Nur gut ein Monat nach seiner endgültigen Kündigung als MotoGP-Stammfahrer bei KTM wird Johann Zarco wieder Renneinsätze in der Königsklasse bestreiten. Die Grands Prix auf Phillip Island, in Sepang und Valencia bestreitet er für das Team von LCR Honda. Zarco ersetzt dort Takaaki Nakagami, der sich nach dem Japan-GP einer Operation an seiner rechten Schulter unterziehen muss.

Die Einsätze Zarcos auf Honda werden im MotoGP-Fahrerlager mit Spannung erwartet. Auf der KTM RC16, die in ihrer Charakteristik der Honda RC213V durchaus ähnelt, hatte der talentierte Franzose ja große Probleme. Seinen sanften Fahrstil, der ihn auf der Yamaha M1 zum Shooting-Star der MotoGP werden ließ, konnte er bei KTM nie anwenden. Und wird es wohl auch in den Farben von LCR Honda nicht können. Denn auch sein Arbeitsgerät dort verlangt vom Fahrer vollen Körpereinsatz mit aggressivem Einlenken und ebensolchem Aufrichten am Kurvenausgang.

Dennoch glaubt Zarcos vorübergehender Teamchef Lucio Cecchinello, dass sich der zweifache Moto2-Weltmeister in seinem Rennstall gut schlagen kann. "Johann ist hochmotiviert. Er will sich für die Probleme mit der KTM revanchieren. Unter diesen Umständen ist es gut möglich, dass er stärker ist als Lorenzo", so Cecchinello gegenüber 'As'. "Das soll nicht bedeuten, dass Jorge nicht größeres Potenzial hätte. Wir dürfen nicht vergessen, was er schon alles erreicht hat. Man sieht aber, dass er Probleme hat, die Stürze und Verletzungen zu verdauen. Ihm fehlt das Gefühl für das Motorrad und das blockiert ihn mental. Deshalb ist er aktuell nicht der Jorge Lorenzo, den wir kennen. Es braucht Zeit, um das wieder in den Griff zu bekommen."

Verdrängt Zarco bei Honda Lorenzo?

Der Vergleich zwischen Zarco und Lorenzo verleiht dem LCR-Deal besondere Brisanz. Denn die Gerüchte über eine Aus der Partnerschaft zwischen Lorenzo und Honda schon mit Ende 2019 reißen nicht ab. Zarco wäre eine der ganz wenigen Optionen, um den dreifachen MotoGP-Champion mit einem hochkarätigen Fahrer zu ersetzen. Liefert Zarco bei seinen drei Einsätzen vergleichbare oder sogar bessere Resultate ab als Lorenzo, könnte dies den Wunsch nach einer Kündigung des spanischen Stars weiter verstärken.

Lorenzos Debütsaison bei Honda wurde zum Desaster, Foto: LAT Images
Lorenzos Debütsaison bei Honda wurde zum Desaster, Foto: LAT Images

"Johann will Rennen fahren. Testpilot zu sein ist für ihn nur Plan B", glaubt auch Teamchef Cecchinello. "Ich weiß aber nicht, was in seiner Zukunft passiert. Ich konnte ihm nur diese Chance für die letzten drei Rennen dieses Jahres geben und habe dabei nicht an 2020 gedacht." Cecchinello selbst hatte wohl tatsächlich keine weiteren Hintergedanken beim Zarco-Deal, steht seine Fahrerpaarung für 2020 mit Cal Crutchlow und Takaaki Nakagami doch bereits. Die Wahl des Ersatzfahrers musste er aber mit den Honda-Spitzen Tetsuhiro Kuwata und Alberto Puig abklären und die könnte dabei durchaus bereits mit einem Auge auf 2020 geschielt haben.

Cecchinello spekuliert mit Top-Ten-Plätzen Zarcos

Für Cecchinello geht es vor allem darum, den sechsten Rang in der Teamwertung gegenüber Pramac Racing zu verteidigen. Die Ducati-Truppe liegt nur 23 Punkte zurück, Unterstützung Zarcos ist also dringend notwendig. "Takas Motorrad ist das 2018er-Modell und hat natürlich weniger Motorleistung als die aktuelle Maschine. Außerdem muss uns klar sein, dass sich ein Fahrer nicht auf ein Motorrad setzt und es dann sofort an seine Grenzen bringt. Das Ziel muss also sein, einfach Punkte zu sammeln", gibt der Teamchef die Marschrichtung vor. "Top-Ten-Resultate wären schon sehr positiv. Damit rechne ich aber in Australien noch nicht. Das ist eine erste Gelegenheit für Johann, um die Honda kennenzulernen."