Es war der wohl kürzeste Ruhestand der MotoGP-Geschichte. Am 14. November gab Jorge Lorenzo in Valencia seinen Rücktritt bekannt, Anfang Februar saß er als Testfahrer für Yamaha schon wieder im Sattel der M1. Für den Katalonien-GP, wann auch immer dieser aufgrund der Corona-Krise über die Bühne gehen wird, hat Lorenzo eine Wildcard erhalten.

Die Tatsache, dass der Mallorquiner die Meinung über seine MotoGP-Karriere anscheinend derart schnell geändert hat, sorgt für Verwunderung im Paddock. "Jorge hat gesagt, er will aufhören, weil er Angst vor weiteren Verletzungen hat", erinnert sich sein damaliger Repsol-Honda-Teamkollege Marc Marquez im Gespräch mit 'DAZN'. "Vielleicht hatte aber nur Angst vor unserem Motorrad. Denn wenn er jetzt mit Yamaha wieder einen Wildcard-Einsatz bestreiten will, dann kann er kaum Angst vor dem Fahren an sich haben."

Eine Theorie, die auch KTM-Werkspilot Pol Espargaro unterstützt. "Für mich war sein Rücktritt nur eine Möglichkeit, um von Honda loszukommen, ein Jahr Auszeit zu nehmen und dann auf Yamaha zurückzukehren", sagte Espargaro gegenüber 'As'. "Jorge war bei Honda nicht erfolgreich und er ist ein sehr stolzer Mann, also ist er lieber freiwillig gegangen, als sich rauswerfen zu lassen. Meiner Meinung nach war das aber ein Fehler. Jorge ist nicht in einer Phase seiner Karriere, in der er zurücktreten müsste. Viele Teams hätten ihn sicher gerne."

Jorge Lorenzo antwortete nun bei 'Radio Catalunya' auf Espargaros Worte: "Das ist Pols Meinung. Er hat sie respektvoll formuliert und ich nehme das zur Kenntnis. Man soll niemals nie sagen, aber aktuell habe ich nicht vor, als Stammfahrer zurückzukommen. Wenn ich wieder dauerhaft fahre, könnte ich ja maximal meine Erfolge aus der Vergangenheit wiederholen, denn mehr, als MotoGP-Weltmeister zu werden, kann man in unserem Sport nicht erreichen. Deshalb mache ich im Moment lieber andere Tage und fahre ein paar Tage im Jahr ein MotoGP-Bike. Das ist für mich derzeit der perfekte Job."

Recht gibt Lorenzo seinem ehemaligen und vielleicht baldigen Gegner Espargaro aber, was seinen immer noch hohen Wert am MotoGP-Fahrermarkt angeht. "Wenn ich mich zu einem Vollzeit-Comeback entschließen sollte, würde es mir sicher nicht an Angeboten mangeln", so der dreifache MotoGP-Weltmeister.

Welche MotoGP-Optionen hat Jorge Lorenzo?

Realistisch betrachtet gibt es für Jorge Lorenzo zwei Möglichkeiten für ein Comeback als Stammfahrer 2021. Dass er sich im Alter von dann 33 Jahren noch einmal einen Wechsel auf ein für ihn neues Fabrikat - sein dann viertes in der MotoGP - antut, scheint so gut wie ausgeschlossen. Also kommen nur Ducati und Yamaha in Frage. Im Ducati-Werksteam könnten für nächste Saison gleich zwei Plätze frei werden. Andrea Dovizioso hat sich noch nicht entschlossen, ob er seine Karriere fortsetzen wird. Und Danilo Petrucci muss deutlich zulegen, will er seinen Platz behalten. Jack Miller gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Factory-Truppe neben Lorenzo, der vor allem in General Manager Gigi Dall'Igna einen großen Fürsprecher hat.

Seine größten Erfolge feierte Lorenzo aber freilich bei Yamaha. Dort ist das Werksteam für 2021 und 2022 bereits mit Maverick Vinales und Fabio Quartararo besetzt. Im Kundenrennstall von Petronas sind aber noch beide Plätze frei. Valentino Rossi wurde eine der beiden Maschinen zugesichert, wenn er sich für eine Fortsetzung seiner Karriere entscheidet. Um den zweiten Platz könnten sich dann Franco Morbidelli und Lorenzo duellieren, bei einem Rücktritt Rossis wäre Morbidelli und Lorenzo eine denkbare Fahrerpaarung.