Hi ihr treuen MotoGP-Fans,

mein Name ist Pal Becker und einige von euch haben sicher schon von mir gehört oder gelesen. Ich betreibe seit Jahren die Facebook-Seite "motogp-update", die mit über 42.000 Fans mittlerweile zur größten MotoGP-Fanseite im deutschsprachigen Raum angewachsen ist. In Brünn darf ich Tom Lüthi über das gesamte Rennwochenende hinweg hautnah begleiten. Vorab möchte ich mich für diese einmalige Gelegenheit bei Tissot, dem offiziellen Zeitnehmer der MotoGP, und dem Dynavolt Intact GP Team bedanken, die mir dieses Erlebnis ermöglicht haben. Ein Dank geht auch an Motorsport-Magazin.com, die mir an dieser Stelle Platz für mein ganz persönliches Fantagebuch einräumen. Viel Spaß beim Lesen!

Sonntag: Bitteres Ende

Ich bin bereits zum Warmup um 9.00 Uhr pünktlich an der Box von Dynavolt Intact GP. In der Box herrscht gute Stimmung und alles ist vorbereitet. Tm begrüßt das Team, setzt sich in seinen Stuhl und geht noch einmal ein paar Feinheiten mit seinem Crewchief Michael durch. Vor dem Start das gewohnte Prozedere, doch dann bin ich etwas verwundert, denn Tom bleibt die vollen 20 Minuten draußen! Tom sieht zufrieden aus, als er am Ende doch irgendwann die Box ansteuern muss, da die Session vorbei ist.

Kurz vor 12.00 Uhr bin ich wieder an der Box und freue mich darauf, das Rennen hautnah miterleben zu dürfen. Ich darf kurz zu Tom gehen, ihm auf die Schulter klopfen und ihm ein kurzes "Alles Gute und viel Erfolg!" zuwerfen. Dann sitzen beide Fahrer ruhig in ihrer Ecke und was mir besonders auffällt: Keiner der Mechaniker spricht die Jungs an, die jetzt in ihrem Tunnel sind.

Ich frage Stefan Keckeisen: "Der Puls steigt, oder?" Er antwortet: "Das glaub mal! Es ist jedes Mal wieder ein wirklich unglaubliches Gefühl, kurz bevor es losgeht. Du siehst es ja!" Dann kommt Bewegung in die Box! Alexander beginnt den Reifenwagen vorzubereiten. Das Notstromaggregat für die Heizdecken wird angeworfen und Reifen auf die Träger gesteckt. Tom beginnt sich anzuziehen: Protektor, Helm und Handschuhe,

Noch ein kurzer Handschlag mit den Teammitglieder und ab geht es in die Startaufstellung. Während Tom sich im Grid vorbereitet, laufe ich in Kurve 1 um dort ein paar Fotos zu machen. Jetzt geht es richtig los und di Motorräder schießen nur so an mir vorbei. Tom kommt recht gut weg und ist in der ersten Kurve 8. oder 9. - wenn ich mich nicht verzählt habe. Denn alles geht irrsinnig schnell.

Das Feld ballert auch in Runde zwei an mir vorbei und ich versuche, zu fotografieren. Verdammt, unscharf! Nächst Runde, neues Glück, denke ich, doch ich erwische einfach keinen klaren Schuss von Tom. In Runde vier warte ich erneut mit der Kamera im Anschlag, doch er kommt nicht. Handy raus, Livetiming an, runterscrollen. Und dann sehe ich: "Tom Lüthi retired". Ich schreibe das Team kurz an und erhalte die befürchtete Bestätigung: "Tom ist leider gestürzt und musste aufgeben."

Es ist wirklich merkwürdig: Wenn Du am Fernseher dabei bist, hakst du das einfach ab: Ist passiert und fertig. Wenn du aber direkt dabei bist, Tom das ganze Wochenende begleitet hast, gesehen hast wieviel Arbeit und Enthusiasmus dahintersteckt, dann nimmst Du den Sturz ganz anders war. Ich schaue mir noch ein paar Runden des Rennens an und laufe dann Richtung Box. Als ich zur Tür reinkomme ist es recht still.

Tom sitzt sichtlich enttäuscht in seinem Stuhl. Ich mach auch keine Bilder, denn das fand ich irgendwie unangebracht. Noch am Abend zuvor antwortete er mir auf die Frage "Was erwartest Du morgen?“ mit einem Lächeln: "Definitiv mehr als heute, auf jeden Fall mehr!“ Leider wurde nichts daraus! Tom unterhält sich noch kurz mit Flavio, steht auf und beide gehen dann wortlos aus der Box. Ich sehe mir gemeinsam mit dem Rest des Teams die letzten Runden des Rennens an! Marcel wird am Ende Sechster, was eine positive Stimmung in die Box bringt. Zufrieden ist er aber nicht damit, was man seinen Erläuterungen entnehmen kann.

Direkt nach dem Rennen bringt man auch Toms Motorrad zurück. Ein Weiterfahren war damit nicht möglich, das konnte auch ich jetzt sehen! Seine Crew macht sich ein Bild vom Schaden und beginnt das Bike zu zerlegen. Nun wird es auch für mich langsam Zeit, mich zu verabschieden. Ich gehe zu Stefan Keckeisen, gebe ihm die Hand und sage: "Viel Glück in der nächsten Woche und vielen Dank dass Ich das bei euch erleben durfte!“ Er sagt mit einem Lächeln: "Danke dass du bei uns warst und darüber berichtest. Mach’s gut!“ Dann habe ich mich noch vom Rest des Teams verabschiedet und ein unglaubliches Abenteuer geht für mich zu Ende.

Samstag: Wetter spielt nicht mit

Und da haben wir schon den Salat! Kaum aufgestanden, hat es über der Strecke in Brünn auch schon ordentlich zu schütten begonnen. Da werden Teile des improvisierten Parkplatz, die normalerweise als Golfplatz dienen, schon mal zur Schlammbahn. Trocken ist an diesem Tag am Weg ins Paddock aber ohnehin niemand geblieben, manchmal gehört das eben auch dazu.

Solche Wetterbedingungen bedeuten aber vor allem für die Crew von Dynavolt Intact GP jede Menge Arbeit. Die Bikes mussten von Trocken- auf Regen-Setup umgebaut werden, was für die Jungs aber natürlich kein Problem darstellt. Tom saß unmittelbar vor dem Qualifying mit seinem Crewchief zusammen und beratschlagte über die Taktik. Tom entschied sich dafür, die kompletten 15 Minuten draußen zu bleiben.

Runde für Runde wurde die Strecke aber trockener, weshalb ich mich fragte, warum er denn nicht rein kam um Slicks aufzuziehen Noch sechs Minuten... noch fünf... die Uhr tickt munter runter. Einige Fahrer gingen das Risiko sind bereits mit Slicks draußen - und das mit Erfolg! Toms Rechnung mit Regenreifen geht nicht auf und am Ende gibt es daher nur P12.

Als Tom wieder an die Box kommt, kann man die Enttäuschung förmlich spüren, die in der Luft liegt. Er analysiert mit Michael Thier noch einmal Runde für Runde, während seine Mechaniker bereits mit dem Zerlegen des Motorrads beginnen. Plötzlich taucht Stefan Bradl neben uns an der Box auf!

Neben seiner Tätigkeit als Einsatzpilot bei Repsol Honda ist Stefan nebenbei ja auch noch als Experte für ServusTV unterwegs. Die Interviews führen hier in Brünn aber Gustl Auinger und Andrea Schlager, weshalb Stefan Zeit hat, um Tom wegen dessen Startposition ein wenig aufzuziehen. Die Witzchen kommen gut an und die eben noch etwas bedrückte Stimmung wird nun durch Gelächter vertrieben.

Als Tom ins Debrief mit seiner Crew abtaucht, verziehe ich mich allmählich aus der Box. Man will die Jungs ja nicht in ihrer Vorbereitung auf den Grand Prix morgen stören. Etwas später konnte ich noch ein paar Worte mit Tom wechseln und er ist trotz allem recht zuversichtlich für den Sonntag. Im Trockenen werden die Karten sicherlich nochmal neu gemischt und so ein Wetter wie heute braucht hier in Brünn ohnehin niemand.

Freitag: Training bei Tom an der Box

Ich hatte mich schon im Vorfeld sehr gefreut, endlich einmal in einem Training direkt an der Box mit dabei sein zu dürfen. Im 1. Training der Moto2 war es dann tatsächlich so weit. Und wer sich schon immer gefragt hat, was dort eigentlich während der Sessions passiert: Nicht wirklich viel! Die Atmosphäre beim Dynavolt Intact GP Team war sehr gelassen und irgendwie seltsam ruhig.

Ich fragte Alexander Gaschler, den LKW-Fahrer und Reifentechniker des Teams, ob es Anspannung sei. Da meinte er nur: "Nein, das ist ganz normal. Alles ist bereit und wir warten darauf, dass es losgeht. Die Fahrer sind voll in Ihrem Tunnel und bereiten sich vor." Dann zog Tom sich auch schon Helm und Handschuhe an und die Motorräder wurden für ihren Einsatz vorbereitet. Daumen hoch vom Tom, Heizdecken von den Reifen und Bike nach draußen geschoben.

Tom stand auf, ging in Richtung des Motorrads, blieb aber kurz davor stehen um noch einmal in die Knie zu gehen und in dieser Position einige Sekunden zu verharren. Dann ging es auch schon auf die Strecke und am Ende der Session durfte er sich über die fünftschnellste Zeit freuen.

Für mich persönlich lief es leider nicht ganz so toll! Denn über Nacht hatte die Batterie meines Mietwagens ihren Geist aufgegeben und ich stand am Vormittag ratlos auf P2 mitten auf dem Streckengelände von Brünn. Zum Glück war Hilfe nicht weit! Denn unweit von uns hatte Lukas Tulovic sein Auto geparkt und so halfen uns Lukas und sein Manager Peter Bales aus der Patsche. Herzlichen Dank dafür!

Donnerstag: Harte Anreise

Am Donnerstag bin ich nach acht Stunden Autofahrt zum ersten Mal in meinem Leben an der MotoGP-Strecke in Brünn angekommen. Man hätte mir ruhig vorher sagen können, wie hügelig dieses Gelände hier ist! Das kommt im Fernsehen ja so gar nicht rüber, dort sieht alles relativ flach aus. Aber denkste! Nachdem ich eine Runde um die Strecke spaziert bin, war ich ganz schön gar. Am Abend konnte ich den Sonnenuntergang im Paddock genießen, wo es zu so später Stunde richtig entspannt zuging. Das wird sich im Laufe dieses Wochenendes natürlich noch ändern.