Valentino Rossi übte in Le Mans Kritik an der Einstellung von Jorge Lorenzo als Yamaha-Testfahrer. Zwischen dem MotoGP-Test in Sepang im Februar und seinem Einsatz in Portimao vor wenigen Tagen habe er keinen einzigen Kilometer auf einem Rennmotorrad absolviert, so Rossis Kritik.

"Wenn er zu einem guten Testfahrer werden will, dann muss er mehr fahren. Wenn man acht Monate kein Motorrad angreift, kann man ein MotoGP-Bike unmöglich an das Limit bringen. Wenn Jorge weitermachen will, muss er mehr testen und während der Saison auch irgendwelche anderen Motorräder fahren", beklagte Rossi.

Zwar hat Yamaha bereits eingeräumt, dass die nicht vorhandene Testtätigkeit Lorenzos der vergangenen Monate auf die Kappe logistischer Probleme aufgrund der Coronakrise gehe, doch auch abseits seines Testfahrer-Engagements hat sich Lorenzo nie auf eine Rennstrecke begeben um sich auf anderen Motorrädern fit zu halten.

Ganz im Gegensatz zu den meisten anderen MotoGP-Profis, die mit Serienmotorrädern oder Bikes aus nationalen Meisterschaften auch abseits der Rennwochenenden immer wieder auf Strecken unterwegs sind. Allen voran Rossi, der mit den Fahrern seiner VR46 Academy etwa Stammgast auf dem Misano Circuit ist.

Lorenzo in Portimao heillos zurück

Stein des Anstoßes für Rossis Ärger war eine Frage in seinem Videocall nach der Konkurrenzfähigkeit Lorenzos und dem daraus resultierenden Nutzen für Yamaha. Denn beim vergangenen Test in Portimao war Lorenzo auf einer Yamaha M1 nach MotoGP-Spezifikation des Vorjahres nicht nur Letzter, sondern auch langsamer als etwa Miguel Oliveira und Brad Binder auf einer Serienmaschine von Yamaha. Denn aufgrund des Reglements durfte deren R1 nur geringfügig angepasst (z.B. die Spiegel und Scheinwerfer entfernt) werden.

"In Malaysia war Jorge im Februar ganz gut dabei. Er hat seinen Job erledigt und war auf der M1 stark. Er lag nicht allzu weit hinter uns und den anderen Fahrern. Er ist dann aber bis Portimao nicht mehr auf einem Motorrad gefahren", kritisierte Rossi in Le Mans.

Eine klare Strategie bei Yamahas Test-Arbeit der vergangenen Jahre ist nicht auszumachen: Ende 2018 folgte man dem Beispiel der anderen fünf Hersteller und richtete ein in Italien stationiertes europäisches Testteam mit Jonas Folger ein. Gegen Ende des vergangenen Jahres verkündete Rennchef Lin Jarvis allerdings das Aus für das Team und für Folger als Testfahrer.

Yamaha lässt klare Strategie vermissen

Fortan sollte wieder die japanische Truppe mit den Fahrern Katsuyuki Nakasuga und Kotah Nozane die komplette Testarbeit machen - unterstützt von Jorge Lorenzo, der bei den offiziellen MotoGP-Tests zum Einsatz kommen sollte. Der Corona-Lockdown schob dieser Strategie einen Riegel vor und da Lorenzo in dieser Zeit mit Ducati über ein Comeback flirtete, dürfte Yamahas Interesse an Lorenzo geschwunden sein.

So herrschte allgemeines Erstaunen, als man Lorenzo für den MotoGP-Test in Portimao vor wenigen Tagen nur ein Vorjahres-Modell zur Verfügung stellte. Lorenzos Vertrag mit Yamaha läuft mit Saisonende aus und aktuell ist unklar, ob man auch 2021 zusammenarbeiten wird. An den Wert eines Testfahrers Lorenzo glaubt Rossi noch: "Das ist nach wie vor eine große Chance für Yamaha, denn Jorge hat noch immer großes Potenzial."

Mittlerweile befindet sich mit dem dreifachen Vizeweltmeister Andrea Dovizioso aber eine weitere attraktive Option auf dem Fahrermarkt. Gut möglich, dass Lorenzos unrühmlicher Auftritt in Portimao sein letzter für Yamaha war.