Die Motorenentwicklung war über die MotoGP-Winterpause 2020/2021 aufgrund der Corona-Krise eingefroren. In allen anderen Bereichen haben die Hersteller aber offensichtlich auf Hochtouren gearbeitet. Tag für Tag bekamen wir am Losail International Circuit spannende Updates zu sehen. Motorsport-Magazin.com zeigt und analysiert die aufregendsten davon:

Ducati: Dall'Igna zaubert wieder

Für Schlagzeilen beim Wintertest sorgte - wie soll es anders sein - wieder einmal Ducati. Mastermind Gigi Dall'Igna konstruierte mit seinem Ingenieursteam ein Aerodynamik-Layout, das wir so in der MotoGP bislang noch nicht gesehen haben. Direkt hinter dem Vorderrad sind im unteren Bereich der Verkleidung nach außen gewölbte Öffnungen angebracht, die die Luft von dort nach innen und unten ableiten. Wozu?

Darüber zerbricht seit einigen Tagen die MotoGP-Welt den Kopf. Die mittlerweile am weitesten verbreitete These ist gleichzeitig die faszinierendste: Ducati könnte den heiligen Gral der Motorrad-Aerodynamik gefunden haben und mit den neuen Bauteilen erstmals an einer Rennmaschine den aus der Formel 1 bekannten Ground-Effect erzielen.

Zweiter MotoGP-Testtag: Neue Teile, Stürze und Wortgefechte: (10:53 Min.)

Was bedeutet das? Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten, um an einem Auto oder Motorrad Anpressdruck zu erzeugen. Die bekannteste und einfachste Variante: Flügel. Diese sind ja seit einigen Jahren in der MotoGP weit verbreitet und erfüllen ihren Zweck, haben aber einen klaren Nachteil. Mit größeren und steileren Flügeln generiert man zwar mehr Downforce, gleichzeitig aber auch mehr Luftwiederstand, was sich natürlich negativ auf die Spitzengeschwindigkeit auswirkt. Über den Ground-Effect kann man hingegen viel Downforce bei vergleichsweise geringem Luftwiderstand erzeugen.

Erreicht wird das über den sogenannten Venturi-Effekt. Einfach erklärt: Wenn ein Luftstrom eine Verengung passiert, müssen die Moleküle schneller hindurchströmen, was zu einem Unterdruck führt. Diese Engstelle kann - so die Theorie - Ducati zwischen den Öffnungen an der Verkleidung und der Streckenoberfläche erzeugen. Möglich ist das durch die extremen Schräglagen von bis zu 64 Grad, welche moderne MotoGP-Bikes erreichen können.

Im markierten Bereich soll die Ducati den Ground-Effect erzeugen, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
Im markierten Bereich soll die Ducati den Ground-Effect erzeugen, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com

Beweise für dieses Konzept gibt es freilich noch keine, allerdings einige Indizien. Jack Miller sprach bei den ersten Tests mit der neuen Verkleidung von einem deutlich verbesserten Gefühl für das Vorderrad, was mehr Bodenhaftung in den Kurven nahelegt. Diese wiederum lässt sich aerodynamisch fast nur durch den angesprochenen Ground-Effect erzielen, da gewöhnliche Flügel an einem Motorrad ab gewisser Schräglage nicht mehr wie gewünscht senkrecht nach unten wirken. Weiter gestützt wird die Theorie von den wie gewohnt überragenden Topspeedwerten der Ducati, die aufgrund eingefrorener Motoren mit einem Ausbau der gewöhnlichen Aerodynamik wohl nur schwer zu bewerkstelligen wären. Honda und Aprilia verloren im Vergleich der Katar-Tests 2020 und 2021 1,3 beziehungsweise vier km/h gegenüber Ducati. KTM konnte trotz freier Motorentwicklung (eine Ausnahme aufgrund des Concession-Reglements, Anm.) nur 0,3 Stundenkilometer gewinnen, die von einer sehr niedrigen Basis ausgehenden Suzukis und Yamahas 0,9 beziehungsweise 1,6 km/h.

Ein netter Bonuseffekt von Ducatis Öffnungen an der Front: Die anströmende Luft müsste aufgrund der Form der Kanäle gezielter in Richtung des Schwingenspoilers geleitet werden, um auch dort mehr Anpressdruck zu generieren. Eine Idee, die man ja schon zuvor mit der Einführung von Vorderradabdeckungen und aerodynamischen Gabeln verfolgt hatte.

Der Pfeil markiert den Luftstrom an den Schwingenspoiler, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
Der Pfeil markiert den Luftstrom an den Schwingenspoiler, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com

Yamaha: Zwei Fliegen mit einer Klappe?

Yamaha stürzte im Vorjahr nach dominanten Auftritten in den ersten Saisonrennen völlig ab und blieb trotz sieben Siegen am Ende ohne Titel. Das war aber kaum Schuld der Fahrer, sondern lag viel mehr an den extremen Performance-Schwankungen der M1. Bei gutem Grip und passendem Streckenlayout konnten die Yamaha-Piloten das Geschehen an der Spitze diktieren. Spielten ihnen die Verhältnisse aber nicht in die Karten und mussten sie sich im direkten Duell gegen Rivalen anderer Hersteller zur Wehr setzen, gingen Quartararo, Vinales & Co. regelmäßig baden. Schwacher Topspeed zwang die Yamaha-Stars dazu, Zeit und Positionen mit extrem harten Bremsmanövern gutzumachen. Das sorgte oft für zu hohe Reifentemperatur am Vorderrad, was wiederum zu hohen Luftdruck und massive Probleme in der Fahrbarkeit der Maschine bedingte.

Dem versucht Yamaha nun mit einer Lösung an gleich zwei Fronten entgegenzuwirken. Diese spielt sich komplett im Bereich des Vorderrades ab, wo man nach Vorbild von Ducati Abdeckungen an den Bremsscheiben und der Gabel anbrachte, um einen saubereren Luftstrom zu ermöglichen. Völlig neu ist aber die Gestaltung des Kotflügels. Dieser weist am oberen Ende eine große Öffnung auf, durch die der Reifen ragt. MotoGP-Pitlanereporter Simon Crafar zog einen optischen Vergleich zu einem Mann mit sich ausbreitender Glatze.

Der Luftstrom kann den Kotflügel nach oben hin in Richtung Kühler verlassen, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
Der Luftstrom kann den Kotflügel nach oben hin in Richtung Kühler verlassen, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com

Die Öffnung sorgt zum einen für weniger Hitzestau unter dem Kotflügel, was den Temperaturproblemen entgegenwirken soll. Gleichzeitig kann so mehr Luft in Richtung des dahinter befindlichen Kühlers strömen, was zumindest in der Theorie etwas mehr Motorleistung bringen sollte und die M1 somit auf den Geraden etwas weniger angreifbar machen würde. Die Fortschritte im Topspeed beim Katar-Test sind ein erstes Anzeichen für eine positive Entwicklung diesbezüglich.

MotoGP-Test: Dreifachführung und spannende Updates bei Yamaha: (10:17 Min.)

Holeshot-Devices: Der schnellste Schuss

Gute Starts sind in der immer enger zusammenrückenden MotoGP wichtiger denn je. Holeshot-Devices, die mittels einer Absenkung des Motorrads für weniger Wheely und bessere Beschleunigung sorgen, sind daher seit 2019 vermehrt im Einsatz. Die zunächst noch recht simplen Lösungen wurden nach und nach immer komplexer. Konnte zu Beginn je nach Hersteller nur Front oder Heck abgesenkt werden, zeigten Ducati, Honda, KTM und Aprilia beim Katar-Test nun Vorrichtungen, welche dies an beiden Enden des Motorrads ermöglichen. Bei Suzuki und Yamaha läuft man hier noch hinterher.

Bei den Startversuchen in Katar waren ungewöhnliche Burnouts zu sehen, Foto: LAT Images
Bei den Startversuchen in Katar waren ungewöhnliche Burnouts zu sehen, Foto: LAT Images

Fraglich ist allerdings, ob die vollwertigen Holeshot-Devices schon wirklich rennfertig sind. Bei den Startversuchen am Losail International Circuit waren immer wieder heftige, unbeabsichtigte Burnouts zu sehen, die im Grand Prix definitiv mehr Zeit und Positionen kosten würden, als man mit einem etwas besseren Start gewinnen könnte.