In zwei Monaten, am 28. März, soll am Losail International Circuit in Katar das erste MotoGP-Rennen des Jahres über die Bühne gehen. Anfang des Monats sind dort fünf Testtage geplant. Nicht mehr viel Zeit also, bis die Saison 2021 Fahrt aufnimmt. Und dennoch weiß man bei Honda immer noch nicht, wer denn bei diesen Events auf der zweiten Repsol Honda neben Pol Espargaro sitzen soll.

Dass es schon zum Saisonstart zur Rückkehr von Marc Marquez kommt, ist praktisch ausgeschlossen. Er hat nach seiner dritten Oberarm-OP innerhalb von fünf Monaten erst vor kurzem wieder mit leichtem Ausdauer- und Krafttraining begonnen. Auf einem Motorrad gesessen ist Marquez seit dem 25. Juli nicht mehr. Dementsprechend weit ist er davon entfernt, sein MotoGP-Comeback zu geben.

Wie lange der Dominator der letzten Jahre genau ausfallen wird, lässt sich aktuell aber kaum einschätzen. Eine Rückkehr im Frühsommer könnte realistisch sein. Kommt es zu weiteren Komplikationen, ist aber auch ein weiterer Totalausfall für 2021 möglich. Diese Ungewissheit bringt Honda in eine höchst angenehme Situation. Denn je nach Anzahl der von Marquez verpassten Rennen ändern sich die Anforderungen und Bedürfnisse von HRC.

Verpasst Marquez nur wenige Grands Prix, ist Stefan Bradl der logische Ersatz. Er machte seine Sache vor allem in den letzten sechs Saisonrennen 2020 sehr gut. In diesem Zeitraum gelangen ihm 27 Punkte mit dem siebten Platz beim Finale in Portimao als Höhepunkt. Die Formkurve des Deutschen stimmt also. Er kennt die Honda RC213V außerdem wie seine Westentasche. Nicht unwichtig, bedenkt man die Anlaufschwierigkeiten der jüngsten Neuankömmlinge wie Jorge Lorenzo oder Alex Marquez. Bradl wäre also die sichere Wahl als Marquez-Ersatz in den ersten Wochen oder Monaten der Saison.

MotoGP: Dovizioso statt Marquez bei Honda? So kann es klappen (07:51 Min.)

Kritisch wird es allerdings, wenn Marquez 2021 erneut komplett ausfällt. Denn dann würde Bradl durch die Doppelrolle als Renn- und Testfahrer im zweiten Jahr in Folge an seine Belastungsgrenzen geraten. Das Programm, welches er 2020 abspulen musste, war brutal. Back-to-Back-Wochenenden mit einem dazwischen eingeschobenen Zweitagestest sorgten bei ihm dann schon einmal für acht Einsätze innerhalb von zehn Tagen.

Will man das vermeiden - was doch sehr ratsam scheint - braucht es einen Vollzeitersatzfahrer, der keine Aufgaben als Testpilot erfüllen muss. Hier kommt eigentlich nur Andrea Dovizioso in Frage, der sich 2021 ja eine MotoGP-Auszeit gönnen wollte. Der soll grundsätzlich interessiert sein, aber nur im Fall einer Garantie auf die volle Saison. Die kann Honda Dovizioso aber nur geben, wenn man weiß, dass Marquez 2021 keine Rennen mehr fahren kann. Diesbezüglich schon vor Saisonstart eine sichere Prognose zu erhalten, scheint unmöglich. Beginnt Dovizioso die Saison für Repsol Honda und kommt Marquez doch zurück, muss man entweder 'Dovi' vor die Tür setzen oder Marquez vorübergehend in einem eigens installierten Team parken. Diese Idee geistert seit Wochen durch das MotoGP-Paddock - ob sie umsetzbar ist, weiß nur HRC selbst.

Eine Komponente, die hierbei nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist der persönliche Stolz von Marc Marquez. Er hat für Honda sechs der letzten acht MotoGP-Titel gewonnen. Plötzlich von seinem größten Rivalen der letzten Jahre ersetzt und in ein Privatteam abgedrängt zu werden, dürfte dem Superstar ganz und gar nicht schmecken. Klar ist: Honda wird alles versuchen, um seinen Goldjungen auch weiterhin zufriedenzustellen.

Marc Marquez war jahrelang Hondas Erfolgsgarantie, Foto: MotoGP
Marc Marquez war jahrelang Hondas Erfolgsgarantie, Foto: MotoGP

Apropos Gold: Ein Ersatzfahrer wie Andrea Dovizioso will natürlich auch bezahlt werden. Der dreifache MotoGP-Vizeweltmeister weiß um seinen Wert und fordert dementsprechend ein beachtliches Gehalt. Zum Nulltarif fährt freilich auch ein Stefan Bradl nicht. Er würde Honda allerdings definitiv deutlich weniger kosten als sein italienischer Kollege. Ein Faktum, das in der angespannten wirtschaftlichen Lage eine Überlegung sein wird.

Stefan Bradl: Gedanken an Vollzeitcomeback

Die Lust auf das Rennfahren hat Stefan Bradl jedenfalls nicht verloren. Ganz im Gegenteil: Die guten Resultate gegen Saisonende 2020 sorgten bei ihm für Überlegungen, im Alter von 31 Jahren noch einmal das Comeback als Stammfahrer zu wagen. "Ehrlich gesagt habe ich zuletzt schon darüber nachgedacht", meinte er beim Finale in Portimao, als ihn Motorsport-Magazin.com auf diese Möglichkeit ansprach. "Das Problem ist aber, dass nicht wirklich ein Platz frei war. Ich möchte in der MotoGP bleiben. Die Superbike-WM ist für mich aktuell keine Option, denn ich habe es dort ein Jahr versucht, aber ich fühle mich auf Prototypen einfach viel wohler." Nun könnte eben doch ein Platz frei werden, noch dazu im erfolgreichsten Team der MotoGP-Geschichte.