Die andauernde Ausbreitung des Coronavirus hält aktuell die ganze Welt in Atem. Das kriegt natürlich auch das MotoGP-Fahrerlager zu spüren. Momentan soll der Saisonstart der Königsklasse nun Anfang Mai beim Spanien GP in Jerez über die Bühne gehen. Tech3-Teamboss und IRTA-Mitglied Herve Poncharal hat daran jedoch berechtigte Zweifel.

"Jeder, der an einen Saisonstart am 03. Mai glaubt, hat Wahnvorstellungen", zitiert die spanische 'Marca' den Franzosen, der aber gleich hinterherschiebt: "Das ist meine persönliche Meinung. Aber wir müssen sehen, wie sich die Situation entwickelt. Trotzdem glaube ich, dass die Rennen, die für den Monat Mai angesetzt sind, also Jerez, Le Mans und Mugello, in großer Gefahr sind. Wenn wir Glück haben, starten wir in Katalonien im frühen Juni."

Klare Worte von einem MotoGP-Insider, die nicht beschönigen. Aber Poncharal hat diese Meinung aus guten Grund geformt und führt sogleich ein paar Beispiele an: "Die meisten europäischen Länder haben ihre Grenzen geschlossen und große Sportevents wurden abgesagt", so Poncharal. Sogar die Olympischen Spiele, die im Juli in Japan stattfinden sollen, stehen auf der Kippe.

Erst Normalität, dann MotoGP

"Wir können die Dinge nicht überschauen. Wir müssen ehrlich sein und uns eingestehen, dass niemand weiß, wie sich der Virus weiter verbreiten wird. Genauso wenig weiß jemand, wie lang all die neuen Richtlinien und Regulationen der Länder in Kraft bleiben werden", stellt Poncharal weiter nüchtern klar. Genau deshalb hält es der Franzose auch für "geradezu dumm", Erwartungen an den MotoGP-Rennkalender zu stellen.

Ein weiteres Problem, das der Franzose neben den Schließungen der Grenzen zu bedenken gibt, sind die logistischen Situationen vor Ort an den Strecken, sollte man theoretisch überhaupt so weit kommen. "Die Strecke in Jerez ist geschlossen und die Lage in Texas oder Malaysia ist ähnlich", so Poncharal. "Bis wir also zu unserem normalen Leben zurückkehren und 100.000 Leute an einem Sonntag an einer Rennstrecke versammeln können, wird es noch eine Zeit dauern."

Die Message des Tech3-Teamchefs ist also klar: Zuerst muss die gesamte Menschheit zurück zur Normalität finden, erst dann kann sich um so vergleichsweise winzige Probleme wie die Austragung eines Motorradrennens gekümmert werden. "Wir müssen jetzt erst einmal alle vorsichtig sein und dabei helfen, den Virus nicht noch weiter zu verbreiten", appelliert Poncharal. "Dann werden wir sehen, wann wir wieder zurück zum Normalzustand kehren können."

Herve Poncharal hat eine klare Meinung zur aktuellen Lage der MotoGP, Foto: KTM
Herve Poncharal hat eine klare Meinung zur aktuellen Lage der MotoGP, Foto: KTM

Keine Pause für die Dorna

Letztendlich weiß Poncharal aber auch, dass die Entscheidung für oder gegen die Austragung eines MotoGP-Rennens nicht bei ihm liegt. Es kommt vor allem auf MotoGP-Vermarkter Dorna an. "Der Kalender liegt in den Händen von Carmelo (Ezpeleta, Dorna-CEO)", gibt Poncharal einen Einblick. "Wir müssen die Organisationsstrukturen in unserem Sport respektieren und anerkennen, wer für welche Bereiche zuständig ist."

Auch wenn der Franzose letzten Endes keine Entscheidungsgewalt hat, ist er als Vertreter der MotoGP-Teamvereinigung IRTA dennoch fast täglich mit Ezpeleta und seinem Sohn Carlos sowie mit IRTA-CEO Mike Trimby und FIM-Präsident Jorge Viegas in Kontakt. "Carmelo arbeitet ohne Pause am Kalender", verriet Poncharal weiterhin. Der Dorna-Boss ist also wie Viegas fest entschlossen, alle übrigen 19 MotoGP-Rennen der Saison 2020 irgendwie über die Bühne zu bringen.

Poncharal: Für mich unmöglich, 19 Rennen zu absolvieren

Diese Entscheidung muss Poncharal, wie alle anderen Mitglieder des MotoGP-Paddocks, im Zweifel akzeptieren. Seiner eigenen Überzeugung entspricht das trotzdem nicht: "Wenn ich nach meiner persönlichen Meinung gefragt werde, haben wir noch 19 Rennen vor uns. Für mich scheint es aber unmöglich, diese Anzahl auch zu absolvieren."

Im Gegensatz zu seinen Kollegen glaubt Poncharal also nicht mehr an eine fast vollständige MotoGP-Saison, auch wenn der aktuell von der FIM verlautete Kalender alle 19 Rennen beinhaltet. Stattdessen sagt er: "Wir haben das MotoGP-Rennen in Katar verloren, ebenso Buriram, Austin und Termas. Diese Rennen wurden zwar verschoben, aber noch wurden sie nicht gefahren."