In Barcelona durften zuletzt wieder Zuschauer auf die Ränge, auch in Assen und Spielberg werden die Tribünen geöffnet sein. Dass aber ausgerechnet beim Heim-Grand-Prix am Sachsenring keine Fans zugelassen sind, finde ich extrem schade. Die Frage stellt sich natürlich schon, ob diese Maßnahme bei derart großflächigen Outdoor-Events und der gleichzeitig guten Entwicklung der Inzidenzen Sinn ergibt.

Bei einigen Rennen würde ein Fehlen von Zuschauern kaum auffallen, doch gerade der Sachsenring lebt von der Begeisterung der Fans. Als Veranstalter bist du da nur Passagier, letztlich musst du langfristig planen können, zumal die Tribünen hier jedes Jahr extra aufgebaut werden.

Sportlich kommt KTM mit breiter Brust nach Deutschland. Der Sieg von Miguel Oliveira in Barcelona hat sich ja schon in Mugello abgezeichnet. Mit den heißeren Temperaturen haben die Oberösterreicher den Turnaround geschafft, die Reifen-Allocation passt jetzt besser, auch technisch hat man einiges weitergebracht. KTM kann sich selbst auf die Schulter klopfen, so schnell reagiert zu haben, was Honda mit einem ähnlichen Konzept nicht gelungen ist.

Nach dem ersten Drittel der WM kann man schon eine Linie ziehen und feststellen, dass Yamaha eine gute Entwicklung genommen hat, was die Fahrbarkeit und Balance betrifft. Bei Ducati zeigt Zarco die Konstanz, die Werksfahrer Bagnaia und Miller haben den Speed. Suzuki schätze ich ähnlich ein wie im letzten Jahr, wage aber zu behaupten, dass es nicht mehr reicht, weil die anderen aufgeholt haben. Aprilia hat ebenfalls einen Schritt nach vorne gemacht, Honda hingegen nicht.

Und der WM-Führende Fabio Quartararo ist in Barcelona mit einem blauen Auge davongekommen. Dem Franzosen hätte man die schwarze Flagge zeigen müssen, die Sicherheitskleidung ist schließlich der einzige Schutz, den die Fahrer haben. Die Rennleitung lag da aber wohl gedanklich am Strand von La Barceloneta. So heroisch die Bilder mit der offenen Lederkombi ausgesehen haben, kann das auch ganz anders ausgehen.

Quartararos Lederkombi defekt: Warum keine Disqualifikation?: (11:54 Min.)

Aber so büßte der Yamaha-Pilot nur ein paar Punkte auf die Konkurrenz ein und bleibt Stand jetzt der Favorit auf den Titel. Quartararo überzeugt mich in diesem Jahr auch auf der mentalen Ebene, fährt jedes Wochenende auf Pole Position und ist im Rennen immer in den Top-5. Der Fahrer, das Team, das ganze Paket verfügt über alles, was es braucht. Und mittlerweile hat er sich teamintern den Nummer-eins-Status erarbeitet.

Am Sachsenring lief es für Yamaha zudem meistens sehr gut. Der Kurs, der eigentlich keine MotoGP-Strecke ist, hat eine einzigartige Charakteristik. Man fährt sehr viel auf der Flanke, so erfolgt nach der Ausfahrt Omega die mit über 360 Grad längste Linkskurve im gesamten Rennkalender. Und es gibt praktisch keinen Vollgasanteil, überholen ist auch nicht leicht.

Es geht hier jedoch ohnehin um Fahrbarkeit, um Grip und darum, eine gute Balance zu finden, was Yamaha entgegenkommen würde. Nur hieß ihr Problem jedes Jahr Marc Marquez. Unfassbare zehn Mal am Stück konnte der Spanier den Großen Preis von Deutschland gewinnen, davon die letzten sieben Rennen in der MotoGP.

Ich denke, wir werden dieses Wochenende zum ersten Mal wieder sein volles Potenzial sehen. Es geht linksrum, da hat er nach der Verletzung auch weniger Probleme. Beim Test in Barcelona hat sich der achtfache Weltmeister mit den meisten absolvierten Runden schon voll reingehauen. Man merkt, er will es im Kopf, nur der Körper und das Bike machen nicht mit. Aber wenn ein Marc Marquez einmal da ist, wirst du ihn nicht mehr los.

Alex Hofmann ist ehemaliger deutscher Motorradrennfahrer und TV-Moderator. In der MotoGP-Saison 2021 ist er als Experte und Kommentator für ServusTV live im Einsatz.