Die Silly Season der MotoGP ist im vollen Gange, auch wenn auf der Strecke aktuell noch nichts passiert. Das größte Rätsel umgibt derzeit KTM-Pilot Pol Espargaro. Vor einiger Zeit kamen Gerüchte auf, dass der Spanier vor einem Wechsel zu Repsol Honda steht. KTM bestätigte diese Option für Espargaro, entschieden sei aber noch nichts. Jetzt sprach der jüngere Espargaro-Bruder erstmals über den möglichen Wechsel.

Im Gespräch mit 'MotoGP.com' erklärt Espargaro zuerst, dass er nicht nur von KTM und Repsol Honda ein Angebot für die Saison 2021 bekommen hat, sondern auch von anderen Herstellern der Königsklasse. "Es ist für jeden Piloten eine Traumsituation, von mehreren Herstellern ein Angebot auf dem Tisch zu haben", schwärmt Espargaro. Zwei Parteien, KTM und Repsol Honda, haben bereits konkretes Interesse an dem Spanier angemeldet, aber dabei ist es nicht geblieben, wie Espargaro verrät: "Es haben auch noch andere angeklopft. Wir sprechen mit allen Herstellern, die für die nächste Saison freie Plätze haben."

Selbstverständlich, eine bessere Position als die Espargaros könnte es für keinen MotoGP-Piloten geben. Nur eine Entscheidung zu treffen, das fällt dem Spanier nicht leicht, denn immerhin haben alle Hersteller, die bei ihm angeklopft haben, ihre Vorzüge. Vor allem die Angebote von Honda und Ducati geben Espargaro zu denken.

"Wir haben in der Vergangenheit gesehen, wer Rennen gewinnt. Es ist Marc. Natürlich ist sein Talent ein Ausnahmefall, aber am Ende gewinnt er mit einem Honda-Chassis. Das bedeutet, dass man damit die größten Chancen auf einen Rennsieg und den WM-Titel hat", erläutert Espargaro und stellt weiter folgende Behauptung auf: "Ich denke, es ist klar, dass die Honda das Bike ist, das alle Fahrer haben wollen."

Der Ducati räumt der Spanier allerdings denselben Status ein. "Alle wollen das Honda-Bike, genauso wie die Ducati, weil sie die beiden stärksten Motorräder im aktuellen Grid sind." Diese Behauptung Espargaros lässt sich nur schwer entkräften, schließlich haben die beiden Hersteller in den letzten zwei Jahren nicht umsonst jeweils Fahrer- und Konstrukteurstitel unter sich ausgemacht.

Wenn es also nur nach Erfolgsstatistik geht, müsste Espargaro über einen möglichen Wechsel von KTM hin zu einem der beiden Top-Hersteller der MotoGP gar nicht erst lange nachdenken. Aber darum allein geht es eben nicht, wie Espargaro auch zu bedenken gibt: "Natürlich würde ich gerne zu einem der beiden Teams wechseln, aber ich muss auch die Situation bei KTM betrachten. Ich muss sehen, was wir erreichen können."

Das Projekt aus Mattighofen liegt Espargaro sehr am Herzen. Der Spanier ist seit dem Einstieg der Österreicher in die MotoGP zur Saison 2017 mit dabei, damit kommt er 2020 auf das vierte Jahr als Teil der KTM-Familie. Pit Beirer und Co. werden nicht müde zu betonen, wie bedeutend Espargaro für die Entwicklung der RC16 ist und auch der Spanier selbst genießt die Verantwortung und das Vertrauen, die seine Führungsrolle mit sich bringen.

Genau deshalb ist über einen möglichen Wechsel auch nicht so leicht entschieden, wie man nüchtern betrachtet vielleicht denken würde. "Meine Position bei KTM ist zurzeit von vielen Emotionen geprägt", so Espargaro. "Es wird unser viertes, gemeinsames Jahr und wir sind zusammen durch viele schwere Zeiten gegangen. Aber wenn man diese erfolgreich hinter sich lässt, dann schweißt das zusammen. So könnte man unsere Beziehung momentan beschreiben. Wenn ich in der Zukunft irgendwann mal gehen sollte, wäre ich sehr traurig."

Pol Espargaro trägt das KTM-Projekt auf seinen Schultern, Foto: Ronny Lekl
Pol Espargaro trägt das KTM-Projekt auf seinen Schultern, Foto: Ronny Lekl

Espargaro muss sich also nun entscheiden: Trifft er die Wahl zugunsten einen sofort konkurrenzfähigen Herstellers oder hält er an seinem Herzensprojekt KTM fest? In dieser Gleichung, die es für den Spanier zu lösen gilt, gibt es aber einen großen Knackpunkt: Sein Alter. "Ich bin nicht mehr der Jungspund, der zu KTM kommt und ein paar Jahre Zeit zum Investieren in ein Bike hat", argumentiert Espargaro. "Ich möchte mit 29 Jahren jetzt mein Potenzial zeigen, denn ich habe keine zehn Jahre mehr."

Um eine Entscheidung treffen zu können, will sich Espargaro also mindestens noch so viel Zeit lassen, bis er die neue RC16 unter Rennbedingungen getestet hat. So kann er in etwa abschätzen, ob das Bike auch in Zukunft konkurrenzfähig sein wird und er so sein Talent unter Beweis stellen kann. "Ich weiß nicht, ob die aktuelle KTM um den Titel kämpfen kann. Ich fühle zurzeit so viele unterschiedliche Emotionen, es ist nicht einfach."

Genau deshalb wird es in naher Zukunft wohl auch noch zu keiner Entscheidung im Fall Espargaro kommen. "Ich weiß auch noch nicht, was in Zukunft passiert. Im Moment ist noch nichts entschieden, ich kann also noch nichts verkünden", so der Spanier. "Ich bin aber natürlich der Erste, der diese Sache vom Tisch haben möchte. Aber wir müssen erst einmal ruhig bleiben und in die Saison starten. Dann wird sicher etwas entschieden werden, aber das braucht noch Zeit."

Petrucci besucht Mattighofen

Zeit, die andere Piloten und vielleicht auch KTM selbst nicht haben. Allen voran Danilo Petrucci, dessen Zeit als Ducati-Fahrer mit Ende 2020 abgelaufen ist. Der Italiener sucht also nach Alternativen. Vorzugsweise solchen, die nicht in der Superbike-WM liegen. Damit bleibt ihm nur der Wechsel zu Aprilia, der jedoch abhängig von der Entscheidung des Internationalen Sportgerichthofes CAS im Dopingfall Andrea Iannone ist, oder zu KTM. Um letztere Möglichkeit zu besprechen, soll Petrucci dieser Tage bereits in Mattighofen zu Gast gewesen sein, um über einen möglichen Vertrag zu sprechen.

Gleichfalls soll aber auch LCR-Pilot Cal Crutchlow Interesse an Espargaros Sitz auf der RC16 angemeldet haben, Andrea Dovizioso ebenso. Bei letzterem scheint es jedoch mittlerweile, als würde er sich für den Verbleib im Ducati-Team entscheiden. Somit steht aktuell als einziges fest: Die Silly Season der MotoGP wird auch in diesem Jahr nicht langweilig.