"Die WM-Titel in allen drei Wertungen sind nun unser großes Ziel", erklärte Marc Marquez am Sonntag nach dem Gewinn seiner sechsten MotoGP-Fahrerweltmeisterschaft und gab sich damit als großer Teamplayer. Daran soll an dieser Stelle auch gar nicht gezweifelt werden, Marquez' Loyalität und Dankbarkeit gegenüber dem Repsol-Team und Hersteller Honda stehen außer Frage. Wer Marquez kennt, weiß aber, dass es in den vier ausstehenden Rennen 2019 um viel mehr als nur die zwei verbleibenden WM-Titel geht.

Marquez' Erfolge in den vergangenen Jahren fußen nicht nur auf seinem großartigen fahrerischen Talent, sondern auch auf dem Können, seinen Gegnern auf der Strecke stets unter die Nase zu reiben, dass er die unangefochtene Nummer eins ist. Und ihnen damit den letzten Nerv zu ziehen. Das kann durch Scharmützel im Training und Qualifying oder durch Siege im Rennen sein. Gegen Maverick Vinales, Jorge Lorenzo oder Valentino Rossi ist ihm dies bereits erfolgreich gelungen. Nächstes Opfer muss Fabio Quartararo sein.

Denn der Franzose schwimmt derzeit auf einer Welle des Erfolges. In Spielberg kam er trotz eklatantem Topspeed-Nachteil als Dritter auf das Podium. In Silverstone hätte er wohl sehr gute Chancen auf den ersten großen MotoGP-Triumph gehabt, wäre dem späteren Rennsieger Alex Rins in Kurve eins nicht ein kleiner Fehler unterlaufen, der den Highsider Quartararos zur Folge hatte. In Misano hielt er fast das gesamte Rennen dem gewaltigen Druck Marquez' Stand und musste sich erst in der letzten Runde geschlagen geben. In Aragon fuhr er ein anständiges Rennen und war Fünfter, in Thailand zeigte er sein bislang bestes MotoGP-Rennen. Nur Nuancen fehlten zum ersten Sieg, bis zur letzten Kurve verlangte er Weltmeister Marquez alles ab.

Quartararos endgültiger Durchbruch - nur eine Frage der Zeit?

Der erste Sieg des Super-Rookies liegt in der Luft - und Marquez hat großes Interesse daran, diesen bis zum Saisonende zu vermeiden. Nimmt man die aktuelle Form aller MotoGP-Fahrer und deren Arbeitsgeräte als Gradmesser, wird Quartararo 2020 der große Herausforderer im Kampf um die Krone der Königsklasse sein. Voller Selbstbewusstsein wird 'El Diablo' ohnehin überwintern. Das Wissen, Marquez in einem Rennen bereits geschlagen zu haben, wäre für Quartararo in der Vorbereitung auf die neue Saison aber ein weiterer mentaler Schub, den man gar nicht überbewerten kann. Umgekehrt würde dies zusätzlichen Druck für Marquez bedeuten.

In Thailand musste sich Quartararo erst auf den letzten Metern geschlagen geben, Foto: LAT Images
In Thailand musste sich Quartararo erst auf den letzten Metern geschlagen geben, Foto: LAT Images

Der nun sechsfache MotoGP-Champion ist bereits jetzt vor dem mehr als sechs Jahre jüngeren Quartararo gewarnt. "Er wird 2020 einer der härtesten Rivalen im Titelkampf sein", ist Marquez überzeugt. "Fabio fährt die Yamaha wahnsinnig gut. Er ist der schnellste Gegner auf den Strecken. Jetzt lernt er auch in den Rennen viel dazu und teilt sich die GPs immer geschickter ein. Er wird von Wochenende zu Wochenende stärker."

Quartararo strotzt vor Selbstvertrauen

Quartararo, der sich normalerweise stets betont bescheiden gibt, sieht das ganz gleich: "Ich glaube, Marc wird in der MotoGP noch lange Zeit die Referenz sein, aber wir kommen Stück für Stück näher. Ich freue mich darauf, diesen Typen im nächsten Rennen wieder zu fordern. Wir werden weiterhin hart arbeiten, denn mein Ziel ist es, MotoGP-Weltmeister zu werden." Ob es 2020 schon so weit sein kann, will Quartararo nicht beurteilen, von einer weiteren Steigerung ist er aber beinahe überzeugt: "2020 werde ich schon viel besser vorbereitet sein. Dieses Jahr war ja meine Rookie-Saison, nächstes Jahr werde ich alle Strecken schon mit der MotoGP-Maschine kennen. Und schon jetzt habe ich den achtfachen Weltmeister bis zur letzten Kurve herausgefordert. Damit kann ich sehr zufrieden sein."

Spannend: Als Marquez am Sonntag in Thailand gefragt wurde, ob er Quartararo mit einem seiner bisherigen Rivalen vergleichen könnte, kam es wie aus der Pistole geschossen: "Jorge Lorenzo! Sein Stil ist ganz ähnlich wie der von Jorge in seiner besten Zeit bei Yamaha." Lorenzo ist ja bis heute der einzige Fahrer, der Marquez einen MotoGP-Titel abluchsen konnte. Soll sich diese Niederlage im kommenden Jahr nicht gegen Quartararo wiederholen, wird Marquez alles geben müssen. Den Grundstein für eine erfolgreiche Titelverteidigung kann er mit dominanten Auftritten im Finale der laufenden Saison legen. Oder wie es Marquez am Sonntag selbst gesagt hat: "2020 beginnt in Motegi!"