Die MotoGP-Saison 2020 ist wohl die eigenartigste der Geschichte. Da passt es gut ins Bild, dass sich Yamaha trotz einer hervorragenden Bilanz - Rang eins, drei und fünf in der Fahrer-WM, P1 in der Konstrukteurswertung und die Plätze eins und drei bei den Teams - ständig Kritik von seinen Piloten gefallen lassen muss. So auch am Sonntag in Barcelona.

Der Grund: Die Yamaha ist ein ausgezeichnetes Motorrad, wenn die Fahrer damit an der Spitze unbedrängt ihre Runden drehen können. Müssen sie sich aber gegen Piloten auf anderen Maschinen zur Wehr sitzen, kämpfen sie mit stumpfen Waffen. Das bekam in Barcelona etwa Maverick Vinales zu spüren.

Im Gegensatz zu seinen Markenkollegen Morbidelli, Quartararo und Rossi, die allesamt aus der ersten Reihe gestartet waren, musste er das Rennen von weiter hinten in Angriff nehmen. P5 war es in seinem Fall. Das schwächere Qualifying kam ihm am Sonntag teuer zu stehen. Am langen Weg zur ersten Kurve schossen die hinter ihm stehenden Ducatis, Suzukis und KTMs nur so an der motorisch schwachen Yamaha vorbei. Am Ende der ersten Runde war Vinales 15.

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Maverick Vinales: Überholen unmöglich

Und in der Folge ging es für ihn nur sehr, sehr langsam nach vorne. "Ich bin 16 Runden lang hinter Cal und Aleix festgesteckt und konnte sie einfach nicht überholen. Ich habe wirklich alles versucht: Angriff außen und innen, Mappings verändern. Nichts hat geholfen. Wir haben einfach viel zu wenig Power. Unser Motorrad ist echt langsam. Nicht erst jetzt, sondern schon die letzten vier Jahre. Wenn es in den dritten, vierten und fünften Gang geht, haben die anderen Maschinen einfach viel mehr Potenzial. Wenn du weit vorne startest, kannst du pushen. Wenn du weiter hinten liegst, könntest du auf das Rennen auch gleich verzichten. Das macht dich mental fertig."

Markenkollege Franco Morbidelli konnte, angesprochen auf die Klagen von Vinales, nur müde lachen. "Hahaha. Er soll sich mal die Topspeed-Liste ansehen. Dann weiß er, wer die langsamste Yamaha hat", sagte Morbidelli, der im Gegensatz zu den anderen drei Yamaha-Fahrern ja kein Motorrad der aktuellsten Spezifikation fährt. Tatsächlich hatte Morbidelli den schlechtesten Topspeed des gesamten Feldes. Der Mittelwert seiner fünf höchsten Messungen im Rennen ergibt 335,3 km/h. Vinales kam auf 337, Rossi auf 338,5, Quartararo auf 339,1. Zum Vergleich: Spitzenreiter Francesco Bagnaia kam mit seiner Ducati auf einen Durchschnitt von 349,4.

Morbidelli führte zu Beginn, fiel aber auf P4 zurück, Foto: MotoGP.com
Morbidelli führte zu Beginn, fiel aber auf P4 zurück, Foto: MotoGP.com

Werte, die Morbidelli jede Hoffnung auf einen Titelgewinn 2020 rauben: "Nach Misano dachte ich, dass für mich vielleicht etwas Größeres möglich ist. Nachdem ich heute aber unser Potenzial auf der Gerade gesehen habe, brauche ich mir in der Weltmeisterschaft nichts mehr auszurechnen. Ich habe schon vorher gesagt, dass nur die Werksfahrer an den Titel denken sollten, nicht ich. Das ist mir heute noch viel klarer geworden."