Der MotoGP-Saisonauftakt in Jerez war nichts für schwache Nerven! Der Wahnsinns-Save, die wilde Verfolgungsjagd und der anschließende Crash von Marc Marquez, das technische Aus von Valentino Rossi und der erste MotoGP-Sieg für Fabio Quartararo machten den Spanien GP zu einem spektakulären Opener, der sich sogar massiv auf die Abrechnung am Ende des Jahres auswirken könnte. Wie hat Jerez die Ausgangslage für die Weltmeisterschaft 2020 verändert?

Vor dem Saisonstart ging der amtierende Weltmeister Marc Marquez ganz klar als Favorit ins Rennen um die Krone. So sehr sogar, dass viele Konkurrenten bereitwillig eingestanden, dass es wohl der Repsol Honda-Pilot werden würde, der am Ende des Jahres über alle anderen triumphiert. Ungewohnte Aussagen von Sportlern, die grundsätzlich auf Sieg gepolt sind und immer sich selbst an der Spitze sehen. Die Dominanz von Marquez hat in den letzten Jahren also deutliche Spuren hinterlassen.

Das könnte in diesem Jahr anders werden, denn auch wenn Marquez beim ersten Rennen in Jerez einmal mehr Unfassbares ablieferte, ging er am Ende doch mit null Punkten und einer Verletzung nach Hause, während seine ärgsten Konkurrenten jeweils 25, 20 und 16 Punkte auf ihr Konto luden. In einer derart eng gestrickten Saison wie 2020 keine gute Ausgangslage.

Das ist nicht nur Marquez selbst bewusst, sondern auch seinen Konkurrenten. Maverick Vinales erinnert nach dem Rennen in Jerez: "Ich weiß nicht, wie der Crash und seine Verletzung Marc beeinflussen werden. Das Problem ist aber, dass diese Saison sehr kurz ist und wir nicht wissen, wie lange seine Reha-Phase dauern wird. Ein Comeback wird nicht einfach, weil wir alle auf einem starken Level sind. Zehn Fahrer liegen in weniger als einer Sekunde."

Marc Marquez crashte beim Spanien GP nach einer wilden Aufholjagd aus dem Rennen, Foto: Twitter/Screenshot
Marc Marquez crashte beim Spanien GP nach einer wilden Aufholjagd aus dem Rennen, Foto: Twitter/Screenshot

Selbst für Ausnahmetalent Marquez dürfte es nicht einfach werden, die Konkurrenz nach einem Nuller und eventuell gesundheitlich gehandicapt einzuholen und niederzuringen. Anstatt gejagt zu werden, ist Marquez nun in der Position des Jagenden. Das ist dem Honda-Piloten schon lange nicht mehr passiert.

Yamaha als WM-Favorit?

Stattdessen steht aktuell Yamaha auf der Pole Position für den WM-Sieg. Mit Fabio Quartararo und Maverick Vinales belegen die Japaner die ersten beiden Positionen in der Gesamtwertung, bevor auf Rang drei mit Andrea Dovizioso eine Ducati steht. Die erste Honda findet sich erst auf P10, mit LCR-Pilot Takaaki Nakagami. Der Vorteil liegt also eindeutig im Yamaha-Lager, auch wenn Marquez und Honda nicht zu unterschätzen sind.

Für Quartararo und Vinales gibt es im WM-Kampf aber ohnehin nur eine Devise, ob mit Marquez-Patzer oder ohne. "Es kommt in der verkürzten Saison jetzt darauf an, sich auf sich selbst zu konzentrieren und keine Fehler zu machen", erinnert Vinales. Quartararo und Dovizioso schließen sich der Meinung des Spaniers an. Letzterer ist überzeugt, dass der Crash und die Verletzung nur Auswirkungen auf Marquez selbst haben. "Er hat Punkte in einer sehr engen WM verloren und ist vielleicht ernsthaft verletzt. Er könnte ein weiteres Rennen verpassen und weil die Konkurrenzfähigkeit von Yamaha so stark ist, wird das eine große Herausforderung", sagt Dovizioso.

So sieht auch der Italiener die beiden Yamaha-Stars aktuell als erste Anwärter für den WM-Titel. "Ich denke, sie haben beide die Chance, den Titel zu holen. Das wäre aber auch ohne die null Punkte von Marc so", erläutert Dovizioso. Dieselbe Chance räumt er auch sich selbst ein, wenn auch verhaltener: "Ich glaube selbstverständlich auch, dass ich mitmischen kann. Aber ohne den speziellen Speed, der uns aktuell noch fehlt, verlieren wir Punkte."

Quartararo hingegen hat seine Meinung nach seinem ersten MotoGP-Sieg geändert. Vor der Saison wollte er noch nicht so recht an den WM-Titel denken, das ist nach Jerez nun aber hinfällig. "Ich sehe mich jetzt selbst als Anwärter auf den Titel", verkündet der Franzose. "Ich muss nur konzentriert bleiben und von Rennen zu Rennen denken. Ich fühle mich toll auf dem Bike und wir haben eine gute Basis gefunden."

Solche Aussagen des derzeitigen WM-Leaders dürften den verletzten Marquez nicht ruhiger werden lassen. Zum ersten Mal seit langer Zeit steht der Honda-Pilot nicht auf der Spitzenposition für den nächsten WM-Titel, sondern muss sich gegen die Konkurrenz durchsetzen - und die hat es in sich.