8,591 Sekunden Rückstand, die er im Ziel aufwies, angesammelt.

Ab Lap 11 ging es für Bagnaia aber nach vorne. Er überholte im mittleren Renndrittel Rossi, Lecuona, Nakagami, Rins und Pol Espargaro und in den letzten zehn Umläufen Martin, Zarco Mir, Aleix Espargaro und Miller. Damit war Bagnaia als Fünfter am Ende sogar bester der Ducatisti.

Fazit

Marc Marquez gelang auf seiner Leibstrecke der große Befreiungsschlag, weshalb er im Ziel auch von seinen Emotionen übermannt wurde. Der einstige MotoGP-Dominator kann noch siegen und moralisch ist seine schwere Verletzung somit überwunden. Damit ist klar: Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch sein Körper wieder in Topform ist und man ihn wieder an jedem Wochenende auf der Rechnung haben muss.

Im Hinblick auf die Gesamtwertung hat Miguel Oliveira das Momentum nun auf seiner Seite. In den letzten drei Rennen holte der Portugiese 65 von 75 möglichen Punkten. Dank des umfangreichen Updates von Mitte Mai scheint die KTM nun deutlich vielseitiger, sodass Podien auf so unterschiedlichen Strecken wie Mugello und dem Sachsenring möglich waren. Mit 57 Punkten auf Quartararo scheint der Abstand noch groß, doch nach dem Österreich-Doppel im August könnte die Situation anders aussehen.

Quartararo gab sich am Sachsenring bereits in weltmeisterlicher Manier und legte seine Priorität im Rennen auf die Ducati-Fraktion, die er geschlossen hinter sich lassen konnte. Somit ist der Deutschland-GP für den WM-Leader als klarer Erfolg zu werten. Dass er der einzige Fahrer war, der auf Yamaha im Spitzenfeld mithalten konnte, ist aber kein gutes Zeichen für den Rest der Saison. Bereits im Vorjahr lag Quartararo im Sommer in der WM voran, ehe Yamaha völlig den Faden verlor und Quartararo mit nach unten riss.