Joan Mir (23)

Dass man erst im Alter von 18 Jahren sein WM-Debüt feiert, ist für einen Fahrer aus Spanien eher ungewöhnlich. Auch der Weg über den Rookies Cup ist - im Gegensatz zu Piloten aus anderen Nationen - für Spanier eher die Ausnahme. Doch der Mallorquiner Joan Mir hat genau diesen Weg eingeschlagen und schaffte es damit zum neuen Weltmeister der MotoGP. Was er in seinen frühen Teenager-Jahren verpasst hatte, holte er in der Weltmeisterschaft rasch nach: Erster Moto3-Sieg im 11. Rennen, WM-Titel im zweiten Jahr im Alter von 20 Jahren. Mir holte in der sonst so umkämpften Serie Solosiege mit einigen Sekunden Vorsprung, was seither keinem Moto3-Piloten regelmäßig gelang, und wurde bereits damals für seine hohe Rennintelligenz gelobt. Zehn Siege standen am Ende des Jahres auf seinem Konto - so viele konnte in der kleinsten Klasse zuletzt Marc Marquez 2010 und davor Valentino Rossi 1997 holen. Davide Brivio erkannte Mirs Talent am schnellsten und so hatte der Mallorquiner 2018 bereits nach nur sechs Moto2-Rennen seinen MotoGP-Vertrag mit Suzuki für die Folgesaison in der Tasche. Dass er die Saison ohne Sieg und nur auf dem sechsten Platz der Gesamtwertung beendete, sorgte aber für leichte Sorgenfalten. Diese wurden größer, als Mir im Vorjahr in seiner Rookie-Saison mit Unfällen und Defekten zu kämpfen hatte und sich überdies bei einem Test in Brünn im Sommer schwer verletzte. Eine Lungenquetschung setzte Mir für zwei Rennen außer Gefecht und bescherte ihm bis Saisonende Probleme beim Atmen während der Rennen. 2020 konnte er aber voll durchstarten, holte in Spielberg seinen ersten Podestplatz in der Königsklasse, in Valencia den ersten Sieg und war der einzige Fahrer, der es in dieser Saison regelmäßig auf das Podium schaffte. Wie kein anderer Pilot konnte er auf der geschmeidigen Suzuki GSX-RR die Reifen bis zur letzten Runde auf hohem Niveau halten. Das bringt ihm konstante Ergebnisse und katapultierte ihn im Spätsommer mitten in den Titelkampf. Mit dem Titelgewinn wurde Mir der erste MotoGP-Champion, der sich über den Rookies Cup in die Weltmeisterschaft gekämpft hat.

Franco Morbidelli (26)

Als Valentino Rossi 2014 seine VR46 Riders Academy offiziell ins Leben rief, gehörte Franco Morbidelli zur Startelf. Bereits seit seinem 13. Lebensjahr hatte er auf Rossis Moto Ranch mittrainieren dürfen, mit 19 Jahren war er das älteste der elf italienischen Talente, die damals als "Academy Rider" präsentiert wurden. Für Morbidelli war dieser Zeitpunkt die Rettung einer Karriere, die es ohne Valentino Rossis Hilfe so nicht gegeben hätte. Denn vier Jahre zuvor fand sich Morbidelli in einer Sackgasse wieder: Der Sprung in die spanische Moto3-Nachwuchsmeisterschaft musste aufgrund mangelnder Finanzierung abgeblasen werden. Bis heute der schwierigste Moment seiner Rennfahrerkarriere: "Mit 15 Jahren musste ich mir eine Alternative suchen und auf deutlich günstigere Motorräder umsteigen. Ich hatte nur zwei Optionen: Entweder auf 600cc Superstock-Maschinen auszuweichen oder das Rennfahren komplett aufzugeben." Fernab der Augen der MotoGP-Teamchefs ackerte sich Morbidelli durch die Superstock-Meisterschaften, in denen er sich 2013 schließlich zum Europameister krönen sollte. Unter den Fittichen von Mentor Rossi und seiner Akademie waren die finanziellen Sorgen von einst ab 2014 vergessen und Morbidelli konnte sich endlich zu einhundert Prozent auf das Rennfahren konzentrieren. In der Moto2 arbeitete er sich vom Italtrans-Team zum renommierten Rennstall von Marc VDS hoch, sein Podest- und Punktekonto stieg von Jahr zu Jahr an und 2017 gelang ihm schließlich der große Wurf: Als erster Fahrer aus der VR46 Riders Academy holte Morbidelli einen WM-Titel und stieg anschließend in die MotoGP auf. Dort musste er ein hartes erstes Lehrjahr absolvieren. Neben einer zickigen Honda setzte ihm eine Verletzung sowie die Auflösungserscheinungen seines am Ende des Jahres aus der MotoGP ausscheidenden Teams zu. Im Vorjahr brachte ihn das Academy-Management im neuen Petronas-Team unter und prompt wurden Morbidellis Ergebnisse besser. 2020 gelang ihm im dritten Saisonrennen der erste Podestplatz und in Misano letztlich der erste Sieg in der MotoGP-Klasse. Zwei weitere Erfolge und der Rang als Vizeweltmeister sollten folgen. In der kommenden Saison wird er sich sogar mit seinem großen Mentor Valentino Rossi eine Box teilen dürfen.

Fabio Quartararo (21)

Er schien die Speerspitze der neuen Generation und zugleich ihr aussichtsreichster Kandidat für Titel in den kommenden Jahren zu sein. Fabio Quartararo hat sich bereits im Vorjahr seinen Platz in den Geschichtsbüchern der Motorrad-WM gesichert, als er in Jerez als bislang jüngster Fahrer eine Pole Position in der MotoGP erobern konnte. Trotz sieben Podestplätzen im Jahr 2019 musste er auf seinen ersten Sieg bis zu dieser Saison warten. Dort brach er allerdings schon im ersten Rennen den Bann und ließ anschließend zwei weitere Triumphe folgen. Quartararo befand sich mit nur 21 Jahren mitten im Kampf um den Gesamtsieg und war damit endlich dort angekommen, wo ihn viele Paddock-Insider schon in jüngsten Jahren erwarteten. Zwischen 2008 und 2014 holte er sechs Titel in den spanischen Nachwuchsklassen und galt als das größte Motorrad-Talent des Planeten. Auf Initiative von Honda wurde im Winter 2014/15 das Reglement geändert, damit Quartararo 2015 bereits im Alter von 15 Jahren in der Moto3 sein Debüt feiern durfte. Es sollte nur zwei Rennen bis zu seinem ersten Podestplatz und vier bis zur ersten Pole Position dauern. Doch dann ging es steil bergab. Eine Verletzung, zu viele Einflüsterer im Hintergrund und enttäuschte Erwartungen warfen den Teenager in ein Loch, aus dem er Jahre nicht mehr herauskommen sollte. In seinen ersten vier Jahren wechselte er vier Mal das Team, vier Mal das Motorrad und einmal die Klasse. Nichts half und nach zwei punktelosen Rennen der Saison 2018 geriet seine WM-Karriere in schwere Schieflage. "Argentinien 2018 war der Tiefpunkt, als ich im Qualifying nur 28. wurde", gestand Quartararo vor kurzem. "Damals habe ich mich tatsächlich gefragt, was ich hier tue. Das war der Zeitpunkt, als ich einen Mentalcoach zu Rate zog und von da an gab es Fortschritte. Das war ein wichtiger Moment für mich." Fünf Rennen später holte der Franzose im vierten Jahr seiner WM-Karriere den ersten Sieg und ließ zwei Wochen später einen zweiten Platz folgen. Wilco Zeelenberg boxte seine Verpflichtung gegen einige Widerstände im neuen Petronas-Team durch. Spät, aber doch wurde dem einstigen Motorrad-Wunderkind somit der Weg zum Durchstarten in der MotoGP geebnet.

Miguel Oliveira (25)

Miguel Oliveira ist ein Siegertyp. Egal ob Rookies Cup, spanische Nachwuchs-Meisterschaft, Moto3 oder Moto2 - in allen Serien konnte der Portugiese Rennen gewinnen und um Titel kämpfen. Und doch dauerte es eine Weile, bis seine WM-Karriere in Fahrt kam. Denn erst im fünften Jahr in der Moto3, als Aki Ajo Oliveira mit Brad Binder in einem KTM-Dreamteam zusammenspannte, holte er seine ersten Erfolge in der Einsteigerklasse der Motorrad-WM. Sechs Saisonsiege machten ihn damals zum Vizeweltmeister und brachten ihm ein Engagement in der Moto2 ein, für das er allerdings KTM und Ajo den Rücken kehren musste. Die Saison bei Leopard Racing entwickelte sich zum Debakel mit nur drei Top-10-Plätzen und einer Schlüsselbeinverletzung gegen Ende des Jahres. Weil Sponsor Leopard die Reißleine zog, musste sich Oliveira nach einem anderen Team umsehen. Zum Glück hatte er in seinem Jahr im KTM-Werksteam von Ajo einen derart bleibenden Eindruck hinterlassen, dass die Österreicher den Portugiesen für ihren Moto2-Einstieg verpflichteten. Das Vertrauen in Oliveira machte sich bezahlt, denn er holte in zwei Jahren sechs Siege und landete in der WM auf den Plätzen drei und zwei. Im Vorjahr ging es für den Portugiesen in die MotoGP, womit auch sein Studium der Zahnmedizin, welches er in all den Jahren in der WM aufrechterhalten hatte, in den Hintergrund trat. "Da ja nun Plan A mit der MotoGP geklappt hat, brauche ich hoffentlich keinen Plan B mehr", sagte Oliveira damals in einem Interview mit Motorsport-Magazin.com. Nach einem schwierigen ersten Jahr auf altem Material zeigte der Portugiese in der laufenden Saison auf dem neuesten Fabrikat aus Munderfing eine deutlich steigende Formkurve, die er mit Siegen im zweiten Rennen von Spielberg und beim Heim-Grand-Prix in Portimao krönte. Dass der vormals so diplomatische Portugiese in der Königsklasse mittlerweile auch an Scharfzüngigkeit gewonnen hat, zeigte er mit verbalen Seitenhieben auf Pol Espargaro nach deren Kollision in Spielberg. Ausgerechnet jenen Espargaro, den er im kommenden Jahr im Werksteam beerben wird. Dann wird Oliveira wieder an der Seite seines langjährigen Teamkollegen Brad Binder fahren, mit dem er bereits in der Moto3 und Moto2 Erfolge eingefahren hat.

Oliveira dominierte sein Heimrennen in Portimao, Foto: LAT Images
Oliveira dominierte sein Heimrennen in Portimao, Foto: LAT Images

Brad Binder (25)

"Seit meinem 12. Lebensjahr habe ich dem Motorradsport alles untergeordnet, was ich jetzt erreicht habe", verriet Brad Binder im Vorjahr im Interview mit Motorsport-Magazin.com. Ein Lebensstil, der bereits für europäische Teenager hart genug ist, wird noch härter, wenn man auch noch einen halben Globus entfernt von der Heimat um Bestzeiten und Positionen kämpfen muss. Doch das ist für den Südafrikaner seit 2009 Realität. "Ich habe jeden einzelnen Tag hart dafür gearbeitet und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ohne Motorradsport aus mir geworden wäre. Ohne Racing hätte ich keine Aufgabe in meinem Leben." Alles was Binder bislang erreicht hat, ist das Ergebnis harter Arbeit. Mit 13 Jahren zum ersten Mal im Rookies Cup gestartet, musste er ein Jahr auf den ersten Podestplatz und zwei Jahre auf den ersten Sieg warten. Sein Einstieg in die Motorrad-WM erfolgte mit 16 Jahren, wo sich Binder zunächst noch mit einer 125cc-Aprilia und nach der Umstellung auf das Moto3-Konzept mit Suter-Honda und Mahindra abgeben musste. Erst in seiner dritten vollen Saison konnte er seine ersten beiden Podestplätze auf dem indischen Fabrikat holen und dadurch die Aufmerksamkeit von Talentjäger Aki Ajo auf sich ziehen. Der Finne holte den Südafrikaner 2015 zu KTM, wo man seither große Stücke auf den harten Arbeiter ohne Starallüren hält. Moto3-Weltmeister im zweiten Jahr bei Ajo, war Binder bereits für den überraschenden Moto2-Einstieg von KTM 2017 der richtige Mann. Acht Siege und sieben weitere Podestplätze holte Binder dort binnen drei Jahren und durfte als amtierender Vizeweltmeister im Winter in die MotoGP aufsteigen. Binder ist nach dem "Zarco-Debakel" für KTM genau der richtige Fahrer. "Ich gehöre generell wohl eher zu den entspannteren Fahrern hier im Paddock. In der Box stresse ich nicht allzu sehr herum, sondern versuche einfach nur, an jedem Tag meinen Job so gut wie möglich zu erledigen", sagt er über sich selbst. Belohnt wurde KTM für das große Vertrauen in seinen Zögling in Brünn, wo Brad Binder nicht nur seinen ersten MotoGP-Sieg holte, sondern zugleich auch den ersten Triumph für den österreichischen Hersteller in der Königsklasse.

Francesco Bagnaia (23)

Francesco Bagnaia war nach Franco Morbidelli der zweite Fahrer aus der VR46 Riders Academy, der den Sprung in die MotoGP schaffte. Ähnlich wie bei Morbidelli war es auch bei Bagnaia Valentino Rossi zu verdanken, dass eine junge Karriere nicht vorzeitig endete. Denn nach einem punktelosen Moto3-Debütjahr 2013 im Team Italia, dem damaligen Förder-Rennstall des italienischen Verbandes, hätte der WM-Traum von Bagnaia bereits im Alter von 16 Jahren ausgeträumt sein können. Doch stattdessen wurde Bagnaia 2014 die Ehre zuteil, einer von zwei Piloten im brandneuen Sky VR46 Racing Team sein zu dürfen. "Ich hatte Ergebnisse wie Platz 20. Das war keine einfache Zeit. Uccio hat damals viel mit mir gesprochen, mich wieder aufgebaut und mir klar gemacht, dass ich wieder so schnell werden kann wie zuvor in der spanischen Meisterschaft", sagte Bagnaia einst in einem Interview mit Motorsport-Magazin.com. Zwar musste Bagnaia nach nur einer Saison in Rossis Team zum Aspar-Rennstall auf eine Mahindra wechseln, dort verdiente er sich allerdings seine ersten Sporen in Form von Podestplätzen, Siegen und einem vierten WM-Rang im Jahr 2016, der ihm einen Aufstieg in die Moto2-Klasse einbrachte. Dort durfte er zu Rossis Team Sky VR46 zurückkehren, das damals seine erste Saison in der mittleren Klasse bestritt. 16 Podien, die Hälfte davon Siege, fuhr Bagnaia in seinen beiden Jahren für den Rennstall ein, am Ende krönte er sich zum Moto2-Weltmeister und sorgte dafür, dass dieser Titel ein Jahr nach Morbidelli in den Reihen der Academy blieb. In der MotoGP musste Bagnaia im Vorjahr mit einer Ducati des Jahrgangs 2018 Vorlieb nehmen und hatte massive Anpassungsprobleme. Im Winter erfolgte allerdings ein Upgrade auf die aktuellste Version der Desmosedici und prompt konnte der 23-Jährige um Podestplätze und Siege kämpfen. Was er in Jerez noch durch einen Defekt verlor, konnte er in Misano nachholen: den ersten MotoGP-Podestplatz seiner Karriere. Für Ducati ist der Italiener, neben dem um zwei Jahre älteren Jack Miller, nun die neue Zukunftshoffnung.

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