Dass der geplante Termin von 19. bis 21. Juni für den Deutschland-GP der MotoGP nicht halten würde, war schon seit längerer Zeit klar. Das Verbot von Großveranstaltungen bis Ende August machte diesen unmöglich. MotoGP-Promoter Dorna und GP-Veranstalter ADAC arbeiteten dann an einem neuen Termin für den Sachsenring, wie man bekanntgab.

Am Mittwoch folgte aber schließlich die Hiobsbotschaft: Kein Ersatztermin für den Deutschland-GP 2020, Austragung erst wieder im nächsten Jahr. Warum klappte die Verschiebung des Rennens, wie sie andere Grands Prix zumindest vorläufig geschafft haben, am Sachsenring nicht? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe:

1. Grund: Reisebeschränkungen für die MotoGP

Das größte Problem für eine Durchführung des Deutschland-Grand-Prix waren die geltenden Reisebeschränkungen in der Corona-Krise. Das Paddock der Motorrad-Weltmeisterschaft ist mit normalerweise rund 3.000 arbeitenden Personen nicht nur sehr groß, sondern auch extrem international. Alleine die Fahrer von MotoGP, Moto2 und Moto3 stammen aus 19 Ländern, zusammen mit der MotoE sind es sogar 24. Eine faire Saison wäre nur möglich, wenn alle Starter teilnehmen können. Das schien dem ADAC in Deutschland nur schwer möglich.

Die Fahrer der Motorrad-WM leben auf sechs Kontinenten, Foto: Tobias Linke
Die Fahrer der Motorrad-WM leben auf sechs Kontinenten, Foto: Tobias Linke

"Niemand weiß aktuell, wie sich die Reisebeschränkungen entwickeln", gibt ADAC-Motorsportchef Thomas Voss auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com zu bedenken. "Dadurch gestaltet sich die Planung für die MotoGP oder auch die Formel 1 viel schwieriger, als es beispielsweise für uns im GT Masters der Fall ist, wo wir uns fast nur in Deutschland bewegen. Wir wissen einigermaßen, was auf uns zukommt. In vielen für die MotoGP relevanten Ländern ist die weitere Entwicklung aber völlig unvorhersehbar."

2. Grund: Geisterrennen für ADAC nicht sinnvoll

Selbst bei einem neuen Termin im Herbst wäre die Durchführung des Deutschland-GPs wohl nur als Geisterrennen, also unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit, möglich gewesen. Tatsächlich gab es diesbezüglich Gespräche zwischen ADAC und Dorna. Das Ergebnis war allerdings, dass man sich gegen diese Variante entschied. "Der Motorrad-Grand-Prix am Sachsenring lebt von den Fans", so Motorsportchef Voss. "Er lebt davon, dass 200.000 Leute am Wochenende kommen. Er lebt auch vom Ankerberg. Wir hätten es nicht übers Herz gebracht, den Menschen dann nach 22 Jahren zu sagen, dass sie nicht hinein dürfen, obwohl das Event stattfindet. Somit hätte diese Veranstaltung unserer Meinung nach für niemanden Sinn gemacht."

Auch, weil der ADAC in diesem Fall vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen gestanden wäre. Ein Rennen ohne Ticketeinnahmen ist für jeden Veranstalter schwierig zu stemmen, für den Deutschland-GP gilt das aber umso mehr. Denn der Sachsenring ist keine permanente Rennstrecke, sondern ein Fahrsicherheitszentrum, in dem nur an 10 Tagen im Jahr Motorsport stattfindet. Deshalb muss etwa für die MotoGP erst eine Infrastruktur geschaffen werden, welche an anderen Strecken bereits vorhanden ist. "Für uns wäre ein Geisterrennen noch unwirtschaftlicher gewesen als für andere Orte", so Voss. "Die Dorna hätte diese Kosten mittragen müssen und somit haben wir diese Option relativ schnell gemeinsam ausgeschlossen."

MotoGP - Wie geht es nach Corona weiter? (33:52 Min.)

3. Grund: Fehlende Planungssicherheit am Sachsenring

Der Sachsenring hat aufgrund seiner Position als temporäre Rennstrecke wie bereits erwähnt mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Während auf anderen Kursen in der Regel etwa zwei Wochen Vorlaufzeit für ein Grand-Prix-Wochenende reichen, wird am Sachsenring rund das Dreifache benötigt. Jedes Stromkabel und jede Wasserleitung muss eigens verlegt und Tribünen aufgebaut werden. "Wir hätten mit allen Arbeiten pünktlich beginnen können, aber jetzt wird natürlich alles abgesagt", verrät Peter Weidinger vom ADAC-Sachsen.

"Wir brauchen für den Grand Prix am Sachsenring einfach Planungssicherheit", fügt Motorsportchef Voss hinzu. "Ich kann nicht einem Dienstleister sagen, dass er mit seinen Arbeiten anfangen soll, wenn ich nicht weiß, ob er diese überhaupt zu Ende bringen kann oder darf."