KTM ließ am Donnerstag mit einer überraschenden MotoGP-Verpflichtung aufhorchen: Der 19-jährige Iker Lecuona wird bereits 2020 in der Königsklasse unterwegs sein. Allerdings wird Lecuona nicht direkt den vakanten Platz von Johann Zarco im Werksteam übernehmen, sondern bei Tech3 fahren.

Im Gegenzug steigt Brad Binder, der 2020 sein Rookie-Jahr eigentlich bei Tech3 bestreiten hätte sollen, direkt in das KTM-Werksteam auf. Eine Entscheidung, die für harsche Kritik von Miguel Oliviera sorgt. Der Portugiese bestreitet aktuell seine Debüt-Saison in der MotoGP für Tech3 und fühlt sich nun übergangen.

Oliveira kann Binder-Aufsteig nicht nachvollziehen

"Dass sie sich für einen Rookie, der auch noch im gleichen Alter wie ich ist, entschieden haben, löst bei mir das Gefühl aus, dass ich es in ihren Augen nicht würdig bin, dort zu fahren", holte Oliveira in seiner Medienrunde am Donnerstag in Australien aus.

"Wenn du einen Platz im Werksteam hast, dann hast du ganz andere Möglichkeiten. Zuallererst hast du ein vollwertiges Factory-Bike. Zweitens bist du in die Weiterentwicklung der Teile involviert und daher hätte es in meinen Augen mehr Sinn gemacht, mich mit einem Jahr MotoGP-Erfahrung für diesen Job auszuwählen. Aber in ihren Augen macht das keinen Sinn", schloss der Portugiese sein Plädoyer ab.

Leitner: Haben Miguel gefragt

KTM-Teamchef Mike Leitner wollte diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen: "Miguel war der erste Fahrer, den wir gefragt haben, ob er Johann ersetzen will. Er hatte die Chance zu uns zu wechseln, doch seine Antwort war, dass er bei seinem Team bleiben will. Von diesem Moment an haben wir mit anderen Fahrern geplant."

Dieses Meeting fand allerdings bereits in Misano statt - unmittelbar vor dem Rauswurf von Johann Zarco. Damals ging es laut Oliveira allerdings nur um den Posten des Ersatzfahrers bis Saisonende. KTM hingegen dürfte das als generelles Nein zu einem Wechsel ins Werksteam gewertet haben und sich somit nach anderen Möglichkeiten umgesehen haben.

Binder und Oliveira waren bereits in der Moto2 in den Jahren 2017 und 2018 Teamkollegen im KTM-Werksteam in der Moto2. Die Zahlen sprechen eindeutig für Oliveira: Er holte sechs Siege und 21 Podestplätze, während Binder nur drei Siege und sechs Podien einfahren konnte. In der WM-Wertung schlug Oliveira seinen Teamkollegen in beiden Jahren deutlich.

Kritik an KTM-Politik bei Tech3

Auch in seinem ersten Jahr in der MotoGP machte der portugiesische Rookie bislang eine gute Figur. Auf der KTM fuhr er bislang neunmal in die Punkteränge - mit einem 8. Rang in Spielberg als bestem Einzelresultat. Mit 33 Punkten ist er WM-16. und damit zweitbester Fahrer des österreichischen Herstellers.

Am Donnerstag übte Oliveira aber auch Kritik an der Politik seines Arbeitgebers. KTM hatte im Winter angekündigt, das Tech3-Team nicht als reinen Kunden zu betrachten, sondern vielmehr mit vier vollwertigen Werksmotorrädern auf dem neuesten Stand anzutreten. Davon sei bislang aber nichts zu sehen, so Oliveira.

"Wir sollten angeblich ein Factory-Bike bekommen, aber das ist bislang noch nicht passiert. Und wer weiß schon, wie das im nächsten Jahr laufen wird", lautete seine Kritik. KTM dürfte sich mit seinen hohen Ansprüchen ein wenig übernommen haben. Im Februar ließ man im Rahmen einer großen Präsentation noch verlautbaren, dass man mit insgesamt neun Fahrern auf Erfolge losgeht.

KTM holt 2019 wohl keinen einzigen Titel

Die Konstrukteurs-Titel in Moto3 und Moto2 sind schon verloren, auf Phillip Island könnte die Konkurrenz vorzeitig auch beide Fahrer-Wertungen für sich entscheiden. In der Moto2 zieht man daher im Winter den Stecker, in der Moto3 ließ man Supertalent Can Öncü (im Vorjahr bei seinem Debüt jüngster GP-Sieger der Geschichte) fallen.

Oliveiras Kritik lässt nun auch vermuten, dass man in der MotoGP keine vier reinrassigen Werksbikes stellen kann und Weiterentwicklungen somit nur mit massiven Verzögerungen an das Kundenteam von Tech3 weitergereicht werden. Hinzu kommt das missglückte Personalmanagement in der Causa Johann Zarco.

Unter diesen Fall wurde nun mit der Verpflichtung von Lecuona immerhin ein Schlussstrich gezogen. Oliveira kritisierte am Donnerstag aber auch diese Entscheidung: "Ich denke, es war ein überhastetes Manöver. Grundsätzlich ist er (Iker Lecuona) ein schneller Moto2-Fahrer. Aber ich denke, dass es ein erzwungener Wechsel war."

Lecuona fährt seit Mitte 2016 in der Moto2 für das mittlerweile in Verruf geratene Team rund um den Schweizer Fred Corminboeuf. Bislang bestritt er 53 WM-Rennen, in denen er zweimal auf dem Podest stand und insgesamt 153 Punkte holte.