Johann Zarco erlebte 2019 bei KTM eine echte Horrorsaison. An seinem Talent und Können zweifelt aber kaum jemand im Fahrerlager der MotoGP. Und doch musste er, um in der Königsklasse zu bleiben, für das kommende Jahr einen Vertrag bei einem Team unterschreiben, dass seit Jahren als das am schwächsten aufgestellte der MotoGP gilt.

Seit Avintia Racing 2012, damals noch unter dem CRT-Reglement, den Einstieg in die Königsklasse wagte, machte man fast ausschließlich Negativschlagzeilen. Mehrere Fahrerverträge wurden gebrochen - zuletzt der mit Karel Abraham, um Platz für Johann Zarco zu schaffen. Piloten, die mit dem Team über eine Zusammenarbeit verhandelten, sprachen von unprofessionellem Verhalten. Ein Gefühl, dass sich durch alle Bereiche des Rennstalls zieht. Teamchef Raul Romero spricht ausschließlich spanisch, was im internationalen Umfeld der MotoGP als No-Go gilt. Presseverantwortlichen gibt es seit längerer Zeit gar keinen, die Öffentlichkeitsarbeit fällt dementsprechend sporadisch aus. Und auch bei einem näheren Blick auf die in die Jahre gekommene Hospitality kann einem Angst und Bange werden.

Kurz gesagt: Wer die Wahl hat, fährt nicht bei Avintia. Das sah auch Johann Zarco beim Saisonfinale in Valencia noch so, als er erklärte, nur für ein gutes MotoGP-Team fahren zu wollen. Ein solches sei Avintia nicht. Warum aber änderte der stolze bis dickköpfige Franzose seine Meinung dann doch noch?

In den Wochen von der ersten Anbahnung zwischen Avintia und Zarco hat sich so einiges getan. Der wichtigste Schritt war zweifelsohne der neue Vertrag zwischen dem Team und Ducati. Der Hersteller aus Borgo Panigale konzentrierte sich bei seinen Satelliten-Aktivitäten in der MotoGP zuletzt praktisch ausschließlich auf Pramac Racing. Während die Fahrer dort teilweise sogar auf aktuellstes Material zurückgreifen konnten, mussten die Avintia-Piloten teilweise mit zwei oder drei Jahre alten Maschinen auskommen. Technischer Support von Ducati war praktisch nicht vorhanden.

MotoGP: Die Saison 2019 analysiert - Hersteller für Hersteller: (01:12:42)

Das wird sich 2020 ändern. Zarco und Teamkollege Tito Rabat werden die Desmosedici GP19 erhalten, mit der Andrea Dovizioso und Danilo Petrucci in diesem Jahr drei Rennen gewinnen konnten. Der neue Vertrag beinhaltet außerdem mehr Unterstützung aus dem Werk. Man darf also davon ausgehen, dass in Zukunft deutlich mehr Personal in roter Uniform in der Avintia-Box zu sehen sein wird.

Darüber hinaus wird Johann Zarco einen neuen Crewchief spendiert bekommen. Den soll Ducatis-Technikboss Gigi Dall'Igna höchstpersönlich für den zweifachen Moto2-Champion aussuchen. Überhaupt sagt das Engagement von Ducati im Fall Zarco sehr viel über die Ernsthaftigkeit des Projekts aus. Denn den Vertrag für 2020 hat der Franzose nicht mit Avintia geschlossen, sondern direkt mit Ducati. Das bedeutet zum einen, dass Zarcos Gehalt wohl aus Borgo Panigale überwiesen wird. Alles andere scheint auch schwer machbar, war Avintia in den vergangenen Jahren doch stets auf finanzielle Mitgiften von Karel Abraham oder Xavier Simeon angewiesen.

Zarcos Ducati-Vertrag bringt ihm freilich auch eine interessante Zukunftsperspektive für 2021 ein. Da könnten nämlich im Werksteam einer, im Fall eines Abschieds von Andrea Dovizioso sogar zwei Plätze zu haben sein. Schlägt sich Zarco im kommenden Jahr mit der GP19 bei Avintia gut, würde wenig dagegensprechen, ihm in den folgenden Saisons eine größere Aufgabe anzuvertrauen.

Fazit

Johann Zarco scheint für die Saison 2020 ein Paket zur Verfügung zu haben, dass ihm durchaus gute Resultate ermöglicht. Die Desmosedici GP19 sollte auch im kommenden Jahr konkurrenzfähig sein und Zarcos Crew dürfte auf das nötige Level gehoben werden. Einziges großes Fragezeichen ist, wie gut er mit der Ducati zurechtkommt.