465 Tage musste Valentino Rossi von seinem zweiten Platz in Austin 2019 bis zu Rang drei am Sonntag in Jerez auf ein MotoGP-Podium warten. Abgesehen von den desaströsen Ducati-Jahren die schwerste Krise in der zweieinhalb Dekaden langen Karriere des Superstars. Denn während seiner jüngsten Dursttrecke war Rossi meist nicht einmal in der Nähe der vorderen Ränge unterwegs.

Den Tiefpunkt erreichte er dann vor einer Woche beim Saisonauftakt 2020. Rossi war in jeder Session mit Ausnahme von FP1, wo Fabio Quartararo wegen eines Verstoßes gegen die Testbestimmungen erst mit 20 Minuten Verspätung ins Geschehen eingreifen durfte, schlechtester Yamaha-Pilot. Zum Zeitpunkt seines technischen Defekts im Rennen lag Rossi nur auf dem zehnten Platz.

"Da habe ich mir gedacht: 'Nein, so nicht'", verriet Rossi nach seiner sportlichen Wiederauferstehung und dem MotoGP-Podium im zweiten Jerez-Rennen. Er haute Yamaha-intern auf den Tisch und forderte zusammen mit seiner Crew und deren neuem Chef David Munoz endlich Veränderungen, die sich Rossi bereits seit längerer Zeit wünschte.

"Wir hatten ein politisches Problem mit Yamaha", sagte Rossi. "Sie waren der Meinung, dass ich das Motorrad so fahren muss, wie Fabio und Maverick. Für mich hat das aber nicht funktioniert, also habe ich zusammen mit David (Crewchief Munoz, Anm.) und meiner Crew mächtig Druck auf die japanischen Ingenieure bei Yamaha gemacht. Es war nicht einfach, aber für manche Dinge muss man eben kämpfen."

Rossi kämpfte in Jerez bis zum Ende mit Teamkollege Vinales, Foto: MotoGP.com
Rossi kämpfte in Jerez bis zum Ende mit Teamkollege Vinales, Foto: MotoGP.com

Yamaha lenkte schließlich ein. "Wir hatten bei all unseren vier Fahrern ähnliche Setups in Verwendung. Vale hatte damit aber immer Probleme, was den Grip und die Reifen angeht", erklärte Motorsportchef Lin Jarvis die Situation im Gespräch mit 'Sky Italia'. "Nach dem schwierigen ersten Wochenende in Jerez war er der Meinung, dass es besser wäre, Veränderungen vorzunehmen. Er hat deshalb auf einen Setup-Wechsel gedrängt und wollte wieder auf eine Abstimmung aus der Vergangenheit zurückkehren, obwohl wir es mittlerweile mit einem ganz anderen Motorrad und ganz anderen Reifen zu tun haben."

Yamaha krempelt M1 für 2020 um

Tatsächlich hat sich die M1 des Modelljahrgangs 2020 im Vergleich zu ihren Vorgängern deutlich verändert. Das bestätigen alle Piloten unisono. Und Michelin lieferte zur neuen Saison einen überarbeiteten Hinterreifen, der das Fahrverhalten aller Maschinen quer durch das Feld massiv beeinflusste. "Solche Situationen zu managen, ist nicht einfach. Vor allem nicht, wenn du mehrere schnelle Fahrer hast und nur einer etwas ändern will", gibt Jarvis zu bedenken. "Die japanischen Ingenieure haben viele Daten zur Verfügung, aus denen sie ihre Schlüsse ziehen. Schlussendlich hat sich Vales Hartnäckigkeit in diesem Fall aber ausgezahlt. Die Ingenieure können nicht nur auf Daten vertrauen, sondern müssen auch auf die Fahrer hören."

Das scheint nun bei Yamaha und Rossi passiert zu sein. Nun gilt es aber, das starke Ergebnis aus Jerez zu bestätigen. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer. Die Tatsache, dass 'Il Dottore' auf der in den vergangenen Jahren für ihn extrem schwierigen Strecke in Südspanien bei noch dazu großer Hitze konkurrenzfähig war und die seit langer Zeit vorhandenen Probleme mit zu großem Reifenverschleiß im Griff hatte, ist aber auf jeden Fall ein erstes positives Signal.