Jorge Lorenzo machte in Sepang keinen Hehl daraus, was sein Comeback in den Reihen von Yamaha wirklich bedeutet: "Es fühlt sich an, als wäre ich wieder zu Hause, in der Heimat. Neun Jahre war ich bei Yamaha und außerdem ist es das MotoGP-Team, mit dem ich WM-Titel gewonnen habe und drittens, weil ich mich hier immer wohl gefühlt habe." Und so sei es ihm auch beim Shakedown gegangen - auf dem Motorrad war Lorenzo sofort wieder bei der Musik dabei. "Ich freue mich darauf, Yamaha zu helfen, einen weiteren WM-Titel zu gewinnen."

Bedanken wollte sich Lorenzo vor allem bei seinem eigentlichen Noch-Arbeitgeber Honda. "Ich kann von Glück reden, dass sie mir keine Klauseln auferlegt und mir nicht verboten haben, dieses Jahr für einen anderen Hersteller zu fahren. Das hätten sie machen können, haben es aber nicht. Nur darum kann ich jetzt hier sein."

Chance auf echtes Comeback von 99 auf 98 Prozent gesunken

Lorenzo hat den Spaß am Motorradfahren wieder gefunden. "Als ich in Valencia zurückgetreten bin, wollte ich komplett zurücktreten", fuhr er fort und unterstrich noch einmal wie im letzten November die Fakten: 18 Jahre Profi-Rennfahrer, jeden Tag absolute Disziplin um das Ziel von Siegen und WM-Titeln zu erreichen.

"Jetzt bin ich aber in einer neuen Phase meiner Karriere", so Lorenzo weiter. "Ich hatte diese Woche auf der Yamaha richtig Spaß, wieder Freude - eine Freude, die ich lange nicht gefühlt habe. Das letzte Mal hatte ich solche Glücksgefühle auf Profi-Ebene wahrscheinlich 2018, als ich drei Rennen gewann." Was dann aber kam, ist Geschichte. "Das Gefühl war mir die letzten anderthalb Jahre abhanden gekommen - Verletzungen, schlechte Ergebnisse."

In dieser Saison laufen alle Verträge in den Werksteams aus, klar, dass bei dem Grinsen, welches Lorenzo in Sepang im Gesicht hatte, auch die Frage nach einem möglichen Full-Time-Comeback gestellt wurde. "War mein Rücktritt in Valencia zu 99 Prozent sicher, so ist er es jetzt vielleicht noch zu 98 Prozent", grinste er verschmitzt.

Doppeltes Qualitätssiegel für Rossi & Vinales

Lorenzo steigt zwar ins Yamaha-Testprogramm ein, doch wird er nicht der einzige Testfahrer sein. In Japan wird weiter eine Vorauswahl getroffen, ehe der Ex-Weltmeister dann in europäischen Gefilden zum Einsatz kommt. Motorsportchef Lin Jarvis erklärte, was Yamaha mit ihrem einstigen Zögling vor hat.

"Die grundlegenden Tests werden weiter die japanischen Testfahrer machen", so Jarvis zu den Ablaufplänen. "Nozane und Nakasuga sind sehr erfahrene Fahrer und deren Arbeit läuft ohne Veränderungen weiter."

"Allerdings wird in Japan nur die Vorauswahl getroffen, was gut sein könnte", erklärte er weiter. "Dann bringen wir das an eine Grand-Prix-Strecke, mit einem Grand-Prix-Fahrer und testen bei Grand-Prix-Speed. Das sollte uns dann Rückschlüsse erlauben, was davon im Renntrimm funktioniert."

Mit der Aufstockung des MotoGP-Kalenders, sind für die Stammpiloten immer weniger Testtage angesetzt. "Wir sind da quasi gezwungen zu investieren", kommentiert Jarvis und stellt klar, dass europäische Hersteller da einige Vorteile haben. "Die Grundlagen erproben wir auf unserer hauseigenen Teststrecke, manchmal auch in Motegi. Aber dann fehlen uns die Vergleiche zu den Strecken, auf denen wir öfter fahren - in Europa." Daher erhofft man sich bei Yamaha vom Testteam in Japan über Jorge Lorenzo in Europa hin zu den Einsatzfahrern eine "bessere Brücke zu schlagen" als bisher.

Wildcards - wenn beide wollen

Was Wildcard-Einsätze Lorenzos angeht, auch darüber hat man bereits gesprochen. "Das ist optional", verrät Jarvis. "Optional für uns und optional für Jorge. Wenn er will und wir die Kapazitäten haben, dann werden wir das machen." Hauptziel der gemeinsamen Zusammenarbeit und 'Mission' sei es aber, dass der Ex-Weltmeister die Entwicklung der M1 voranbringt. "Daher werden wir bei der Entscheidung nicht einfach aus heiterem Himmel ein Rennen nehmen, wo es keine Logik für eine Wildcard gibt - das muss ein Grand Prix sein, bei dem eine Wildcard einen Sinn macht und wo wir dann vielleicht auch gleich noch testen." Und abgesehen von der technisch-strategischen Entscheidung bleibt noch die Komponente Mensch. "Jorge muss sich wohl fühlen und wieder auf Rennspeed sein - dann steht dem nichts im Wege."

Von Honda gab es derweil bislang keine Reaktion oder Telefonanrufe. "Ich weiß auch nicht, warum er [Alberto Puig] mich anrufen sollte. Ich habe nur mit Jorge gesprochen. Wir im Management der verschiedenen MotoGP-Teams, wir sprechen grundlegend nicht viel miteinander."

Stammfahrer begrüßen Lorenzo an Bord

Vinales und Rossi stehen derweil absolut hinter der Entscheidung, Lorenzo als Testfahrer zu verpflichten. "Jorge ist perfekt für Yamaha, perfekt für uns", so Rossi. "Ich habe Lin echt Druck gemacht, damit er mit Jorge spricht, weil ich das für einen klugen Schachzug halte. Ich habe immer gesagt, dass er - trotz des schwierigen Jahres bei Honda - nur einen Tag auf der M1 braucht, um wieder konkurrenzfähig zu sein. Und das war er hier diese Woche direkt am ersten Tag. In der heutigen MotoGP brauchst du einen Testfahrer, der die gleichen Zeiten wie das Einsatzteam bringen kann."

Auch Vinales hält die Verpflichtung für eine "richtig wichtige Entscheidung" und das nicht zuletzt, weil er und Lorenzo die gleiche Sprache sprechen. "Auch charakterlich ähneln wir uns sehr", so der Spanier. "Mir macht das die Arbeit leichter. Er war mit diesem Motorrad Weltmeister, er weiß was zu tun ist."