Auch wenn es sich schon teilweise angekündigt hatte, war es dennoch ein Schock für die gesamte MotoGP-Welt, als Andrea Doviziosos Manager Simone Battistella am Samstag die Trennung zwischen seinem Schützling und Ducati mit Saisonende bekanntgab. Die Entscheidung trafen Dovizioso und sein Manager. Dennoch hagelt es Kritik an Ducati.

Um die Kritik zu verstehen, muss man die letzten Monate und Jahre Revue passieren lassen. Als Dovizioso 2013 zu Ducati kam, lag der italienische Hersteller meilenweit hinter der japanischen Konkurrenz von Honda und Yamaha zurück. Über die Jahre hinweg trug Dovizioso mit seinem Eifer, seiner Demut und seinem technischen Verständnis entscheidend zur Weiterentwicklung der Desmosedici GP bei.

2016 wurden so erstmals seit Casey Stoner 2010 wieder Rennen gewonnen. Im Folgejahr kämpfte man sogar bis zum Saisonfinale gegen Marc Marquez um den MotoGP-Weltmeister.titel Dovizioso und Konstrukteur Gigi Dall'Igna wurden als kongeniales Duo gefeiert. Auch in den nächsten beiden Saisons reichte es zur Vizeweltmeisterschaft, doch das Verhältnis zwischen Dovizioso und Dall'Igna kühlte immer mehr ab.

Weil sich Dovizioso von Ducati nicht verstanden und sein Feedback zu wenig geschätzt fühlte. Im Vorjahr kam es am Sachsenring erstmals zu einem regelrechten Wutausbruch des sonst so ruhigen MotoGP-Routiniers. Er ärgerte sich darüber, dass man das Turning-Problem der Desmosedici GP seit Jahren nicht unter Kontrolle brachte und sich stattdessen auf technische Spielereien wie Holeshot-Devices, Schwingenspoiler oder Karbongabeln konzentrierte.

Dovizioso äußerte zuletzt vermehrt Kritik an Ducati, Foto: MotoGP.com
Dovizioso äußerte zuletzt vermehrt Kritik an Ducati, Foto: MotoGP.com

Mit diesem zerrütteten Verhältnis im Hintergrund ging man in das Jahr 2020. Während Honda mit Marc Marquez, Yamaha mit Maverick Vinales und Fabio Quartararo, Suzuki mit Alex Rins und Joan Mir oder Aprilia mit Aleix Espargaro schnell die wichtigsten Leute an sich binden konnte, herrschte bei Ducati und Dovizioso Eiszeit. Der Hersteller aus Borgo Panigale konnte oder wollte die Forderungen seines Piloten nicht erfüllen.

Casey Stoner verteidigt Andrea Dovizioso

Für Dovizioso ein Zeichen mangelnder Wertschätzung, das nun in seinem Abschied gipfelte. Eine Entscheidung, die Fahrerkollegen oder ehemalige Wegbegleiter gleichermaßen verstehen können. Gleichzeitig äußerten diese Kritik an Ducati. Den Auftakt machte auf Twitter Casey Stoner, der die Italiener gleich zwei Mal im Streit verließ: Einmal 2010, als man in Stoners krankheitsbedingter Abwesenheit hinter dessen Rücken mit Jorge Lorenzo verhandelte und zum zweiten Mal, als sich dieser in seiner Testfahrerrolle nicht ernstgenommen fühlte.

"Das ist nur meine Meinung, aber ich bin der Meinung, dass es sich Ducati nicht leisten kann, einen Fahrer wie Andrea Dovizioso zu verlieren", schrieb Stoner. "Ich glaube sie müssen irgendwann verstehen, dass nicht der Windkanal die Resultate holt, sondern die Fahrer und dass man auf sie hören muss."

Ganz ähnlich sieht die Situation Aleix Espargaro, der nächstes Jahr bei Aprilia Teamkollege von Dovizioso sein könnte, falls dieser den Platz des vorerst doping-gesperrten Andrea Iannone einnimmt: "Es sieht aus, als würden manche Teams die Leistung der Fahrer nicht genug anerkennen. Was Dovi für Ducati geleistet hat, ist unglaublich. Ich kenne die interne Situation nicht, aber Andrea ist für mich einer der besten Fahrer. Er arbeitet sehr hart, fährt eine sehr saubere Technik und hat dieses Motorrad sehr gut entwickelt. Am beeindruckendsten ist für mich, wie schnell er immer an den Renn-Sonntagen ist. Auch wenn er an den Freitagen und Samstagen nicht fantastisch unterwegs ist, so ist er am Sonntag immer wieder da. Ich würde es super finden, wenn wir ihn haben könnten. Er ist der zweitbeste Fahrer der letzten fünf Jahre. Er würde uns sehr helfen und auch mich als Fahrer besser machen. Ich kann sicher viel von ihm lernen. Andrea wäre mehr als willkommen bei Aprilia."

Auch aus dem Lager von Doviziosos Noch-Arbeitgeber Ducati gibt es kritische Stimmen. So etwa von Teamkollege Danilo Petrucci, der den Rennstall mit Saisonende ebenfalls verlässt und zu Tech3-KTM wechselt. "Ich verstehe seine Entscheidung voll und ganz. Besonders nach den Worten, die gestern gefallen sind. Andrea hat in diesen acht Jahren gute Arbeit geleistet, wird jetzt aber nur nach den nächsten beiden Rennen bewertet. Das war keine gute Idee", so Petrucci. Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti meinte am Freitag, dass die Spielberg-Rennen entscheidend für eine weitere Zusammenarbeit seien. Petrucci rechnete deshalb bereits mit einem Abschied Doviziosos. "Ich habe diese Neuigkeit erwartet, weil ich Andrea gut kenne und Ducati gut kenne. Ich denke, es lag schon länger in der Luft."

Jack Miller, der 2021 ins Werksteam aufsteigt und somit Stallgefährte von Dovizioso gewesen wäre, zeigte sich ebenfalls enttäuscht. "Ich muss mich bei ihm bedanken. Dieses konkurrenzfähige Paket haben wir Andrea zu verdanken. Es ist sehr schade, dass er Ducati verlässt", so Miller.