"Es ist inakzeptabel, gegen andere Ducati-Piloten auf der Bremse zu verlieren", stellt Andrea Dovizioso schonungslos nach dem MotoGP-Rennen in Brünn fest. Ducatis Nummer 1-Pilot kommt bereits seit Saisonbeginn mit der neuen Desmosedici GP nicht richtig auf Touren, in Brünn erreichte er aber einen neuen Tiefpunkt. Dovizioso schaffte es nicht über das Q1 hinaus, startete von Rang 18 und beendete das Rennen nur als Elfter. Johann Zarco auf dem Vorjahres-Bike im Avintia-Team stand hingegen auf dem Podium. Dovizioso versucht zu analysieren, weshalb das so ist.

"Wir haben ein paar Ideen, weshalb die Jungs auf den anderen Bikes besser zurechtkommen als wir", sagt Dovizioso nach dem Rennen. "Aber wir haben die Daten des Rennens in Brünn noch nicht analysiert, von daher sind es nur Vermutungen und keine gesicherten Informationen. Wir hoffen, dass wir vor Spielberg rausfinden, was unser Problem ist." Dann wird es auch langsam Zeit, denn als Vizeweltmeister der letzten drei Jahre wird von Dovizioso jetzt eines verlangt: Die Zeit, in der Marc Marquez nicht am Start ist, zu nutzen. Das hat der Italiener zuletzt aber nur bedingt geschafft, aktuell ist er Vierter in der Gesamtwertung hinter Fabio Quartararo, Maverick Vinales und Franco Morbidelli.

"Es ist schon das zweite Rennen, in dem ein Ducati-Pilot mit einem anderen Fahrstil und einem anderen Setup ein sehr gutes Rennen fährt", so Dovizioso reuevoll. Für ihn läuft es hingegen gar nicht. Auch wenn die GP20 entwicklungstechnisch kein großer Sprung von der GP19 ist, macht sie Dovizioso doch Schwierigkeiten. Die neuen Michelin-Pneus tun ihr Übriges. Ein Arbeiten wie in den letzten drei Jahren, in denen Dovizioso konstant mit Marquez ringen konnte, ist aktuell nicht möglich. "Man ist es gewohnt, Dinge auszuprobieren, wenn etwas nicht funktioniert", versucht der amtierende Vize-Champion seine Lage zu erklären. "Wenn dies nicht funktioniert, dann versucht man eben das. Aber alles, was wir in diesem Jahr bereits versucht haben, funktioniert einfach nicht."

Weniger Ducati-Erfahrung 2020 ein Vorteil?

"Wir haben die Situation nicht unter Kontrolle", klagt Dovizioso weiter. "Alles, von dem wir dachten, dass es funktionieren würde, tut es eben nicht." Damit steht der Italiener aber nicht alleine da, auch sein Teamkollege Danilo Petrucci und Pramac-Pilot Jack Miller hatten in Brünn so ihre Schwierigkeiten. Einzig und allein für Johann Zarco lief es gut und auch Pramac-Pilot Francesco Bagnaia lieferte vor seiner verletzungsbedingten Auszeit auch schon in Jerez starke Leistungen ab.

Genau hierin sieht Dovizioso einen mögliche Erklärung für die Probleme. "Bagnaia und Zarco waren an diesem Wochenende sehr schnell und sind auf einem komplett anderen Setup unterwegs als wir", so Dovizioso. "In der Vergangenheit haben wir nämlich alles komplett anders gemacht als sie, um dieselben Ergebnisse zu erzielen." Genau diese Vergangenheit könnte der Schlüssel zum Problem der Werks-Ducatis sein. "Es gibt einen Unterschied zwischen mir, Bagnaia und Zarco", spekuliert Dovizioso weiter. "Eine Sache ist vielleicht, dass Danilo, Jack und ich viele Erfahrungen mit diesem Bike haben. Wir haben alle mehr oder wenigen dieselben Probleme. Bagnaia und Zarco haben weniger Erfahrung. Sie sind in eine andere Richtung gegangen, weil sie eben weniger Erfahrung haben und nicht dem Standard folgen, der für Ducati in den letzten drei Jahren sinnvoll war. Das könnte es sein, aber es ist nur eine Vermutung."

Johann Zarco durfte sich in Brünn über ein Podium freuen, Foto: MotoGP
Johann Zarco durfte sich in Brünn über ein Podium freuen, Foto: MotoGP

Die Erfahrungen der letzten, für Ducati äußert erfolgreichen, Jahre könnten den Italienern also jetzt zum Verhängnis werden, denn mit den neuen Michelin-Reifen ist nichts so, wie es noch 2019 war. Das kein ein Johann Zarco, der vor 2020 noch nie eine Ducati gefahren ist, aber beispielsweise nicht wissen. Demnach schränkt es ihn auch nicht ein. In diesem Licht scheint Doviziosos Schlussfolgerung also durchaus plausibel.

Andrea Dovizioso: Michelin muss nichts für mich tun

Nun ist die Hoffnung des Ducati-Piloten, beim Rennen in Spielberg endlich Gewissheit über die eigenen Probleme zu haben - und dementsprechend an einer Lösung für das richtige Setup arbeiten zu können. Vor allem seine Einbußen auf der Bremse wurmen Dovizioso. "Ich war bisher immer der Beste auf der Bremse, weil meine Fahrweise mir es erlaubt hat. Aber wenn ich jetzt die Leistungen von Bagnaia in Jerez und die von Zarco in Brünn mit meinen vergleiche, dann habe ich am Sonntag dort viel Zeit verloren. Das kann ich nicht akzeptieren", gibt sich Dovizioso selbstkritisch.

"Das Setup ist beim Bremsen am Limit. Das ist nicht nur eine Frage meines mangelnden Gefühls. Ich bringe das Bike ans Limit und nichts funktioniert", ärgert sich der WM-Vierte. "Ich dachte, wenn ich meinen Fahrstil anpassen würde, würde sich die Sache von selbst klären, aber dem ist nicht so. Ich fürchte, ich werde mehr Hilfe vom Setup brauchen."

Die Schuld an seinen Schwierigkeiten an Reifenlieferanten Michelin abtreten will Dovizioso aber auch nicht. "Ich bin nicht die Art von Fahrer, die erwarten, dass etwas für sie angepasst wird, weil sie eine bestimmte Art und Weise haben zu fahren", stellt Dovizioso klar. "Das hier ist die WM und die Reifen sind für alle gleich. Bike und Fahrer müssen sich an die Situation anpassen. Ich tue, was ich kann."