Die Formkurve von Yamaha zeigte in den letzten MotoGP-Rennen steil nach oben. Auf der Angststrecke in Spielberg und auch in Silverstone belegte man jeweils die Ränge drei bis fünf, in Misano sogar die Positionen zwei, drei, vier und fünf. Mannschaftlich gesehen war zuletzt niemand so stark wie Maverick Vinales, Valentino Rossi, Fabio Quartararo und Franco Morbidelli.

In Aragon musste Yamaha aber wieder eine Schlappe hinnehmen. Vinales konnte zumindest um das Podium kämpfen, für Quartararo und Rossi verlief das Rennen aber enttäuschend, Morbidelli wurde in Runde eins von Alex Rins abgeschossen. Wie konnte es aber zu dem plötzlichen Leistungseinbruch kommen? Am Freitag und Samstag waren die Yamahas ja noch stets erste Herausforderer von Marquez gewesen. Wir klären das in der Rennanalyse:

Yamaha wird am Sonntag zum Reifenmörder

Quartararo, Vinales und Co. hatten in den Freien Trainings stets gute Longrun-Pace, weshalb man vermuten konnte, dass sie am Sonntag ein kräftiges Wörtchen um die Spitzenpositionen mitreden würden. Daraus wurde aber nichts, weil sich wie so oft für das Rennen die Streckenbedingungen änderten. Der Grip im Motorland Aragon war schlechter - und Yamaha litt darunter besonders.

Rossi und Quartararo erlebten bereits nach wenigen Runden einen völligen Einbruch. Vinales konnte etwas länger durchhalten, kämpfte in der Schlussphase aber auch mit stumpfen Waffen. "Ich rutsche zu viel und dadurch bist du nicht nur langsam, sondern beschädigst auch den Reifen. Dafür müssen wir eine Lösung finden", erklärte Rossi im Anschluss an das Rennen die gemeinsame Schwäche der Yamahas.

Diese schlägt sich in den Rundenzeiten sichtbar nieder. Ein Vergleich mit Marc Marquez wäre an diesem Wochenende nicht fair. Der würde jeden Fahrer und jedes Motorrad schlecht aussehen lassen. Nehmen wir also den zweitplatzierten Andrea Dovizioso als Referenzwert. Was den reinen Speed betrifft, war der Ducati-Star nicht schneller als die Yamaha-Fraktion. Das zeigt ein Blick auf die ersten Runden, in denen vor allem Vinales auch oft flotter unterwegs war als Dovizioso.

Während die M1 in dieser Phase aber schon viel Gummi von den Michelin-Pneus holte, war Dovizioso mit seiner Ducati wieder einmal extrem reifenschonend unterwegs. "Bei solchen Verhältnissen kannst du nur etwas erreichen, wenn du dir das Rennen gut einteilst. Das ist mir heute zum Glück perfekt gelungen", stellte Dovizioso zufrieden fest. In den letzten Runden hatte er etwa gegen Vinales leichtes Spiel. Weil die Reifen an der Ducati in einem besseren Zustand waren - aber nicht nur.

Topspeed-Desaster bei Yamaha

Neben dem zu hohen Reifenverschleiß wurde Yamahas zweite große Schwäche im Rennen zu Tage gefördert: der immer noch katastrophale Topspeed. Der ist natürlich auch in Trainings und Qualifyings ein Nachteil, kann dort aber durch gute Performance in den Kurven kompensiert werden. Das ist im Rennen, wo es nicht nur um Rundenzeiten, sondern auch gewonnene Zweikämpfe geht, freilich ganz anders. Auf Geraden überholt es sich nun einmal leichter als in Kurven.

Das war selten so eindrucksvoll zu sehen wie am Sonntag in Aragon. Wenn Dovizioso oder Miller ihre Desmosedici GP19 auf der 968 Meter langen Gegengeraden ins Beschleunigungsduell gegen die Yamahas schickten, dann war das ein Kampf David gegen Goliath. Dovizioso sicherte sich mit 346,1 Stundenkilometern den Bestwert im Rennen. Die schnellste Yamaha liegt auf Rang 13 der Topspeed-Liste - Vinales mit 338,6. Nicht weniger als 7,5 km/h fehlten da also auf Dovizioso. Rossi verlor 9,6 und Quartararo als Schlusslicht dieser Wertung unfassbare 13,8 km/h.

Auf den Geraden war Quartararo ein leichtes Opfer, Foto: LAT Images
Auf den Geraden war Quartararo ein leichtes Opfer, Foto: LAT Images

Marquez in einer eigenen Liga

Auf dem vorletzten Rang der Topspeed-Liste findet sich wenig überraschend Marquez. Er durfte schließlich das gesamte Rennen über nicht einmal den Windschatten eines anderen Piloten genießen. Das hatte der Repsol-Honda-Mann an diesem Sonntag aber auch gar nicht nötig. Er war seinen Gegnern drückend überlegen. Er fuhr die drei schnellsten Rennrunden und fünf der zehn besten Umläufe.

PositionFahrerZeit
1Marquez1:48.330
2Marquez1:48.549
3Marquez1:48.614
4Quartararo1:48.805
5Vinales1:48.818
6Miller1:48.827
7Marquez1:48.829
8Crutchlow1:48.852
9Dovizioso1:48.853
10Marquez1:48.893

Und das, obwohl Marquez laut eigener Aussage nur in den ersten drei bis vier Runden wirklich pushte. Das zeigt auch der Unterschied in seinen Zeiten. Über 1,5 Sekunden lagen zwischen seiner zweiten und vorletzten Runde. Nicht, weil er es nicht besser konnte, sondern weil er es schlicht nicht musste. Auch so fuhr er sich zwischenzeitlich fast sieben Sekunden Vorsprung heraus.