Um kurz nach 14 Uhr hielt die MotoGP-Welt den Atem an. In Runde neun des Spielberg-Rennens kam es zu einem schrecklichen Unfall, der potenziell fatale Folgen haben hätte können. Nur mit viel Glück kamen alle Beteiligten einigermaßen glimpflich davon. Motorsport-Magazin.com liefert alle wichtigen Infos zu einem der dramatischsten Moment der MotoGP-Geschichte.

MotoGP-Analyse: Das Horror-Wochenende in Spielberg: (36:04 Min.)

So kam es zu dem schlimmen Unfall in Spielberg

Johann Zarco überholte auf der Geraden hin zu dem leichten Linksknick von Turn 2 Franco Morbidelli und lag bereits in Front. In Turn 2 wählte Zarco dann eine sehr weite Linie, allerdings legten es andere Ducati-Fahrer wie Jack Miller an dieser Stelle zumindest ähnlich an. Morbidelli wollte sich jedoch außerhalb von Zarco platzieren, um in der folgenden scharfen Rechtskurve innen attackieren zu können. Dabei kam es zur Kollision.

Zarco und Morbidelli verloren sofort die Kontrolle über ihre Maschinen. Morbidellis Motorrad schlitterte zwischen Strecke und Kiesbett auf dem Grünstreifen entlang, wurde dabei in die Höhe katapultiert und flog zwischen den bereits in der Kurve liegenden Rossi und Vinales hindurch. Zarcos Ducati schlug in der Streckenbegrenzung auf der Innenseite von Kurve drei ein, die Trümmer verfehlten die Yamaha-Werkspiloten ebenfalls nur knapp.

So sehen die beteiligten Fahrer den Zwischenfall

Über die genaue Unfallursache gibt es geteilte Meinungen. Valentino Rossi und Franco Morbidelli sahen die Schuld bei Johann Zarco. "Er ist ein halber Mörder", sagte Morbidelli im Gespräch mit 'Sky Italia'. "Bei 300 km/h so zu bremsen zeigt, dass du wenig auf dich selbst und deine Gegner achtest. Ich hoffe, dass ihn dieser Unfall zum Nachdenken bringt, denn es war gefährlich für mich und ihn, aber auch für Vale und Maverick, die sich in einer langsamen Kurve befanden und ein Motorrad mit 280 km/h auf sich zukommen sahen."

Er selbst sei machtlos gewesen, so Morbidelli: "Ich konnte nichts machen. Als ich den Bremsvorgang einleiten wollte, hat Zarco seine Linie gewechselt, wahrscheinlich um sich zu verteidigen. Als er auf die Außenseite gezogen ist, hat er mich durch den Windschatten regelrecht angesaugt und ich konnte die Berührung nicht vermeiden."

Diese Version vertritt auch Morbidellis Freund und Mentor Rossi: "Was Zarco heute gemacht hat, nennen wir im Italienischen 'frenare in facia' (wörtlich übersetzt 'ins Gesicht bremsen', Anm.). Er ist weit gegangen und hat dann direkt vor Franco gebremst, wahrscheinlich um ihn nicht überholen zu lassen. Dafür waren sie aber viel zu eng beisammen, vor allem weil bei dieser Geschwindigkeit der Windschatten extrem stark wirkt. Franco hatte da keine Chance. Ich habe mit Zarco gesprochen und ihm das auch so gesagt. Er meinte, er hätte es nicht absichtlich getan. Dennoch: Aggressiv zu sein ist gut, aber bei 300 km/h so zu bremsen, hätte in einer Katastrophe enden können."

Morbidellis Bike wurde zum Geschoss, Foto: LAT Images
Morbidellis Bike wurde zum Geschoss, Foto: LAT Images

Zarco verteidigte sich und wollte die Anschuldigungen nicht auf sich sitzen lassen. "Ich habe Franco auf der Geraden zuvor überholt und musste deshalb weiter nach links, weil er auf der rechten Seite war", erläutert er die Vorgeschichte. "Dadurch konnte ich mich nicht voll in die Linkskurve lehnen und bin etwas weiter gegangen. Es war aber keine verrückte Linie. Ich fahre dort normalerweise relativ ähnlich. Ich wollte Franco nicht den Weg abschneiden. Das ist an dieser Stelle zu gefährlich und ich bin vernünftig genug, so etwas nicht zu machen. Ich hatte keine böse Absicht. Franco war auf jeden Fall überrascht und hat mich dann durch die Wirkung des Windschattens berührt."

Aufgrund der direkt nach dem Rennen geäußerten Vorwürfe von Morbidelli und Rossi suchte Zarco das Gespräch mit den beiden Italienern. Morbidelli erreichte er nicht mehr, doch zumindest mit Rossi kam es zur Aussprache, weshalb Zarco die MotoGP-Presse auch 25 Minuten im angesetzten Zoom-Call warten ließ. "Es war wichtig, klarzustellen, dass es keine Absicht war. Ich konnte zehn Minuten mit Vale reden und einige Dinge ausräumen", so Zarco.

Zarco eilte sofort zum am Boden liegenden Morbidelli, Foto: LAT Images
Zarco eilte sofort zum am Boden liegenden Morbidelli, Foto: LAT Images

Maverick Vinales wollte keinen Kommentar zur Kollision abgeben: "Ich habe den Crash nicht wirklich gesehen, nur ein kurzes Replay. Mehr kann ich dazu nicht sagen."

So geht es den betroffenen MotoGP-Piloten

Die größten Sorgen musste man sich direkt nach dem Unfall um Franco Morbidelli machen. Er wurde zunächst auf einer Trage abtransportiert werden, war aber kurz darauf bereits wieder auf den Beinen. Er kam ohne Knochenbrüche oder andere schwere Verletzungen davon. "Mir geht es gut und ich werde kommende Woche an den Start gehen können", sagte Morbidelli. Doktor Michele Zasa von der Clinica Mobile stellte dem Petronas-Yamaha-Mann ebenfalls ein positives Attest aus: "In Anbetracht des Unfalls ist Franco in einem guten Zustand."

Auch Zarco erlitt nur leichte Verletzungen. "Ich habe ein paar Wunden am Arm, der Hüfte und dem Bein. Auch mein Handgelenk tut etwas weh, aber es ist zum Glück nichts gebrochen." Rossi und Vinales kamen mit dem Schrecken davon, mussten die dramatischen Momente aber emotional erst verarbeiten. "Es war wirklich schrecklich. Extrem gefährlich", sagte Rossi. "Wir können heute ein Dankesgebet verrichten, woran auch immer man glaubt. Scheiße, mir geht es immer noch nicht gut. Diese Situation hat mir wirklich Angst gemacht und es war nicht einfach, wieder auf das Motorrad zu steigen. Aber wir haben keine Wahl. In den letzten Jahren fahren in der MotoGP alle sehr aggressiv, auch in den kleineren Klassen schon. Das kann ich verstehen und das ist auch in Ordnung, aber man darf es nicht übertreiben. Wir müssen einander respektieren und dürfen nicht vergessen, dass unser Sport sehr gefährlich sein kann. Wir sollten alle darüber nachdenken."

Maverick Vinales schildert die bangen Sekunden: "Ich habe nur ein Kratzen auf dem Asphalt gehört und dachte sofort: 'Scheiße, da ist jemand gestürzt.' Dann habe ich den Einschlag von Johanns Bike gehört und sah schon die Trümmer fliegen. Da habe ich nur noch die Hände nach oben genommen um mich zu schützen. Anschließend bin ich sofort wieder ans Gas, weil ich mir nicht sicher war ob das Rennen unterbrochen wird. Man darf da einfach nicht mehr dran denken, sonst kann man nicht mehr schnell fahren."