KTM arbeitete sich mit seinem MotoGP-Projekt in den vergangenen Jahren konstant nach vorne. Die Fortschritte fielen aber oft kleiner aus, als man sich das erhofft und erwartet hatte. Pol Espargaro schaffte es im Vorjahr zwar acht Mal in die Top-Ten, von der absoluten Spitze der Königsklasse war man aber meist doch ein deutliches Stück entfernt.

Lediglich in Le Mans konnte Espargaro voll mithalten. Mit weniger als sechs Sekunden Rückstand fuhr er auf P6. Hierzu muss aber gesagt sein, dass KTM damals seine Concession-Vorteile nutzte und weniger als ein Monat vor dem Grand Prix zwei Testtage in Le Mans. Außerdem kommt das Stop-and-Go-Layout der französischen Strecke der Charakteristik der RC16 entgegen, ebenso wie die am Renntag kühlen Bedingungen mit nur 15 Grad Außen- und 19 Grad Streckentemperatur.

Am vergangenen Sonntag in Jerez gelang Espargaro ein ganz ähnliches Resultat. Wieder war es Platz sechs, dieses Mal mit 6,938 Sekunden Rückstand auf Sieger Fabio Quartararo. Zum MotoGP-Saisonauftakt in Südspanien herrschten aber ganz andere Verhältnisse. Bei 32 Grad Außen- und 53 Grad Streckentemperatur wurde das Rennen zu einer echten Hitzeschlacht. In Verbindung mit dem Layout von Jerez, wo es zahlreiche langgezogene, schnelle Kurven zu bewältigen gibt wäre das in der Vergangenheit Gift für die RC16 gewesen.

Nicht so aber im Jahr 2020. Espargaro verkleinerte den KTM-Rückstand auf die Siegerzeit im Vergleich mit den letzten Saisons auf einen Bruchteil. 2019 fehlten ihm als 13. 20,156 Sekunden, 2018 war Mika Kallio mit 19,405 Sekunden Verspätung im Ziel bester Pilot in Orange. Im Debütjahr 2017 setzte es noch eine kräftige Ohrfeige: 47,964 Sekunde kassierte Bradley Smith damals und wurde 14.

2017 hatte KTM in Jerez mit den Spitzenpositionen nichts zu tun, Foto: KTM
2017 hatte KTM in Jerez mit den Spitzenpositionen nichts zu tun, Foto: KTM

Betrachtet man nur die reine Pace, wäre für Espargaro und KTM am Sonntag sogar noch mehr möglich gewesen. Lediglich die über weite Strecken des Rennens vor ihm platzierte Werks-Ducati von Andrea Dovizioso machte einen Strich durch die Rechnung. "Eine Ducati zu überholen ist hier fast eine Mission Impossible", sagte Espargaro nach dem Rennen. Aussagen, wie man sie beispielsweise auch von Sieger Fabio Quartararo hörte. "Ich war eigentlich überall schneller als Dovi: Auf der Bremse, beim Einlenken und in der Kurve. Aber sie haben einen derart starken Topspeed, dass ich auf den Geraden immer etwas zurücklag und ihn kaum ausbremsen konnte."

KTM kann mit Yamaha mithalten

Auch im direkten Vergleich mit der Yamaha von Franco Morbidelli, der sich in einer turbulenten Schlussphase noch vor Espargaro setzen konnte, sah der KTM-Projektleader Vorteile: "Mit Vinales und Quartararo fehlt mir der direkte Vergleich, aber Morbidelli war heute sicher nicht schneller als ich. Wenn Dovi und ich mehr gepusht haben, konnte er nicht mithalten. Er ist nur vor mir gelandet, weil ich Miller ausbremsen wollte, dabei weit gegangen bin und er das genützt hat."

All diese Faktoren sorgen bei KTM für eine breite Brust nach dem Saisonstart. "Ich bin mir jetzt sicher, dass uns in der unmittelbaren Zukunft tolle Dinge gelingen werden", stellt Espargaro klar. "Die KTM ist jetzt eine komplette Rennmaschine, die nur noch in Details verbessert werden muss. Wir sind auf einem Level mit der Konkurrenz. Das zeigt auch der Speed von Brad, Miguel und Iker. Alle vier KTMs waren an diesem Wochenende schnell. Genau das wollten wir erreichen. Wir sind jetzt voll im Spiel!"

Tatsächlich war Espargaro am Sonntag in Jerez nicht wie oft in der Vergangenheit alleinige Speerspitze im KTM-Lager. Brad Binder wurde bei seinem MotoGP-Debüt zwar nur 13., doch das war einem Ausrutscher geschuldet. Fast 27 Sekunden verlor er bei diesem, am Ende des Rennens fehlten dem Südafrikaner gerade einmal 29,640 Sekunden. Mehr als nur eine Talentprobe! Miguel Oliveira rundete mit P8 das starke KTM-Mannschaftsergebnis aus. Iker Lecuona crashte aus dem Rennen.