Als Marc Marquez nach neun Monaten Verletzungspause, in denen sogar ein Ende seiner Karriere drohte, sein MotoGP-Comeback in Portimao gab schien er mit P6 im Qualifying und dem siebten Rang im Rennen auf dem besten Weg zurück zu alter Stärke. Diese Resultate nach einer derart langen Abwesenheit auf einer der schwierigsten Strecken im Kalender, die Marquez noch dazu noch nie mit einem MotoGP-Bike befahren hatte, waren definitiv ein sehr positives Signal.

Was damals aber kaum jemand gedacht hätte: Es sollten Marquez beste Ergebnisse für lange Zeit sein. Denn seither ging es für den einstigen MotoGP-Dominator konstant bergab. In Jerez reichte es nach einem heftigen Trainingscrash immerhin noch zu Rang neun im Rennen. Im Frankreich-GP warf Marquez seine Honda gleich zwei Mal weg, konnte bei Mischbedingungen aber zumindest um die Spitzenpositionen kämpfen. Am vergangenen Wochenende in Mugello war er hingegen nur ein Schatten seiner selbst. In den Trainings schaffte er es nie in die Top-Ten, im Qualifying reichte es nur zu P11 und das Rennen dauerte für Marquez keine zwei Runden.

Was ist los mit dem Ausnahmekönner? Der gebrochene rechte Oberarm macht keine Probleme mehr. Die eingesetzte Platte hält den Knochen bombenfest zusammen, stört ihren Besitzer nicht und soll deshalb auch dauerhaft im Körper bleiben. Sorgen bereitet Marquez aber die angrenzende Schulter. An der musste er sich nach wiederholten Luxationen im Winter 2019/2020 operieren lassen. Bis zum verspäteten Saisonstart 2020 schien die Heilung abgeschlossen und Marquez konnte seine Honda RC213V wie gewohnt fahren, wie sein überragender Speed beim ersten Rennen in Jerez zeigte.

Marc Marquez mit Schulterproblemen seit Zwangspause

Die vielen Monate der Ruhigstellung nach dem Oberarmbruch und dem voreiligen Comeback scheinen der Schulter aber zugesetzt zu haben. Wo genau das Problem liegt, wissen Marquez und sein Team selbst noch nicht. Nach dem Katalonien-GP am kommenden Wochenende unterzieht sich der achtfache Weltmeister wieder einem intensiven Check in Madrid. "Dort wollen wir herausfinden, was mit der Schulter los ist", verrät Marquez. Im Anschluss an diese Untersuchung kann er im Idealfall auch die Antibiotika absetzen, die er seit der dritten Operation Anfang Dezember einnehmen muss um die an der Bruchstelle eingenisteten Bakterien zu bekämpfen.

MotoGP-Q&A: Was läuft bei Honda schief? (08:29 Min.)

Das wäre ein wichtiger Schritt für Marquez, der zuletzt wiederholt gestand, dass ihm ein halbes Jahr Antibiotikumstherapie mittlerweile mächtig zu schaffen macht. Tatsächlich wirkt der sonst stets topfitte und mental messerscharfe Ausnahmekönner seit seinem Comeback oft etwas matt, erschöpft und auf der Strecke oft auch unkonzentriert. Zuletzt etwa am Sonntag in Mugello, als er zunächst im Warm-Up um ein Haar ins Heck von Francesco Bagnaias Ducati krachte und später in der zweiten Rennrunde im Zweikampf mit Brad Binder die Position des Südafrikaners völlig falsch einschätzte. "Es war meine Schuld", musste Marquez als bester MotoGP-Zweikämpfer der letzten Jahre im Anschluss gestehen.

Marc Marquez im Notfallmodus

Der 28-Jährige befindet sich aktuell in einer körperlichen und mentalen Verfassung, in der MotoGP-Sport für ihn eigentlich nur wenig Sinn hat. Denn um Spitzenpositionen kann er unter normalen Bedingungen aktuell nicht kämpfen. Tatsächlich war nach dem Spanien-GP eine erneute Pause eine Option. Die Ärzte versicherten Marquez aber, dass das Fahren seines Arbeitsgeräts entscheidend für eine schnellstmögliche Heilung ist. "Ich muss geduldig sein", wiederholt Marquez seit seinem Comeback gebetsmühlenartig. Dass ausgerechnet Geduld seine größte Schwäche ist, ist seit Jahren bekannt und wurde von Marquez selbst zuletzt unter Beweis gestellt.

Zielankünfte im Mittelfeld sind für ihn aktuell das höchste der Gefühle. Doch damit kann sich ein Champion wie Marquez nicht abfinden. Genau das macht ihn zu einem der besten Motorradrennfahrer der Geschichte. Die Verletzungspause war für Marquez wahnsinnig hart, die nächsten Monate werden aber nicht einfacher. Denn es wird viel mentale Stärke brauchen, um sich für eine Weile auf etwas einzustellen, das Marc Marquez nie war: Mittelmaß.