Viele MotoGP-Fans schütteln aktuell den Kopf über so manche Entscheidung von KTM. Sportlich schafft es die orange Rennfraktion aus Mattighofen nur selten in die Schlagzeilen, doch abseits der gezeiteten Sessions ist der österreichische Hersteller ein Dauerbrenner in unseren Headlines.

Da wäre in den letzten Monaten etwa das Trennungs-Epos rund um Johann Zarco in mehreren Akten, der in Spielberg beschlossene Ausstieg aus der Moto2 oder das Fallenlassen des einstigen Supertalents Can Öncü, für dessen glorreiches WM-Debüt in Valencia KTM einst ja sogar das Regelwerk abändern ließ.

Lecuona/Binder-Deal als einfachste Lösung?

Die Handlung des neuesten Kapitels der "KTM Headline Collection"? Der MotoGP-Aufstieg von Iker Lecuona samt Wechsel von Brad Binder ins Werksteam und daraus resultierendem bösen Blut bei Miguel Oliveira. Doch alles der Reihe nach:

KTM gab am Donnerstag auf Phillip Island (in den Nachtstunden unserer Zeitzone) per Presseaussendung bekannt, dass man Iker Lecuona für die MotoGP 2020 verpflichte und im Gegenzug Brad Binder den vakanten Sattel im Werksteam, der aktuell von Mika Kallio gehütet wird, übernimmt.

Vertraglich alles kein Problem: Lecuona hatte bereits am 1. August bei KTM unterschrieben, als man ihn noch als Werksfahrer in der Moto2 einplante. Binder wiederum hatte seinen MotoGP-Aufstieg bereits am 10. Juli fixiert, damals aber noch mit einem Einsatz beim Kundenteam von Tech3 gerechnet.

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Oliveira fühlt sich übergangen

Die Personalrochade ersparte der KTM-Chefetage zähe Vertragsverhandlungen, sorgte noch am Donnerstag aber für Unmut bei Miguel Oliveira. Der Portugiese fühlte sich übergangen und kritisierte die Entscheidung offen gegenüber Journalisten und der TV-Crew der offiziellen MotoGP-Webseite (Clip für alle Besitzer des MotoGP-Videopass abrufbar).

Dass 2020 Rookie Binder im Werksteam fahre, und nicht er selbst, war für Oliveira unverständlich. Die KTM-Chefetage konterte allerdings und schickte Teamchef Mike Leitner vor die Kameras. Der Österreicher erklärte, dass Oliveira sehr wohl gefragt worden sei, aber abgelehnt hatte. Eine Aussage, die Oliveiras Anschuldigungen widerspricht, denn der Portugiese hatte behauptet, erst gar nicht gefragt worden zu sein.

Licht ins Dunkel dieser konträren Statements brachte am Donnerstag erst ein drittes Video-Interview - jenes mit Tech3-Boss Herve Poncharal. Der führte nämlich aus, dass Oliveira am Rennwochenende in Misano gefragt wurde, ob er für Zarco einspringen würde, falls man sich vom Franzosen trennen sollte, damals aber ablehnte.

Missverständnis sorgt für böses Blut

Dieses Meeting bestätigte sowohl Leitner, als auch Oliveira. Doch die beiden Parteien dürften die Aussagen von damals anders interpretiert haben. Denn während für den Teamchef damit klar war, dass Oliveira auch 2020 einen Verbleib bei Tech3 bevorzugt, wertete Oliveira die Posten eines Ersatzfahrers für die letzten Saisonrennen 2019 und eines Factory-Riders für 2020 als zwei unterschiedliche Aufgaben, über die man sich gesondert unterhalten müsse.

Doch exakt dieses zweite Gespräch gab es niemals, wie die Aussagen aller Beteiligten nun nahelegen. Die österreichische Weisheit "Durch's Reden kommen d'Leut zam" scheint bei KTM nicht zur Firmenpolitik zu gehören. Unlängst klagte mir auch ein Teamchef aus den kleinen Klassen sein Leid, dass die Kommunikation mit KTM aktuell eher schwierig läuft. Die Entsorgung von Can Öncü durch die Hintertür reiht sich da nahtlos ein.

All diese Faktoren lassen am Personalmanagement, genauer gesagt der internen Kommunikation mit den eigenen Fahrern und Kunden, zweifeln. Ein Verdacht, den schon die Causa Zarco nahelegte. Denn den heißblütigen Franzosen brachte man intern nie unter Kontrolle, sodass er in der Box wüten und sogar in den sozialen Medien über die KTM RC16 ablästern konnte, ehe er einen öffentlichen Ordnungsruf von Konzernchef Stefan Pierer über sich ergehen lassen musste.

In seiner Enttäuschung plauderte nun auch Miguel Oliveira auf Phillip Island aus, dass man bei Tech3 keineswegs das gleiche Material wie das Werksteam zur Verfügung habe und kritisierte diese Praktik. Das durch Beirer getätigte Versprechen der "zwei Werksteams" löst sich somit in eine leere Worthülse auf. Immerhin ist durch den Lecuona/Binder-Deal die Zukunft geklärt und KTM sollte nun alles daransetzen, wieder durch sportliche Leistungen in die Schlagzeilen zu kommen. Dazu muss man aber dringend besseres Personalmanagement an den Tag legen.