200.000 Fans stürmen Jahr für Jahr den Sachsenring, wenn der Motorrad-Grand-Prix von Deutschland über die Bühne geht. Doch für deutsche MotoGP-Fans bietet sich nicht nur eine Reise nach Hohenstein-Ernstthal an. Viele Stopps im Kalender der Motorrad-Weltmeisterschaft sind echte Leckerbissen.

Jerez - Der Biker-GP

Anfang Mai startet die MotoGP-Saison traditionell so richtig durch. Nach den ersten Überseerennen geht es zum Europaauftakt nach Jerez. Ein Klassiker im Kalender - und das völlig zu Recht. Denn während hierzulande das Thermometer oft noch nicht so richtig nach oben klettern will, empfängt uns Andalusien so gut wie immer mit sommerlichen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein.

Jerez ist eine kleine, aber wunderschöne Stadt im Süden Spaniens. Die engen Gassen der Altstadt laden zum Herumschlendern ein. Die Bars servieren kühles Bier und vor allem den köstlichen und für die Region typischen Sherry. Fisch- und Fleischgerichte gibt es in bester Qualität und zu mehr als fairen Preisen. In den Abendstunden des MotoGP-Wochenendes wird Jerez zu einer großen Partymeile. Biker aus ganz Europa strömen mit ihren eigenen Maschinen in die Stadt und lassen es so richtig krachen. An jeder Ecke werden Motoren in den Drehzahlbegrenzer gedreht, besonders Mutige zeigen Burnouts oder Wheelies und lassen sich dafür von der Menge gebührend feiern. Dementsprechend gut ist auch die Stimmung am Circuit de Jerez, der in nur wenigen Minuten vom Stadtzentrum aus zu erreichen ist. Die Hügel rund um die Strecke bieten einen ausgezeichneten Blick auf die Fahrer, vor allem im Stadionbereich zwischen Kurve acht und elf steppt am Sonntag so richtig der Bär.

Wer Zeit, Lust und genügend Sitzfleisch für die lange Motorradfahrt an die spanische Atlantikküste hat, sollte sich also auf jeden Fall einmal im Leben in Richtung Jerez aufmachen. Wer es lieber etwas gemütlicher mag, kann natürlich auch bequem mit dem Flugzeug anreisen. Verbindungen nach Jerez gibt es von allen größeren Flughäfen aus und die Mietwagenpreise für ein Rennwochenende liegen deutlich unter 100 Euro.

Assen - Zum Gottesdienst

Muslime pilgern nach Mekka. Christen machen sich auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Und MotoGP-Fans pilgern in ihre ganz eigene Kathedrale. Die Kathedrale des Motorradsports. Den TT-Circuit von Assen. Seit 1925 werden in der heute knapp 70.000 Einwohner zählenden Stadt Zweiradrennen gefahren, seit der Gründung der Motorrad-Weltmeisterschaft 1949 ist die Dutch TT mit dabei - bis 2020 als einziges Event ununterbrochen.

In den vergangenen Jahren hat Assen ein wenig von seiner Einzigartigkeit eingebüßt. Das klassische, fast acht Kilometer lange Layout mit seinen vielen schnellen, oft überhöhten Kurven ist seit 2006 Geschichte. Der neue, gut drei Kilometer kürzere Kurs ist in manchen Passagen leider zu einer modernen 08/15-Rennstrecke geworden. Doch vor allem der letzte Sektor ist noch heute klassisches Assen mit jeder Menge Tempo und spektakulären Abschnitten, die jedem Zweiradenthusiasten ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

In Assen wurden schon legendäre Schlachten geschlagen, Foto: Repsol Honda
In Assen wurden schon legendäre Schlachten geschlagen, Foto: Repsol Honda

Nicht nur deshalb ist Assen eine Reise wert. Die Niederländer lieben ihre TT, und das spürt man. Selten trifft man auf derart freundliches und hilfsbereites Streckenpersonal wie hier. Die Organisation ist top, die Infrastruktur wird laufend modernisiert und alle Beteiligten sind motiviert, den Gästen das bestmögliche MotoGP-Erlebnis zu liefern. Vor allem für Motorradfans aus dem Westen Deutschlands gibt es keine Ausrede, nicht einmal in Assen vorbeizuschauen. In weniger als einer Stunde hat man es von der Grenze aus an den TT Circuit geschafft.

Mugello - Für Schlaflose

"Es ist sowas wie das Woodstock der MotoGP", meinte Valentino Rossi einst über den Grand Prix von Italien. Wir hätten es selbst nicht besser beschreiben können. Einmal im Jahr verwandelt sich das beschauliche Mugello-Tal in eine große Partymeile. Zehntausende Tifosi säumen dann die Hügel rund um die Ortschaften Scarperia und Luco. "Al Mugello non si dorme - in Mugello wird nicht geschlafen", sagen die Italiener. Und das aus gutem Grund. Denn am MotoGP-Wochenende entsteht um das 5,2 Kilometer lange Asphaltband des Autodromo Internazionale del Mugello ein echter Hexenkessel. Auf den Campingplätzen, die hier teils direkt an die Rennstrecke grenzen, wird alles was über einen Motor verfügt zum Erzeugen von Lärm eingesetzt. Ganz egal ob Motorrad oder Kettensäge. Die mitgebrachten Grills der MotoGP-Fans sorgen für dichte Rauchschwaden in dem engen Taleinschnitt, der den Grand Prix von Italien beheimatet.

Doch Mugello ist so viel mehr als nur Party und Exzess auf den Campingplätzen. Das in Besitz von Ferrari befindliche Autodromo zählt zu den schönsten und spektakulärsten Rennstrecken des Planeten. Lange Geraden, schnelle Kurven, mächtige Höhenunterschiede - Mugello bietet alles, was das Herz von Fahrern und Fans gleichermaßen höherschlagen lässt. Für die Zuseher vor Ort besonders interessant: Durch die Lage der Strecke entsteht ein natürliches Amphitheater, von den Naturtribünen aus lassen sich weite Teile des Kurses einsehen. Vor allem am höchsten Punkt zwischen Kurve fünf und sechs ist der Ausblick ausgezeichnet, dementsprechend früh sollte man aber vor allem am Sonntag dran sein, um die besten Plätze zu ergattern. Die Rossi-Ultras treffen sich in Turn 3 - Poggio Secco.

Mugello punktet einfach auf allen Ebenen. Neben toller Stimmung und einem herrlichen Kurs herrscht hier fast immer gutes Wetter und die landschaftlichen Eindrücke in der malerischen Toskana sind atemberaubend. Das italienische Essen ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Lediglich bei An- und Abreise heißt es geduldig sein. Der Verkehr um die Rennstrecke bricht Jahr für Jahr zusammen. Deshalb am besten möglichst früh kommen und möglichst spät wieder abhauen - oder gute Nerven haben.

Spielberg - Das Vorzeige-Event

Erst seit 2016 steht der Red Bull Ring im MotoGP-Kalender. Damit ist der Österreich-Grand-Prix, der zuvor zwei Jahrzehnte lang nicht stattfand, eines der jüngsten Events der Motorrad-Weltmeisterschaft. Und doch könnten sich einige der großen Klassiker eine dicke Scheibe von dem abschneiden, was da Jahr für Jahr in Spielberg auf die Beine gestellt wird.

Spielberg ist nicht nur für KTM-Fans ein Leckerbissen, Foto: LAT Images
Spielberg ist nicht nur für KTM-Fans ein Leckerbissen, Foto: LAT Images

Der Österreich-Grand-Prix wurde in den vergangenen Jahren zur Benchmark im Bereich von Organisation und Infrastruktur. "Hier funktioniert einfach alles", ist in Gesprächen über den Red Bull Ring mit Besuchern aus aller Herren Länder immer wieder zu hören. An- und Abreise in die Obersteiermark verlaufen trotz rund 200.000 Besuchern am Rennwochenende stets problemlos. Die Campingplätze in der Nähe der Strecke bieten Standards, von denen man anderswo nur träumen kann. Ein eigener MotoGP-Supermarkt versorgt die Fans mit allen nötigen Utensilien - vom Bier über die Grillkohle bis hin zum Klopapier. Auch am Streckengelände selbst wird für das leibliche Wohl bestens gesorgt, bezahlt wird bargeldlos mittels einer eigens aufgeladenen Karte. Diese Liste ließe sich beliebig lange fortführen, die zweimalige Auszeichnung als Grand Prix des Jahres in den Saisons 2016 und 2019 spricht aber ohnehin für sich. Zugegeben, das Layout des Red Bull Rings mit seinen nur neun Kurven ist, vor allem für Motorradrennen, nicht gerade ein Leckerbissen. Dennoch produziert der Kurs fast immer gute Rennen. Die Chance, einen Showdown in der letzten Kurve einmal hautnah mitzuerleben, ist nirgendwo höher als in Spielberg.

Was die Eindrücke rund um das Rennwochenende angeht, ist der Österreich-GP ein erfrischender Kontrast zu den Events in Südeuropa. Hier gibt es Schnitzel statt Tapas und Berge statt Meer. Die Region rund um den Red Bull Ring lädt dazu ein, den Urlaub um ein paar Tage zu verlängern und im alpinen Raum oder der herrlichen Seenlandschaft des Salzkammerguts etwas zu entschleunigen. Wichtig: Wer sich auf den Weg in die Obersteiermark macht, sollte Kleidung für jede Jahreszeit einpacken, auch wenn der Grand Prix im August über die Bühne geht. Denn von Regen und einstelligen Temperaturen bis hin zu einer echten Hitzewelle kann hier alles dabei sein - selbst im Laufe eines einzigen Rennwochenendes.

Sepang - Der Exot

Die großen Klassiker der MotoGP sind allesamt in Europa beheimatet, doch auch in den neuen Märkten gibt es absolut bereisenswerte Destinationen. Von Mitteleuropa aus bietet sich definitiv ein Trip nach Sepang an. Im Vergleich zu anderen Überseeschauplätzen ist der Grand Prix von Malaysia nämlich sehr bequem und auch günstig zu erreichen. Von den internationalen Drehkreuzen wie Frankfurt aus geht es oft um wenige hundert Euro direkt in die Hauptstadt Kuala Lumpur. Erst einmal in Südostasien angekommen, halten sich die Ausgaben für den MotoGP-Touristen ebenfalls sehr in Grenzen. Eine Hauptmahlzeit in einem der landestypischen Curry-Häuser gibt es schon um zwei Euro, schicke Hotels kosten einen Bruchteil europäischer Preise.

Stimmungstechnisch zählt Sepang zu den absoluten Highlights im Kalender. Seit Jahren ist der Rennsonntag bis auf den letzten Platz ausverkauft, 95.000 Fans finden dann auf den gewaltigen Tribünen Platz und verwandeln die Strecke in einen echten Hexenkessel. Nirgendwo auf der Welt ist die Begeisterung für den Motorradsport in der jüngsten Vergangenheit so explodiert wie in Südostasien. Dementsprechend viele Events und Stände gibt es rund um das Streckengelände zu besuchen.

In Sepang geht es im wahrsten Sinne des Wortes heiß her, Foto: HRC
In Sepang geht es im wahrsten Sinne des Wortes heiß her, Foto: HRC

Auf den ersten Blick wirkt der Sepang International Circuit, rund 60 Kilometer vom Stadtzentrum der Acht-Millionen-Metropole Kuala Lumpur entfernt, etwas abgelegen. Dennoch lässt sich die Strecke relativ flott erreichen. Entscheidet man sich für eine Unterkunft in einer der ruhigen Vorstädte wie Putrajaya, dauert die Fahrt mit dem Mietauto keine halbe Stunde. Wer lieber das pulsierende Leben in der Downtown von KL mit all ihren Wolkenkratzern und Rooftop-Bars genießen möchte, kann den Flughafenexpress nehmen und gelangt so fast direkt und stressfrei an die Strecke. Ein MotoGP-Wochenende in Malaysia lässt sich mit einem Grand Prix hierzulande nicht vergleichen. Kultur, Klima, Verkehr - alles ist anders. Und genau das macht Sepang zu einem ganz besonderen Rennen im Kalender.

Misano - MotoGP-Badespaß

Jahr für Jahr machen sich zigtausende Deutsche auf den Weg an die Riviera di Rimini. In den klassischen Urlaubsorten Riccione, Cattolica und Misano genießen sie die Annehmlichkeiten der Adria. Doch diese Gegend bietet noch so viel mehr als nur Sonne, Strand und Spaghetti. Die Emilia-Romagna ist das Zentrum des Motorradsports im ohnehin zweiradverrückten Italien. Schon in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts fanden hier Rennen entlang der Strandpromenaden statt und die Begeisterung hat seither keinen Abbruch gefunden.

In den 1970er-Jahren bekam die Region endlich die Strecke, die sie verdiente. Der heute als Misano World Circuit Marco Simoncelli bekannte Kurs, nur gut drei Kilometer vom Strand entfernt, wurde aus dem Boden gestampft. Nirgendwo lassen sich klassischer Badeurlaub und ein MotoGP-Wochenende besser verbinden. Nach den Trainings, Qualifyings und Rennen bleibt genügend Zeit, um sich mit einem Sprung in das auch im September noch nicht zu kühle Nass zu erfrischen. Am Abend kann man den Tag mit einer Pizza und einem guten Gläschen Rotwein in einem der unzähligen Restaurants ausklingen lassen, ehe man sich in einem der Hotels, welche in der Nebensaison wirklich faire Preise bieten, zur Ruhe begibt. Herz, was willst du mehr?

Wer sich für Sandstrand und Salzwasser nicht begeistern kann, findet rund um den World Circuit genügend Motorsport-Aktivitäten. In Misano finden am Rennwochenende Dirt-Track-Events oder Kart-Rennen mit den Stars der Motorrad-Weltmeisterschaft statt. Im nur eine Viertelstunde entfernten Coriano, der Heimatgemeinde von Marco Simoncelli, können das Museum und das Monument zu Ehren des verunglückten MotoGP-Piloten besichtigt werden. Auch Valentino Rossis Wohnort Tavullia, der am Rennwochenende völlig in Gelb getaucht und zu einer großen Partymeile für alle VR46-Fans wird, liegt nur einen Steinwurf entfernt. Ein kurzer Abstecher zur Gedenkstätte für Nicky Hayden sollte ebenfalls im Reiseplan jedes MotoGP-Fans stehen. Der Champion von 2006 ließ hier ja bei einem tragischen Fahrradunfall sein Leben. Kurzum: Mehr MotoGP als in Misano bekommt man nirgendwo sonst geliefert.

Marco Simoncelli ist in Misano allgegenwärtig, Foto: Tobias Linke
Marco Simoncelli ist in Misano allgegenwärtig, Foto: Tobias Linke

Barcelona - In der City

Wenn die MotoGP in Europa Halt macht, dann passiert das meist weitab von den größeren Städten. Das liegt in der Natur des Motorsports, der vor allem in unseren Zeiten vermehrt mit Lärm- und Umweltauflagen zu kämpfen hat. Dass sich Racing aber auch in einer echten Weltstadt gut macht, beweist Barcelona. Nur wenige Kilometer vor den Toren der katalanischen Metropole liegt der Circuit de Barcelona-Catalunya in der kleinen Gemeinde Montmelo. Die unmittelbare Umgebung der Strecke ist zwar wenig reizvoll, in kürzester Zeit ist man aber beispielsweise im hippen Hafenviertel von La Barceloneta. Neben internationalen Tophotels gibt es dort hervorragende Restaurants und coole Läden. Wer Schlaf für überbewertet hält, kann sich an einem MotoGP-Rennwochenende in Barcelona die Tage an der Strecke und die Nächte in den Clubs der Party-Hochburg um die Ohren schlagen.

Bei einem Trip in die zweitgrößte Stadt Spaniens wäre es aber verwerflich, nicht auch etwas Zeit mit dem reichhaltigen Kulturangebot zu verbringen. Meisterwerke vom Zeichenbrett Antoni Gaudis wie die Sagrada Familia oder der Park Güell versetzen ebenso wie das Museu Picasso auch den letzten Kunstmuffel ins Staunen. Wer einen wenig MotoGP-begeisterten Partner an seiner Seite hat, dürfte mit dem Katalonien-Grand-Prix die besten Chancen haben, der besseren Hälfte eine Reise zur Motorrad-Weltmeisterschaft schmackhaft zu machen. Shopping, Sightseeing oder einfach nur Baden an den kilometerlangen Sandstränden - in Barcelona ist wirklich für jeden was dabei. Und der Touristen-Hotspot wird auch von so gut wie jedem Provinzflughafen direkt angeflogen. Im Normalfall zu sehr moderaten Preisen.

Eine Warnung sei ausgesprochen: Barcelona kämpft seit Jahren mit einem großen Kriminalitätsproblem. Taschendiebstähle oder aufgebrochene Autos sind hier an der Tagesordnung, Motorsport-Magazin.com kann hier gleich mehrere Lieder davon singen. Vorsicht ist also geboten und Wertgegenstände sollten immer sicher verwahrt sein. Dann steht einem herrlichen Wochenende nichts im Wege.

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