Marc Marquez feierte in Barcelona seinen vierten Saisonsieg. Der MotoGP-Weltmeister setzte sich souverän durch, nachdem es bereits in der zweiten Runde zu einer von Jorge Lorenzo ausgelösten Massenkarambolage seiner schärfsten Verfolger im Rennen kam. Wir nehmen das Rennen in unserer GP-Analyse genauer unter die Lupe:

MotoGP Barcelona: Was ist in Lorenzo gefahren? Analyse-Talk (32:19 Min.)

Hat Marquez nur aufgrund des Crashes gewonnen?

Die "Bild" titelte am Sonntag: "MotoGP-Star crasht Team-Kollegen zum Sieg". Nun ist das Boulevardblatt in Sachen Motorradsport sicherlich keine fachliche Instanz, aufgrund ihrer Reichweite im Mainstream aber relevant. Viele Fans verstiegen sich danach in Verschwörungstheorien und Anfeindungen gegen Lorenzo. Dass die Massenkarambolage der siegbringende Faktor für Marquez war, ist aber schlichtweg falsch.

Denn zum einen fand der Unfall bereits in der zweiten Runde statt, wo man nur in den seltensten Fällen ein MotoGP-Rennen gewinnt. Andererseits räumte der Massencrash zwar vier hochkarätige Verfolger aus dem Grand Prix, doch sowohl Mugello-Sieger Danilo Petrucci, als auch der schnellste Mann des gesamten Wochenendes, Fabio Quartararo, blieben im Rennen und hatten gegen Marquez keine Chance.

Der Zwischenfall brachte Marquez im Vergleich zu diesen beiden Piloten kaum Vorteile, wie ein genauer Blick auf die Zwischenzeiten zeigt. Am Ende der zweiten Runde, also direkt nach dem Crash, lag Marquez an der Spitze nur 0,899 Sekunden vor Petrucci, der eine Runde zuvor 0,685 Sekunden hinter ihm lag. Petrucci kostete das Umfahren des Crash vor ihm lediglich zwei Zehntel auf Marquez. Fabio Quartararo lag nach dem Sturz sogar um drei Hundertstelsekunden näher an Marquez dran als vor dem Unfall. Aus 1,351 Sekunden Rückstand wurden 1,319 Sekunden. Auch Alex Rins und Jack Miller konnten in der Crash-Runde Zeit auf Marquez aufholen.

Entwicklung der Rückstande auf Marquez

Fahrer Rückstand nach Lap 1 Rückstand nach Lap 2 Differenz
Marc Marquez 1:46,201 3:27,916 -
Danilo Petrucci +0,685 +0,899 +0,214
Jack Miller +1,267 +1,117 -0,150
Fabio Quartararo +1,351 +1,319 -0,032
Alex Rins +1,405 +1,191 -0,214

Den Grundstein für seinen Sieg legte Marquez in den Runden danach, als er an der Spitze solo seine Runden ziehen konnte. Alleine in Lap 3 baute Marquez seinen Vorsprung auf Petrucci um 0,447 Sekunden, auf Quartararo sogar um 0,521 Sekunden aus. In den Runden 3 bis 5 fuhr Marquez dreimal in Folge die schnellste Rennrunde und hatte am Ende des fünften Umlaufs bereits 2,290 Sekunden Vorsprung auf den Rest des Feldes.

Man kann zwar vermuten, dass die drei abgeräumten Stars Dovizioso, Rossi und Vinales näher drangeblieben wären bzw. Marquez über Zweikämpfe Zeit gekostet hätten. Doch eine Headline wie "MotoGP-Star crasht Team-Kollegen zum Sieg" ist schlichtweg falsch. Marc Marquez wäre auch ohne die Massenkarambolage schwer zu schlagen gewesen.

Quartararo: Der schnellste Mann des Wochenendes?

Auf den größten Herausforderer von Marc Marquez hatte die Massenkarambolage keinerlei Auswirkungen: Fabio Quartararo. Der französische Rookie fuhr mit 1:39,484 nicht nur die schnellste Rundenzeit dieses Barcelona-Wochenendes, sondern war darüber hinaus auch noch in jeder einzelnen Wertung, vom 1. Training über die schnellste Rennrunde bis hin zum Endergebnis, unter den schnellsten zwei Piloten.

Fabio Quartararo von Session zu Session

Session Quartararo Bestzeit (Fahrer)
FP1 (2.) - 1:40,803 1:40,692 (Marquez)
FP2 (1.) - 1:40,079 QUARTARARO
FP3 (2.) - 1:39,583 1:39,547 (Rins)
FP4 (1.) - 1:40,235 QUARTARARO
Q2 (1.) - 1:39,484 QUARTARARO
WUP (1.) - 1:39,918 QUARTARARO
SR (2.) - 1:40,512 1:40,507 (Marquez)
GP (2.) - 40:33,835 40:31,175 (Marquez)

Von der Pole Position gestartet vermasselte er allerdings seine erste Runde, weshalb er dort auch vom ersten auf den achten Rang zurückfiel. Es dauerte bis zur 18. Lap, ehe Quartararo dort war, wo er an diesem Wochenende hingehörte: Auf der Verfolgerposition von Marc Marquez. Im Duell mit Petrucci und Rins hatte er allerdings zu viel Zeit verloren, um den Spanier noch gefährden zu können.

In den letzten sieben Runden holte Quartararo auf Marquez zwar fast drei Sekunden auf, der MotoGP-Weltmeister musste zu diesem Zeitpunkt aber mit seinen mehr als fünf Sekunden Vorsprung nicht mehr jede Passage am Limit durchziehen.

Welches Potenzial Quartararo hatte, zeigt auch der Umstand, dass er seine schnellste Rennrunde von 1:40,512 Minuten in der 18. Runde fuhr, während von allen anderen Fahrern alle bis auf zwei (Crutchlow & Zarco - Lap 13) ihre persönliche schnellste Rennrunde in der ersten Rennhälfte erzielten. Im letzten Renndrittel war Quartararo der mit Abstand schnellste Mann im Feld.

"Als ich Danilo in Turn 3 überholen konnte, wusste ich, dass ich alles geben musste um einen kleinen Abstand herauszuholen. Denn auf der Geraden war er viel stärker als ich", sagte Quartararo nach der Podiumszeremonie. Er legte den nötigen Killerinstinkt an den Tag, als sich die Chance bot.

Denn beim Topspeed hatte er mit seiner Yamaha keine Chance. 335,7 km/h erzielte er in Lap 17 als Topwert - zu einem Zeitpunkt, als er noch Petruccis Windschatten genoss. Danach sackte dieser Wert auf teilweise unter 332 km/h ab, während Petruccis Ducati in den letzten sieben Runden nie 339 km/h unterschritt und Marc Marquez' Honda stets die 340 km/h knackte. Fun Fact: Den absoluten Topwert erzielte Alex Rins in Runde 18 mit 345,7 km/h. Das war allerdings jene Runde, in der er aus Petruccis Windschatten eine Attacke setzte, die beinahe in einem Highsider endete, den er gerade noch abfangen konnte und bei seinem Ritt durch die Auslaufzone einen Podestplatz verspielte.

Fazit: Verhinderte Duelle

Schade, dass sich die beiden schnellsten Männer des Wochenendes nicht direkt duellieren konnten. Schuld daran ist allerdings die etwas holprige erste Runde von Polesitter Fabio Quartararo, der sich damit selbst um die Krönung eines grandiosen MotoGP-Wochenendes in Barcelona brachte. Der erste Podestplatz seiner noch jungen Karriere dürfte aber ein starkes Trostpflaster sein.

Jorge Lorenzos Aktion in der zweiten Runde nahm den Rennen viel an Spannung. Ob einer der in die Massenkarambolage verwickelten Piloten Marc Marquez tatsächlich in Schach halten hätte können, kann man nur mutmaßen. Bärenstark war der MotoGP-Champion auf jeden Fall und erneut tat er das Richtige im richten Moment, als er unmittelbar nach dem Massencrash sofort das Tempo anzog und so den Grundstein zum Erfolg legte. Dass er nicht auch in der zweiten Runde abgeräumt wurde, war natürlich eher Glück, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zu sein.