Joan Mir und Suzuki waren die großen Triumphatoren am MotoGP-Sonntag in Valencia. Der WM-Leader holte seinen ersten Sieg in der Königsklasse und macht damit einen gewaltigen Schritt in Richtung Titel, während sein Teamkollege Alex Rins einen Doppelsieg für Suzuki komplettierte und nun zumindest im Rennen um die Vizeweltmeisterschaft gut dabei ist.

Yamaha erlebte den schlimmsten Tag seit 13 Jahren und muss seine Hoffnungen auf eine Eroberung des Titels begraben, während KTM sich gute Chancen auf einen versöhnlichen Saisonausklang ausrechnen darf. Das erste der beiden MotoGP-Rennen von Valencia in der Analyse:

Schwierige Ausgangslage

Der Start des finalen Tripleheaders dieser Saison hatte eine unliebsame Überraschung parat: Da es am Freitag und Samstag auf der Strecke durchgehend nass war, mussten die MotoGP-Asse ihr Rennsetup sowie die richtige Reifenwahl in den 20 Minuten des Warm-Ups am Sonntagvormittag treffen.

Reifenwahl im Europa-GP

Vorne - Hinten Fahrer (Platzierung)
Hard - Hard Morbidelli (11.)
Hard - Medium P. Espargaro (3.), Nakagami (4.), Oliveira (5.), Miller (6.), Binder (7.), Dovizioso (8.), Zarco (9.), Petruci (10.), Bradl (12.), A. Marquez, Bagnaia, Crutchlow (out)
Hard - Soft A. Espargaro (out)
Medium - Medium Mir (1.), Rins (2.), Vinales (13.), Quartararo (14.), Rossi, Rabat (out)
Medium - Soft Savadori (out)

Tatsächlich kamen von den neun möglichen Reifenkombinationen fünf zum Einsatz. Der weiche Vorderreifen war die einzige Mischung, die am Sonntag nicht eingesetzt wurde. Die häufigste Variante war die Kombination aus hartem Slick vorne und Medium-Mischung hinten. Ganze 12 der 21 Piloten wählten diese Paarung aus, darunter alle vier Fahrer auf aktueller Ducati und alle drei verbliebenen KTM sowie alle vier Honda-Fahrer im Feld. Sieger Mir und sein Teamkollege Rins setzten hingegen auf Doppel-Medium - ebenso wie Maverick Vinales, Fabio Quartararo oder auch Valentino Rossi.

MotoGP-Analyse Valencia: Das Meisterstück von Joan Mir: (41:37 Min.)

Die Pace des Siegers Mir

Suzuki legte am Sonntag die klar beste Pace an den Tag. In 15 der 27 Rennrunden fuhr eine Suzuki die schnellste Einzelzeit und ab Runde vier hatten die beiden Spanier des japanischen Herstellers ihre Doppelführung inne. Mir war in exakt einem Drittel aller Runden schnellster Mann im Feld, auch wenn es bis zur 17. Runde dauerte, ehe er die Führung übernehmen konnte. Auch Fahrern von KTM, Honda und Ducati gelang zu irgendeinem Zeitpunkt im Rennen die jeweils schnellste Rundenzeit, die vier Yamaha-Piloten schafften das diesmal nicht.

Schnellste Zeit in jeder der 27 Runden:

Fahrer Anzahl Schnellste Runde in
Joan Mir 9 Lap 4-5, 10, 12, 16-19, 21
Alex Rins 6 Lap 2-3, 8-9, 13, 27
Pol Espargaro 5 Lap 1, 6, 11, 14, 20
Taka Nakagami 3 Lap 22-23, 26
Johann Zarco 1 Lap 7
Jack Miller 1 Lap 15

Mir fuhr an der Spitze ein sehr konstantes Rennen. Zwischen Runde 3 und dem vorletzten Umlauf bewegten sich seine Zeiten allesamt in einem Fenster zwischen 1:31,955 Minuten und 1:32,488 Minuten - also in einem Bereich von lediglich 0,533 Sekunden. Er konnte sich sein Rennen also perfekt einteilen.

Schlüsselszene in Runde 17

In den Runden 14 bis 16 hatte Mir Boden auf Leader Rins gutgemacht, dem in der 17. Runde ein kleiner Fehler unterlief, den Mir eiskalt ausnutzte. Einmal in Führung, ließ sich der WM-Leader die Butter nicht mehr vom Brot nehmen.

Er fuhr in den Laps 17 bis 19 sowie 21 die schnellsten Runden im gesamten Feld und erzielte in 1:31,955 Sekunden in der 19. Runde seine persönliche schnellste Rennrunde. Zwischen Lap 16 und 23 nahm er Rins insgesamt 1,449 Sekunden ab, die letztlich den entscheidenden Schritt zum Sieg darstellten. Auch Pol Espargaro und Taka Nakagami verloren in diesem Zeitraum auf Mir.

KTM zweitstärkste Kraft in Valencia

Hinter Suzuki war diesmal KTM klar die zweitstärkste Marke. Neben Pol Espargaro, der es als 3. auf das Podest schaffte, brachten die Österreicher Miguel Oliveira (5.) und Brad Binder (7.) in die Top-10. Binder sicherte sich zudem durch seine Schlussattacke in Lap 22 mit 1:31,884 Minuten die schnellste Rennrunde.

Bemerkenswert: Aufgrund seines Manövers gegen Jack Miller in den ersten Kurven des vergangenen Rennens in Aragon musste Binder eine Long-Lap-Penalty absolvieren. Diese kostete ihn in Runde 4 etwas mehr als zwei Sekunden. Eineinhalb weitere Sekunden verlor Binder zwei Runden später, als Cal Crutchlow unmittelbar vor ihm stürzte und er Fahrt herausnehmen musste.

7,641 Sekunden betrug am Ende jener Runde Binders Rückstand auf den späteren Sieger Mir. Bis zur Zieldurchfahrt sollten nur noch 2,496 weitere Sekunden dazukommen. Ohne Strafe und ohne Verwicklung in den Crutchlow-Unfall hätte Binder in jedem Fall das Potenzial seines Markenkollegen Oliveira gehabt, der nur rund zwei Sekunden vor ihm als Fünfter ins Ziel kam.

Wie war die Pace von Vinales & Quartararo?

Die beiden Titelkandidaten aus dem Hause Yamaha waren bereits früh aus dem Rennen um die Podestplätze. Maverick Vinales aufgrund seines Starts aus der Boxengasse, Fabio Quartararo wegen seines Crashes in der ersten Runde. Nach dem ersten Umlauf rangierte das Duo auf den letzten beiden Plätzen: Vinales mit 13,6 Sekunden Rückstand zur Spitze, Quartararo sogar mit 29,0 Sekunden und einem defekten Ride-Hight-Device, das sein Heck immer wieder unaufgefordert einfederte.

Immerhin ermöglichte dieser große Rückstand den beiden Yamaha-Assen eine freie Fahrt und uns somit einen Rückschluss auf die tatsächliche Pace an diesem Tag. Die Analyse der Einzelzeiten hat bereits gezeigt, dass in keiner Lap ein Yamaha-Fahrer der schnellste des gesamten Feldes war. Doch hätten Quartararo und Vinales zumindest Morbidelli schlagen können?

Rennzeit von Lap 2 bis 27:

Pos Fahrer Rückstand
1. Joan Mir 39:58,012 Min.
2. Alex Rins +0,769
3. Pol Espargaro +1,513
4. Taka Nakagami +1,883
5. Jack Miller +7,103
6. Miguel Oliveira +7,682
7. Brad Binder +8,076
8. Andrea Dovizioso +9,419
9. Fabio Quartararo +10,856
10. Johann Zarco +10,908
11. Maverick Vinales +12,048

Ein Blick auf die Rennzeit ab Runde 2 zeigt: Ja. Mit den vordersten Plätzen hätten Vinales und Quartararo auch ohne ihre Handicaps vom Start bzw. aus der ersten Runde nichts zu tun gehabt, aber für Quartararo hätte es zumindest zu Rang 9 gereicht, während Vinales wohl 11. geworden wäre. Ihre Situation im WM-Rennen hätte das aufgrund geringer Punktezuwächse nur unwesentlich verbessert.

Fazit

Joan Mir ist in Valencia sein Meisterstück gelungen, dessen Früchte er vermutlich schon am kommenden Sonntag ernten wird. Der designierte Weltmeister zeigte sich an einem für alle schwierigen Wochenende fehlerfrei und souverän. Suzuki prolongierte seinen Aufstieg zur Nummer eins der vergangenen Wochen mit dem ersten Doppelsieg der Japaner seit 1982. Im Windschatten von Suzuki war KTM klar zweitstärkste Kraft in Valencia. Bedenkt man die bisherige Lernkurve des österreichischen Herstellers bei Doppel-Events, so könnte sich im zweiten Valencia-Rennen ein Krimi anbahnen.

Für Yamaha hingegen geht es nur noch um Schadensbegrenzung. In Valencia war man bislang nicht konkurrenzfähig und muss bis zum nächsten Rennen noch in vielen Bereichen bessere Arbeit leisten. Die Titelhoffnungen hat man vorerst ebenso versenkt wie Ducati jene von Andrea Dovizioso.